Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Laube, Heinrich: Die Bernsteinhexe. Leipzig, 1846.

Bild:
<< vorherige Seite
Die Bernsteinhexe.
hören und richten lassen, wenn ich es nicht thäte, erst da
hab' ich mich zur Einleitung des Prozesses entschlossen.
Rüdiger (halb für sich.)
Das ist eine entsetzliche Verwirrung! (Setzt sich.)
Wittich.
Nur in Deinem Kopfe, in welchem die Verliebtheit
herrscht statt des Verstandes. Betrachte nur einmal die
Dinge, wie sie sind: erst das Mädchen und dann Dich
selbst. Das Mädchen ist liebenswürdig in hohem Grade.
Jch weiß nicht, ob es für einen einfachen Liebhaber eben so
angenehm sein mag, daß sie in stiller Mitternacht mit allerlei
Genien verkehrt, daß sie Macht hat, allerlei Wesen an sich
zu ziehn, daß sie diese Welt wie eine Nebensache behan-
deln und mit ihren Umgebungen spielen kann, wie sie
will. Ein Liebhaber, der nicht sehr bescheiden ist, kann
davon gestört werden, denn allerdings ist von einer sol-
chen Braut nicht die alltägliche Treue zu verlangen. Mir
ist dies Alles überaus angenehm und reizend, Dir schwer-
lich! -- Zweitens, das bürgerliche Verhältniß! Dies ist
noch einfacher. Jch glaube nicht, daß Du so vorurtheils-
frei sein würdest, die Standesunterschiede ganz mit Füßen
zu treten und als vornehmer Edelmann eine geringe
Pfarrerstochter zu ehelichen. Gesetzt, Du wärest es, ge-
setzt, Du wagtest Dein häuslich Glück an die kleine betrüg-
liche Hexe -- hierbei zwänge mich die Pflicht des Pfle-
gevaters, verbietend einzuschreiten. Jch denke streng über
Die Bernſteinhexe.
hoͤren und richten laſſen, wenn ich es nicht thaͤte, erſt da
hab’ ich mich zur Einleitung des Prozeſſes entſchloſſen.
Rüdiger (halb fuͤr ſich.)
Das iſt eine entſetzliche Verwirrung! (Setzt ſich.)
Wittich.
Nur in Deinem Kopfe, in welchem die Verliebtheit
herrſcht ſtatt des Verſtandes. Betrachte nur einmal die
Dinge, wie ſie ſind: erſt das Maͤdchen und dann Dich
ſelbſt. Das Maͤdchen iſt liebenswuͤrdig in hohem Grade.
Jch weiß nicht, ob es fuͤr einen einfachen Liebhaber eben ſo
angenehm ſein mag, daß ſie in ſtiller Mitternacht mit allerlei
Genien verkehrt, daß ſie Macht hat, allerlei Weſen an ſich
zu ziehn, daß ſie dieſe Welt wie eine Nebenſache behan-
deln und mit ihren Umgebungen ſpielen kann, wie ſie
will. Ein Liebhaber, der nicht ſehr beſcheiden iſt, kann
davon geſtoͤrt werden, denn allerdings iſt von einer ſol-
chen Braut nicht die alltaͤgliche Treue zu verlangen. Mir
iſt dies Alles uͤberaus angenehm und reizend, Dir ſchwer-
lich! — Zweitens, das buͤrgerliche Verhaͤltniß! Dies iſt
noch einfacher. Jch glaube nicht, daß Du ſo vorurtheils-
frei ſein wuͤrdeſt, die Standesunterſchiede ganz mit Fuͤßen
zu treten und als vornehmer Edelmann eine geringe
Pfarrerstochter zu ehelichen. Geſetzt, Du waͤreſt es, ge-
ſetzt, Du wagteſt Dein haͤuslich Gluͤck an die kleine betruͤg-
liche Hexe — hierbei zwaͤnge mich die Pflicht des Pfle-
gevaters, verbietend einzuſchreiten. Jch denke ſtreng uͤber
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <sp who="#WIT">
              <p><pb facs="#f0147" n="141"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Die Bern&#x017F;teinhexe</hi>.</fw><lb/>
ho&#x0364;ren und richten la&#x017F;&#x017F;en, wenn ich es nicht tha&#x0364;te, er&#x017F;t da<lb/>
hab&#x2019; ich mich zur Einleitung des Proze&#x017F;&#x017F;es ent&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en.</p>
            </sp><lb/>
            <sp who="#RUED">
              <speaker> <hi rendition="#b">Rüdiger</hi> </speaker>
              <stage>(halb fu&#x0364;r &#x017F;ich.)</stage><lb/>
              <p>Das i&#x017F;t eine ent&#x017F;etzliche Verwirrung!</p>
              <stage>(Setzt &#x017F;ich.)</stage>
            </sp><lb/>
            <sp who="#WIT">
              <speaker> <hi rendition="#b">Wittich.</hi> </speaker><lb/>
              <p>Nur in Deinem Kopfe, in welchem die Verliebtheit<lb/>
herr&#x017F;cht &#x017F;tatt des Ver&#x017F;tandes. Betrachte nur einmal die<lb/>
Dinge, wie &#x017F;ie &#x017F;ind: er&#x017F;t das Ma&#x0364;dchen und dann Dich<lb/>
&#x017F;elb&#x017F;t. Das Ma&#x0364;dchen i&#x017F;t liebenswu&#x0364;rdig in hohem Grade.<lb/>
Jch weiß nicht, ob es fu&#x0364;r einen einfachen Liebhaber eben &#x017F;o<lb/>
angenehm &#x017F;ein mag, daß &#x017F;ie in &#x017F;tiller Mitternacht mit allerlei<lb/>
Genien verkehrt, daß &#x017F;ie Macht hat, allerlei We&#x017F;en an &#x017F;ich<lb/>
zu ziehn, daß &#x017F;ie die&#x017F;e Welt wie eine Neben&#x017F;ache behan-<lb/>
deln und mit ihren Umgebungen &#x017F;pielen kann, wie &#x017F;ie<lb/>
will. Ein Liebhaber, der nicht &#x017F;ehr be&#x017F;cheiden i&#x017F;t, kann<lb/>
davon ge&#x017F;to&#x0364;rt werden, denn allerdings i&#x017F;t von einer &#x017F;ol-<lb/>
chen Braut nicht die allta&#x0364;gliche Treue zu verlangen. <hi rendition="#g">Mir</hi><lb/>
i&#x017F;t dies Alles u&#x0364;beraus angenehm und reizend, <hi rendition="#g">Dir</hi> &#x017F;chwer-<lb/>
lich! &#x2014; Zweitens, das bu&#x0364;rgerliche Verha&#x0364;ltniß! Dies i&#x017F;t<lb/>
noch einfacher. Jch glaube nicht, daß Du &#x017F;o vorurtheils-<lb/>
frei &#x017F;ein wu&#x0364;rde&#x017F;t, die Standesunter&#x017F;chiede ganz mit Fu&#x0364;ßen<lb/>
zu treten und als vornehmer Edelmann eine geringe<lb/>
Pfarrerstochter zu ehelichen. Ge&#x017F;etzt, Du wa&#x0364;re&#x017F;t es, ge-<lb/>
&#x017F;etzt, Du wagte&#x017F;t Dein ha&#x0364;uslich Glu&#x0364;ck an die kleine betru&#x0364;g-<lb/>
liche Hexe &#x2014; hierbei zwa&#x0364;nge mich die Pflicht des Pfle-<lb/>
gevaters, verbietend einzu&#x017F;chreiten. Jch denke &#x017F;treng u&#x0364;ber<lb/></p>
            </sp>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[141/0147] Die Bernſteinhexe. hoͤren und richten laſſen, wenn ich es nicht thaͤte, erſt da hab’ ich mich zur Einleitung des Prozeſſes entſchloſſen. Rüdiger (halb fuͤr ſich.) Das iſt eine entſetzliche Verwirrung! (Setzt ſich.) Wittich. Nur in Deinem Kopfe, in welchem die Verliebtheit herrſcht ſtatt des Verſtandes. Betrachte nur einmal die Dinge, wie ſie ſind: erſt das Maͤdchen und dann Dich ſelbſt. Das Maͤdchen iſt liebenswuͤrdig in hohem Grade. Jch weiß nicht, ob es fuͤr einen einfachen Liebhaber eben ſo angenehm ſein mag, daß ſie in ſtiller Mitternacht mit allerlei Genien verkehrt, daß ſie Macht hat, allerlei Weſen an ſich zu ziehn, daß ſie dieſe Welt wie eine Nebenſache behan- deln und mit ihren Umgebungen ſpielen kann, wie ſie will. Ein Liebhaber, der nicht ſehr beſcheiden iſt, kann davon geſtoͤrt werden, denn allerdings iſt von einer ſol- chen Braut nicht die alltaͤgliche Treue zu verlangen. Mir iſt dies Alles uͤberaus angenehm und reizend, Dir ſchwer- lich! — Zweitens, das buͤrgerliche Verhaͤltniß! Dies iſt noch einfacher. Jch glaube nicht, daß Du ſo vorurtheils- frei ſein wuͤrdeſt, die Standesunterſchiede ganz mit Fuͤßen zu treten und als vornehmer Edelmann eine geringe Pfarrerstochter zu ehelichen. Geſetzt, Du waͤreſt es, ge- ſetzt, Du wagteſt Dein haͤuslich Gluͤck an die kleine betruͤg- liche Hexe — hierbei zwaͤnge mich die Pflicht des Pfle- gevaters, verbietend einzuſchreiten. Jch denke ſtreng uͤber

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/laube_bernsteinhexe_1846
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/laube_bernsteinhexe_1846/147
Zitationshilfe: Laube, Heinrich: Die Bernsteinhexe. Leipzig, 1846, S. 141. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laube_bernsteinhexe_1846/147>, abgerufen am 21.11.2024.