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Laube, Heinrich: Die Bernsteinhexe. Leipzig, 1846.

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Einleitung.
hold die ganze Geschichte erfunden habe, sondern ich bin
fest überzeugt, daß er Theile des Torso vorgefunden und
sie im Style desselben zusammengesetzt hat. Das wird
freilich schwer aufzuklären sein, wenn er selbst darüber
nichts mittheilen will, sondern auf der wunderlichen Grille
beharrt, durch solche Täuschung und Enttäuschung einen
Beweis geliefert zu haben, daß die Zweifler an der Aecht-
heit der Evangelien kein Vertrauen in Anspruch nehmen
dürften. Jeder natürliche Verstand entgegnet ihm, daß ja
grade seine Täuschung von vielen Leuten gläubig hinge-
nommen, dadurch also von Neuem der Beweis geliefert
worden sei: man könne recht wohl etwas künstlich zusam-
mensetzen und für wirklich Erlebtes oder direkt Ueberlie-
fertes ausgeben, ohne Augen- und Ohrenzeuge, ja ohne
im Besitz einer direkten Ueberlieferung gewesen zu sein.
Es ist wohl nicht leicht wider Willen den Evangelisten
ein übleres Kompliment gemacht worden, als mit dieser
Logik und in Achtung vor dem Talente Meinholds dürfen
wir voraussetzen, diese verneinende Wendung sei nur der
zweite Akt seines logischen Drama's gegen die Rationali-
sten. Jm dritten, die Komödie schließenden Akte wird er
sagen: Siehe da, Jhr habt denn auch die Verneinung wie-
der kurzsichtig hingenommen. Sie erschien blos, um die
Nichtigkeit Eurer Kritik zum zweiten Male darzuthun;
jetzt ward etwas für ein künstliches Machwerk ausgegeben,
es ward Euch ein Trug wahrscheinlich gemacht, das war
Etwas nach Eurem Sinn, und Jhr riefet: "Freilich! frei-

Einleitung.
hold die ganze Geſchichte erfunden habe, ſondern ich bin
feſt uͤberzeugt, daß er Theile des Torſo vorgefunden und
ſie im Style deſſelben zuſammengeſetzt hat. Das wird
freilich ſchwer aufzuklaͤren ſein, wenn er ſelbſt daruͤber
nichts mittheilen will, ſondern auf der wunderlichen Grille
beharrt, durch ſolche Taͤuſchung und Enttaͤuſchung einen
Beweis geliefert zu haben, daß die Zweifler an der Aecht-
heit der Evangelien kein Vertrauen in Anſpruch nehmen
duͤrften. Jeder natuͤrliche Verſtand entgegnet ihm, daß ja
grade ſeine Taͤuſchung von vielen Leuten glaͤubig hinge-
nommen, dadurch alſo von Neuem der Beweis geliefert
worden ſei: man koͤnne recht wohl etwas kuͤnſtlich zuſam-
menſetzen und fuͤr wirklich Erlebtes oder direkt Ueberlie-
fertes ausgeben, ohne Augen- und Ohrenzeuge, ja ohne
im Beſitz einer direkten Ueberlieferung geweſen zu ſein.
Es iſt wohl nicht leicht wider Willen den Evangeliſten
ein uͤbleres Kompliment gemacht worden, als mit dieſer
Logik und in Achtung vor dem Talente Meinholds duͤrfen
wir vorausſetzen, dieſe verneinende Wendung ſei nur der
zweite Akt ſeines logiſchen Drama’s gegen die Rationali-
ſten. Jm dritten, die Komoͤdie ſchließenden Akte wird er
ſagen: Siehe da, Jhr habt denn auch die Verneinung wie-
der kurzſichtig hingenommen. Sie erſchien blos, um die
Nichtigkeit Eurer Kritik zum zweiten Male darzuthun;
jetzt ward etwas fuͤr ein kuͤnſtliches Machwerk ausgegeben,
es ward Euch ein Trug wahrſcheinlich gemacht, das war
Etwas nach Eurem Sinn, und Jhr riefet: „Freilich! frei-

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[24/0030] Einleitung. hold die ganze Geſchichte erfunden habe, ſondern ich bin feſt uͤberzeugt, daß er Theile des Torſo vorgefunden und ſie im Style deſſelben zuſammengeſetzt hat. Das wird freilich ſchwer aufzuklaͤren ſein, wenn er ſelbſt daruͤber nichts mittheilen will, ſondern auf der wunderlichen Grille beharrt, durch ſolche Taͤuſchung und Enttaͤuſchung einen Beweis geliefert zu haben, daß die Zweifler an der Aecht- heit der Evangelien kein Vertrauen in Anſpruch nehmen duͤrften. Jeder natuͤrliche Verſtand entgegnet ihm, daß ja grade ſeine Taͤuſchung von vielen Leuten glaͤubig hinge- nommen, dadurch alſo von Neuem der Beweis geliefert worden ſei: man koͤnne recht wohl etwas kuͤnſtlich zuſam- menſetzen und fuͤr wirklich Erlebtes oder direkt Ueberlie- fertes ausgeben, ohne Augen- und Ohrenzeuge, ja ohne im Beſitz einer direkten Ueberlieferung geweſen zu ſein. Es iſt wohl nicht leicht wider Willen den Evangeliſten ein uͤbleres Kompliment gemacht worden, als mit dieſer Logik und in Achtung vor dem Talente Meinholds duͤrfen wir vorausſetzen, dieſe verneinende Wendung ſei nur der zweite Akt ſeines logiſchen Drama’s gegen die Rationali- ſten. Jm dritten, die Komoͤdie ſchließenden Akte wird er ſagen: Siehe da, Jhr habt denn auch die Verneinung wie- der kurzſichtig hingenommen. Sie erſchien blos, um die Nichtigkeit Eurer Kritik zum zweiten Male darzuthun; jetzt ward etwas fuͤr ein kuͤnſtliches Machwerk ausgegeben, es ward Euch ein Trug wahrſcheinlich gemacht, das war Etwas nach Eurem Sinn, und Jhr riefet: „Freilich! frei-

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Zitationshilfe: Laube, Heinrich: Die Bernsteinhexe. Leipzig, 1846, S. 24. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laube_bernsteinhexe_1846/30>, abgerufen am 21.11.2024.