Laube, Heinrich: Das junge Europa. Bd. 1, 1. Leipzig, 1833.mit seiner großen Sehnsucht nach einem Weibe. Dazu mit ſeiner großen Sehnſucht nach einem Weibe. Dazu <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0065" n="55"/> mit ſeiner großen Sehnſucht nach einem Weibe. Dazu<lb/> kam, daß es eine glückliche Unglücksliebe war; wir lieb¬<lb/> ten uns über offnen Gräbern, wir wußten unſern To¬<lb/> destag, und da wollten wir keine Minute verlieren,<lb/> und die Welt ſollte uns mit ihrer Störung keinen Mo¬<lb/> ment rauben. O meine ſüße Clara! wie redlich haben wir<lb/> mit der Zeit gegeizt! Wie oft hab' ich Euch bis an's<lb/> Thor begleitet, wo Ihr nach Euerm Sammelplatze, je¬<lb/> nem claſſiſch gewordenen Kaffeegarten, ſteuertet, und wenn<lb/> Ihr mich drängtet mitzukommen, und ich den Kopf ſchüt¬<lb/> telte und traurig lächelnd von Euch ging, um in die<lb/> Felder hinauszuſtreifen, da harrte ſie meiner ſchon in<lb/> jener dichtbewachſenen Laube, wo uns Niemand ſtörte,<lb/> da ging ich zu ihr, und ſaß Stunden lang zu ihren<lb/> Füßen. Ach, die Welt ging da gemeſſen und harmo¬<lb/> niſch, es war Alles ſo ſchön, denn ich liebte kindlich<lb/> und kindiſch wie ein funfzehnjähriger Knabe. Mein<lb/> demokratiſches Glaubensbekenntniß ſagt mir heut', daß<lb/> man beſſer lieben könne, weiter, breiter, univerſeller —<lb/> ich konnte in jener Laube einſam mit ihr ſitzen, aber<lb/> ich konnte die Welt mitbringen, die Welt der Ideen.<lb/> Ich glaub' es auch, ich würde heut' reicher lieben. Aber<lb/> damals war die Welt ſo arm, ſie hatte noch keine Ideen,<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [55/0065]
mit ſeiner großen Sehnſucht nach einem Weibe. Dazu
kam, daß es eine glückliche Unglücksliebe war; wir lieb¬
ten uns über offnen Gräbern, wir wußten unſern To¬
destag, und da wollten wir keine Minute verlieren,
und die Welt ſollte uns mit ihrer Störung keinen Mo¬
ment rauben. O meine ſüße Clara! wie redlich haben wir
mit der Zeit gegeizt! Wie oft hab' ich Euch bis an's
Thor begleitet, wo Ihr nach Euerm Sammelplatze, je¬
nem claſſiſch gewordenen Kaffeegarten, ſteuertet, und wenn
Ihr mich drängtet mitzukommen, und ich den Kopf ſchüt¬
telte und traurig lächelnd von Euch ging, um in die
Felder hinauszuſtreifen, da harrte ſie meiner ſchon in
jener dichtbewachſenen Laube, wo uns Niemand ſtörte,
da ging ich zu ihr, und ſaß Stunden lang zu ihren
Füßen. Ach, die Welt ging da gemeſſen und harmo¬
niſch, es war Alles ſo ſchön, denn ich liebte kindlich
und kindiſch wie ein funfzehnjähriger Knabe. Mein
demokratiſches Glaubensbekenntniß ſagt mir heut', daß
man beſſer lieben könne, weiter, breiter, univerſeller —
ich konnte in jener Laube einſam mit ihr ſitzen, aber
ich konnte die Welt mitbringen, die Welt der Ideen.
Ich glaub' es auch, ich würde heut' reicher lieben. Aber
damals war die Welt ſo arm, ſie hatte noch keine Ideen,
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