auf Pferde. Die bunte Bastei mit ihrem Sonnenschein liegt vor meinem offnen Fenster; es ist aller Tod in mir überwunden, die Vergangenheit der vorigen Stunde liegt in tiefem, weit entferntem Nebel hinter mir. Mein Leben ist wieder lebendig -- der Wagen fährt vor -- Ade, mein Freund, ich fliege nach Paris, um Julien zu erobern. Ich werde sie erobern, müßt' ich ihr nach¬ jagen durch alle Zonen. Soll ich auch noch die Sen¬ timentalität lieben, diese Krücke der Schwäche, der Re¬ genschirm beim Gewitterregen, der das furchtsame Ge¬ sicht vor Donner und Blitz versteckt, dies Liebäugeln mit dem Tode! Bin ich hier um zu sterben oder um zu leben? Ist die Sonne, weil sie täglich einmal un¬ tergeht, zum Untergehen da? O Ihr täglich sterbenden Menschen mit Eurer Romantik und wie Ihr die Fratze nennt, Blut und Wärme such' ich, ich suche Liebe und Julien -- und damit Gott befohlen, Freund.
auf Pferde. Die bunte Baſtei mit ihrem Sonnenſchein liegt vor meinem offnen Fenſter; es iſt aller Tod in mir überwunden, die Vergangenheit der vorigen Stunde liegt in tiefem, weit entferntem Nebel hinter mir. Mein Leben iſt wieder lebendig — der Wagen fährt vor — Ade, mein Freund, ich fliege nach Paris, um Julien zu erobern. Ich werde ſie erobern, müßt' ich ihr nach¬ jagen durch alle Zonen. Soll ich auch noch die Sen¬ timentalität lieben, dieſe Krücke der Schwäche, der Re¬ genſchirm beim Gewitterregen, der das furchtſame Ge¬ ſicht vor Donner und Blitz verſteckt, dies Liebäugeln mit dem Tode! Bin ich hier um zu ſterben oder um zu leben? Iſt die Sonne, weil ſie täglich einmal un¬ tergeht, zum Untergehen da? O Ihr täglich ſterbenden Menſchen mit Eurer Romantik und wie Ihr die Fratze nennt, Blut und Wärme ſuch' ich, ich ſuche Liebe und Julien — und damit Gott befohlen, Freund.
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auf Pferde. Die bunte Baſtei mit ihrem Sonnenſchein
liegt vor meinem offnen Fenſter; es iſt aller Tod in
mir überwunden, die Vergangenheit der vorigen Stunde
liegt in tiefem, weit entferntem Nebel hinter mir. Mein
Leben iſt wieder lebendig — der Wagen fährt vor —
Ade, mein Freund, ich fliege nach Paris, um Julien
zu erobern. Ich werde ſie erobern, müßt' ich ihr nach¬
jagen durch alle Zonen. Soll ich auch noch die Sen¬
timentalität lieben, dieſe Krücke der Schwäche, der Re¬
genſchirm beim Gewitterregen, der das furchtſame Ge¬
ſicht vor Donner und Blitz verſteckt, dies Liebäugeln
mit dem Tode! Bin ich hier um zu ſterben oder um
zu leben? Iſt die Sonne, weil ſie täglich einmal un¬
tergeht, zum Untergehen da? O Ihr täglich ſterbenden
Menſchen mit Eurer Romantik und wie Ihr die Fratze
nennt, Blut und Wärme ſuch' ich, ich ſuche Liebe und
Julien — und damit Gott befohlen, Freund.
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Laube, Heinrich: Das junge Europa. Bd. 1, 2. Leipzig, 1833, S. 148. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laube_europa0102_1833/160>, abgerufen am 25.02.2025.
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