liebt Jahrelang ohne Worte, der Mann nicht so viel Monate. "Camilla," sprach ich leise -- sie ahnete, was kommen würde und bebte zusammen. "Valerius," fragte sie kaum hörbar zurück. Der Bleistift fiel ihr aus der Hand, sie neigte sich darnach und die Fülle ihrer Haare fiel ihr über die Wange, Schultern und Busen. Ich ergriff ihre Hand, führte sie an meinen Mund, und sah ihr bewegt in die Augen. Sie er¬ widerte den Druck meiner Hand nicht, aber die Thrä¬ nen standen ihr im Auge, und als ich meinen Kopf an ihre Schulter in die herunter wallenden Locken drückte, da zog sie die Hand aus der meinen und ich fühlte den weichen runden Arm um meinen Nacken und ihre Thräne fiel auf meine Stirn. Ich sah in ihr seliges Gesicht, und sagte leise: "Camilla, ich liebe Dich." Ihr leises Weinen ging in Schluchzen über und ihr Antlitz an meinem Haupte verbergend vernahm nur mein nahes Ohr die kaum hörbaren Worte: "Ich liebe Dich un¬ säglich." Da sprang ich auf, hob ihr Gesicht in die Höhe, küßte ihr die Thränen vom Auge und drückte die weiche nachgiebige Gestalt fest an mein Herz. Sie lä¬ chelte jetzt wie ein Engel, und wir küßten uns und freuten uns unsrer Liebe. Aller frühere Uebermuth,
liebt Jahrelang ohne Worte, der Mann nicht ſo viel Monate. „Camilla,“ ſprach ich leiſe — ſie ahnete, was kommen würde und bebte zuſammen. „Valerius,“ fragte ſie kaum hörbar zurück. Der Bleiſtift fiel ihr aus der Hand, ſie neigte ſich darnach und die Fülle ihrer Haare fiel ihr über die Wange, Schultern und Buſen. Ich ergriff ihre Hand, führte ſie an meinen Mund, und ſah ihr bewegt in die Augen. Sie er¬ widerte den Druck meiner Hand nicht, aber die Thrä¬ nen ſtanden ihr im Auge, und als ich meinen Kopf an ihre Schulter in die herunter wallenden Locken drückte, da zog ſie die Hand aus der meinen und ich fühlte den weichen runden Arm um meinen Nacken und ihre Thräne fiel auf meine Stirn. Ich ſah in ihr ſeliges Geſicht, und ſagte leiſe: „Camilla, ich liebe Dich.“ Ihr leiſes Weinen ging in Schluchzen über und ihr Antlitz an meinem Haupte verbergend vernahm nur mein nahes Ohr die kaum hörbaren Worte: „Ich liebe Dich un¬ ſäglich.“ Da ſprang ich auf, hob ihr Geſicht in die Höhe, küßte ihr die Thränen vom Auge und drückte die weiche nachgiebige Geſtalt feſt an mein Herz. Sie lä¬ chelte jetzt wie ein Engel, und wir küßten uns und freuten uns unſrer Liebe. Aller frühere Uebermuth,
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liebt Jahrelang ohne Worte, der Mann nicht ſo viel
Monate. „Camilla,“ ſprach ich leiſe — ſie ahnete,
was kommen würde und bebte zuſammen. „Valerius,“
fragte ſie kaum hörbar zurück. Der Bleiſtift fiel ihr
aus der Hand, ſie neigte ſich darnach und die Fülle
ihrer Haare fiel ihr über die Wange, Schultern und
Buſen. Ich ergriff ihre Hand, führte ſie an meinen
Mund, und ſah ihr bewegt in die Augen. Sie er¬
widerte den Druck meiner Hand nicht, aber die Thrä¬
nen ſtanden ihr im Auge, und als ich meinen Kopf an
ihre Schulter in die herunter wallenden Locken drückte,
da zog ſie die Hand aus der meinen und ich fühlte den
weichen runden Arm um meinen Nacken und ihre Thräne
fiel auf meine Stirn. Ich ſah in ihr ſeliges Geſicht,
und ſagte leiſe: „Camilla, ich liebe Dich.“ Ihr leiſes
Weinen ging in Schluchzen über und ihr Antlitz an
meinem Haupte verbergend vernahm nur mein nahes
Ohr die kaum hörbaren Worte: „Ich liebe Dich un¬
ſäglich.“ Da ſprang ich auf, hob ihr Geſicht in die
Höhe, küßte ihr die Thränen vom Auge und drückte die
weiche nachgiebige Geſtalt feſt an mein Herz. Sie lä¬
chelte jetzt wie ein Engel, und wir küßten uns und
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Laube, Heinrich: Das junge Europa. Bd. 1, 2. Leipzig, 1833, S. 153. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laube_europa0102_1833/165>, abgerufen am 25.02.2025.
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