dieser reizende vielfarbige Knabe, kam mit diesem Ge¬ ständnisse wieder über sie. Blöde und bescheiden vor¬ her, war sie nun toll und ausgelassen. Aber rührend klagte sie mir, was sie damals gelitten, als sie Alberta im Garten an meiner Brust gesehen habe; mit neuen Thränen gestand sie, daß sie deshalb hinwegereis't und sie sah mich unsicher, schwankend, halb ungläubig von der Seite an, als ich ihr die Versicherung gab, sie sei im größten Irrthume gewesen, und es habe zwischen mir und Alberta nie etwas Andres als ein freundschafliches Verhältniß bestanden. Endlich hielt sie mir den Mund zu und sagte: ich glaube Dir, aber sei kein roher Mann und laß Alberta nie etwas von unserem Uebereinkom¬ men in Liebe und Zärtlichkeit wissen -- hörst Du?" Ich versprachs mit Freuden. Durch die vielen Hinder¬ nisse unsrer bürgerlichen Gesellschaft, durch die Polizei und die Strafgerichte, durch die Unsicherheit unseres gan¬ zen Lebens, die Ungewißheit des nahen oder fernen To¬ des sind wir so furchtsame Wesen geworden, daß wir das Schönste, was wir besitzen, oft dann schon gefähr¬ det glauben, sobald es nicht mehr unser Geheimniß ist. Die herzdurchdringende Liebe will keine andre Wohnung als das Herz, sie flieht und haßt die Märkte -- so ist
dieſer reizende vielfarbige Knabe, kam mit dieſem Ge¬ ſtändniſſe wieder über ſie. Blöde und beſcheiden vor¬ her, war ſie nun toll und ausgelaſſen. Aber rührend klagte ſie mir, was ſie damals gelitten, als ſie Alberta im Garten an meiner Bruſt geſehen habe; mit neuen Thränen geſtand ſie, daß ſie deshalb hinwegereiſ't und ſie ſah mich unſicher, ſchwankend, halb ungläubig von der Seite an, als ich ihr die Verſicherung gab, ſie ſei im größten Irrthume geweſen, und es habe zwiſchen mir und Alberta nie etwas Andres als ein freundſchafliches Verhältniß beſtanden. Endlich hielt ſie mir den Mund zu und ſagte: ich glaube Dir, aber ſei kein roher Mann und laß Alberta nie etwas von unſerem Uebereinkom¬ men in Liebe und Zärtlichkeit wiſſen — hörſt Du?“ Ich verſprachs mit Freuden. Durch die vielen Hinder¬ niſſe unſrer bürgerlichen Geſellſchaft, durch die Polizei und die Strafgerichte, durch die Unſicherheit unſeres gan¬ zen Lebens, die Ungewißheit des nahen oder fernen To¬ des ſind wir ſo furchtſame Weſen geworden, daß wir das Schönſte, was wir beſitzen, oft dann ſchon gefähr¬ det glauben, ſobald es nicht mehr unſer Geheimniß iſt. Die herzdurchdringende Liebe will keine andre Wohnung als das Herz, ſie flieht und haßt die Märkte — ſo iſt
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dieſer reizende vielfarbige Knabe, kam mit dieſem Ge¬
ſtändniſſe wieder über ſie. Blöde und beſcheiden vor¬
her, war ſie nun toll und ausgelaſſen. Aber rührend
klagte ſie mir, was ſie damals gelitten, als ſie Alberta
im Garten an meiner Bruſt geſehen habe; mit neuen
Thränen geſtand ſie, daß ſie deshalb hinwegereiſ't und
ſie ſah mich unſicher, ſchwankend, halb ungläubig von
der Seite an, als ich ihr die Verſicherung gab, ſie ſei im
größten Irrthume geweſen, und es habe zwiſchen mir
und Alberta nie etwas Andres als ein freundſchafliches
Verhältniß beſtanden. Endlich hielt ſie mir den Mund
zu und ſagte: ich glaube Dir, aber ſei kein roher Mann
und laß Alberta nie etwas von unſerem Uebereinkom¬
men in Liebe und Zärtlichkeit wiſſen — hörſt Du?“
Ich verſprachs mit Freuden. Durch die vielen Hinder¬
niſſe unſrer bürgerlichen Geſellſchaft, durch die Polizei
und die Strafgerichte, durch die Unſicherheit unſeres gan¬
zen Lebens, die Ungewißheit des nahen oder fernen To¬
des ſind wir ſo furchtſame Weſen geworden, daß wir
das Schönſte, was wir beſitzen, oft dann ſchon gefähr¬
det glauben, ſobald es nicht mehr unſer Geheimniß iſt.
Die herzdurchdringende Liebe will keine andre Wohnung
als das Herz, ſie flieht und haßt die Märkte — ſo iſt
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Laube, Heinrich: Das junge Europa. Bd. 1, 2. Leipzig, 1833, S. 154. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laube_europa0102_1833/166>, abgerufen am 25.02.2025.
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