mehrmals gesprochen, sie hat geweint und ihn beschworen, sie ungestört zu lassen. Thränen fruchten sonst nichts bei ihm; aber er liebt Julien grenzenlos, er ist schon über eine Woche lang nicht mehr hingegangen. Ich will ihm zu Willen sein, meine berliner Bekanntschaft er¬ neuern und bei Juliens Vater meine Aufwartung machen. Hoffentlich bekomme ich auf diese Weise Karten zu dem großen Balle. Es macht auch mir Freude, das schöne Mädchen wieder zu sehen. --
Später.
Das wird eine bunte Wirthschaft. Ich wurde ge¬ meldet und angenommen. Julia ist wirklich sehr schön und liebenswürdig. Sie saß noch in Haustoillette am Fenster und las. Ein leichtes weißes Morgenkleid mit fliegenden Aermeln, die um den schönen vollen Arm spiel¬ ten, umflog poetisch die schönen Glieder; die dunkeln Locken hüpften wie damals auf den Schultern. Sie war herzlich freundlich gegen mich und behandelte mich mit aufgeschloßner, liebevoller Seele wie einen alten Bekann¬ ten, mir vorwerfend, daß ich erst so spät nach ihr frage. Wie warm und heimathlich thut das meiner erstarrten Brust -- was ist doch die Weltgeschichte trocken ohne den Odem der Weiber Du hast Recht, Freund, die Welt
mehrmals geſprochen, ſie hat geweint und ihn beſchworen, ſie ungeſtört zu laſſen. Thränen fruchten ſonſt nichts bei ihm; aber er liebt Julien grenzenlos, er iſt ſchon über eine Woche lang nicht mehr hingegangen. Ich will ihm zu Willen ſein, meine berliner Bekanntſchaft er¬ neuern und bei Juliens Vater meine Aufwartung machen. Hoffentlich bekomme ich auf dieſe Weiſe Karten zu dem großen Balle. Es macht auch mir Freude, das ſchöne Mädchen wieder zu ſehen. —
Später.
Das wird eine bunte Wirthſchaft. Ich wurde ge¬ meldet und angenommen. Julia iſt wirklich ſehr ſchön und liebenswürdig. Sie ſaß noch in Haustoillette am Fenſter und las. Ein leichtes weißes Morgenkleid mit fliegenden Aermeln, die um den ſchönen vollen Arm ſpiel¬ ten, umflog poetiſch die ſchönen Glieder; die dunkeln Locken hüpften wie damals auf den Schultern. Sie war herzlich freundlich gegen mich und behandelte mich mit aufgeſchloßner, liebevoller Seele wie einen alten Bekann¬ ten, mir vorwerfend, daß ich erſt ſo ſpät nach ihr frage. Wie warm und heimathlich thut das meiner erſtarrten Bruſt — was iſt doch die Weltgeſchichte trocken ohne den Odem der Weiber Du haſt Recht, Freund, die Welt
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0184"n="172"/>
mehrmals geſprochen, ſie hat geweint und ihn beſchworen,<lb/>ſie ungeſtört zu laſſen. Thränen fruchten ſonſt nichts bei<lb/>
ihm; aber er liebt Julien grenzenlos, er iſt ſchon über<lb/>
eine Woche lang nicht mehr hingegangen. Ich will<lb/>
ihm zu Willen ſein, meine berliner Bekanntſchaft er¬<lb/>
neuern und bei Juliens Vater meine Aufwartung machen.<lb/>
Hoffentlich bekomme ich auf dieſe Weiſe Karten zu dem<lb/>
großen Balle. Es macht auch mir Freude, das ſchöne<lb/>
Mädchen wieder zu ſehen. —</p><lb/></div><divn="2"><datelinerendition="#right">Später.<lb/></dateline><p>Das wird eine bunte Wirthſchaft. Ich wurde ge¬<lb/>
meldet und angenommen. Julia iſt wirklich ſehr ſchön<lb/>
und liebenswürdig. Sie ſaß noch in Haustoillette am<lb/>
Fenſter und las. Ein leichtes weißes Morgenkleid mit<lb/>
fliegenden Aermeln, die um den ſchönen vollen Arm ſpiel¬<lb/>
ten, umflog poetiſch die ſchönen Glieder; die dunkeln<lb/>
Locken hüpften wie damals auf den Schultern. Sie war<lb/>
herzlich freundlich gegen mich und behandelte mich mit<lb/>
aufgeſchloßner, liebevoller Seele wie einen alten Bekann¬<lb/>
ten, mir vorwerfend, daß ich erſt ſo ſpät nach ihr frage.<lb/>
Wie warm und heimathlich thut das meiner erſtarrten<lb/>
Bruſt — was iſt doch die Weltgeſchichte trocken ohne<lb/>
den Odem der Weiber Du haſt Recht, Freund, die Welt<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[172/0184]
mehrmals geſprochen, ſie hat geweint und ihn beſchworen,
ſie ungeſtört zu laſſen. Thränen fruchten ſonſt nichts bei
ihm; aber er liebt Julien grenzenlos, er iſt ſchon über
eine Woche lang nicht mehr hingegangen. Ich will
ihm zu Willen ſein, meine berliner Bekanntſchaft er¬
neuern und bei Juliens Vater meine Aufwartung machen.
Hoffentlich bekomme ich auf dieſe Weiſe Karten zu dem
großen Balle. Es macht auch mir Freude, das ſchöne
Mädchen wieder zu ſehen. —
Später.
Das wird eine bunte Wirthſchaft. Ich wurde ge¬
meldet und angenommen. Julia iſt wirklich ſehr ſchön
und liebenswürdig. Sie ſaß noch in Haustoillette am
Fenſter und las. Ein leichtes weißes Morgenkleid mit
fliegenden Aermeln, die um den ſchönen vollen Arm ſpiel¬
ten, umflog poetiſch die ſchönen Glieder; die dunkeln
Locken hüpften wie damals auf den Schultern. Sie war
herzlich freundlich gegen mich und behandelte mich mit
aufgeſchloßner, liebevoller Seele wie einen alten Bekann¬
ten, mir vorwerfend, daß ich erſt ſo ſpät nach ihr frage.
Wie warm und heimathlich thut das meiner erſtarrten
Bruſt — was iſt doch die Weltgeſchichte trocken ohne
den Odem der Weiber Du haſt Recht, Freund, die Welt
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Laube, Heinrich: Das junge Europa. Bd. 1, 2. Leipzig, 1833, S. 172. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laube_europa0102_1833/184>, abgerufen am 25.02.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
(Kontakt).
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2025. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.