das liebe Mädchen ist mild, sanft, ja manchmal sogar heiter. Er spricht sehr schön, nicht so glänzend wie Hyppolit, aber eindringlicher, gediegener; alle seine Ei¬ genschaften sind nicht so blendend wie bei diesem, aber alle sind sichrer, fester, abgemachter. Ich liebe das sehr. Auch Graf Topf ist ihm sehr zugethan, und die Fürstin, welche ihn anfänglich ignorirte, weil er etwas sparsam in den Annäherungs- und Höfllichkeitsformen ist, geizt jetzt förmlich mit seinen Gesprächen. Er schafft uns die einzigen heimlichen Abendstunden: wir sitzen auf der Plattform des Schlosses unter dem Zelte, sehen auf der einen Seite nach den fernen Bergen, auf der andern nach der nahen Stadt und dem Flussesspiegel, der zu ihr hinzieht; Hyppolit rastet selten lange dabei, sondern stürmt meist zu Pferd durch die Ebene und Va¬ lerius bringt uns in das liebenswürdigste Geschwätz. Er hat zwar eigentlich selbst abscheuliche Grundsätze über Ehe, Staat und Menschen, aber er versteht es, das Wildeste geordnet vorzutragen, interessant, wünschens¬ werth zu machen; die freien Dinge, welche Constantie äußert, sind eigentlich bei weitem nicht so arg als die seinen, und doch klingen sie mir so viel gräulicher. Es kommt vielleicht daher, weil sie mir unweiblich dünken.
das liebe Mädchen iſt mild, ſanft, ja manchmal ſogar heiter. Er ſpricht ſehr ſchön, nicht ſo glänzend wie Hyppolit, aber eindringlicher, gediegener; alle ſeine Ei¬ genſchaften ſind nicht ſo blendend wie bei dieſem, aber alle ſind ſichrer, feſter, abgemachter. Ich liebe das ſehr. Auch Graf Topf iſt ihm ſehr zugethan, und die Fürſtin, welche ihn anfänglich ignorirte, weil er etwas ſparſam in den Annäherungs- und Höfllichkeitsformen iſt, geizt jetzt förmlich mit ſeinen Geſprächen. Er ſchafft uns die einzigen heimlichen Abendſtunden: wir ſitzen auf der Plattform des Schloſſes unter dem Zelte, ſehen auf der einen Seite nach den fernen Bergen, auf der andern nach der nahen Stadt und dem Fluſſesſpiegel, der zu ihr hinzieht; Hyppolit raſtet ſelten lange dabei, ſondern ſtürmt meiſt zu Pferd durch die Ebene und Va¬ lerius bringt uns in das liebenswürdigſte Geſchwätz. Er hat zwar eigentlich ſelbſt abſcheuliche Grundſätze über Ehe, Staat und Menſchen, aber er verſteht es, das Wildeſte geordnet vorzutragen, intereſſant, wünſchens¬ werth zu machen; die freien Dinge, welche Conſtantie äußert, ſind eigentlich bei weitem nicht ſo arg als die ſeinen, und doch klingen ſie mir ſo viel gräulicher. Es kommt vielleicht daher, weil ſie mir unweiblich dünken.
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das liebe Mädchen iſt mild, ſanft, ja manchmal ſogar
heiter. Er ſpricht ſehr ſchön, nicht ſo glänzend wie
Hyppolit, aber eindringlicher, gediegener; alle ſeine Ei¬
genſchaften ſind nicht ſo blendend wie bei dieſem, aber
alle ſind ſichrer, feſter, abgemachter. Ich liebe das
ſehr. Auch Graf Topf iſt ihm ſehr zugethan, und die
Fürſtin, welche ihn anfänglich ignorirte, weil er etwas
ſparſam in den Annäherungs- und Höfllichkeitsformen
iſt, geizt jetzt förmlich mit ſeinen Geſprächen. Er ſchafft
uns die einzigen heimlichen Abendſtunden: wir ſitzen
auf der Plattform des Schloſſes unter dem Zelte, ſehen
auf der einen Seite nach den fernen Bergen, auf der
andern nach der nahen Stadt und dem Fluſſesſpiegel,
der zu ihr hinzieht; Hyppolit raſtet ſelten lange dabei,
ſondern ſtürmt meiſt zu Pferd durch die Ebene und Va¬
lerius bringt uns in das liebenswürdigſte Geſchwätz.
Er hat zwar eigentlich ſelbſt abſcheuliche Grundſätze
über Ehe, Staat und Menſchen, aber er verſteht es,
das Wildeſte geordnet vorzutragen, intereſſant, wünſchens¬
werth zu machen; die freien Dinge, welche Conſtantie
äußert, ſind eigentlich bei weitem nicht ſo arg als die
ſeinen, und doch klingen ſie mir ſo viel gräulicher. Es
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Laube, Heinrich: Das junge Europa. Bd. 1, 2. Leipzig, 1833, S. 52. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laube_europa0102_1833/64>, abgerufen am 16.02.2025.
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