Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Laube, Heinrich: Das junge Europa. Bd. 2, 1. Mannheim, 1837.

Bild:
<< vorherige Seite

Der Masuret ging zu Ende, die Tänzer dräng-
ten sich durcheinander, Valerius fühlte sich bei der
Hand ergriffen; es war Graf Stanislaus, der vor
ihm stand, und ihn auf das herzlichste begrüßte.
Alle schönen Elemente, die man an den Polen be-
merkt, wenn sie im bewegten Kriege oder auf der
raschen Reise an uns vorüberfliegen, alle diese ein-
nehmenden ritterlichen Vorzüge besaß der junge Graf.
Er war hoch, schlank und schön, sein Haar glänzte
in jener polnischen Mittelfarbe zwischen blond und
braun, und ein solcher Flaum flog kraus über seine
Wangen und Lippen hinweg. Mehr als gewöhn-
lich drückte sich der Nationalzug einer leichten Me-
lancholie in seinem Antlitz aus, und Valerius fühlte
ihm gegenüber zum ersten Male das gesellige Ver-
trauen, welches zu offner, rückhaltsloser Mittheilung
ermuthigt. Diesen wesentlichen Reiz im Umgange
mit Deutschen hatte er bis jetzt in diesem Lande
völlig entbehren müssen: alle Menschen, denen er
begegnet war, hatten ihm etweder eine leichtsinnige
Oberflächlichkeit, oder eine versteckte, mißtrauische
Art des Wesens bekundet, und wenn er sich darin
geirrt hatte, so war er doch von Niemand vertrau-

Der Maſuret ging zu Ende, die Tänzer dräng-
ten ſich durcheinander, Valerius fühlte ſich bei der
Hand ergriffen; es war Graf Stanislaus, der vor
ihm ſtand, und ihn auf das herzlichſte begrüßte.
Alle ſchönen Elemente, die man an den Polen be-
merkt, wenn ſie im bewegten Kriege oder auf der
raſchen Reiſe an uns vorüberfliegen, alle dieſe ein-
nehmenden ritterlichen Vorzüge beſaß der junge Graf.
Er war hoch, ſchlank und ſchön, ſein Haar glänzte
in jener polniſchen Mittelfarbe zwiſchen blond und
braun, und ein ſolcher Flaum flog kraus über ſeine
Wangen und Lippen hinweg. Mehr als gewöhn-
lich drückte ſich der Nationalzug einer leichten Me-
lancholie in ſeinem Antlitz aus, und Valerius fühlte
ihm gegenüber zum erſten Male das geſellige Ver-
trauen, welches zu offner, rückhaltsloſer Mittheilung
ermuthigt. Dieſen weſentlichen Reiz im Umgange
mit Deutſchen hatte er bis jetzt in dieſem Lande
völlig entbehren müſſen: alle Menſchen, denen er
begegnet war, hatten ihm etweder eine leichtſinnige
Oberflächlichkeit, oder eine verſteckte, mißtrauiſche
Art des Weſens bekundet, und wenn er ſich darin
geirrt hatte, ſo war er doch von Niemand vertrau-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0160" n="150"/>
          <p>Der Ma&#x017F;uret ging zu Ende, die Tänzer dräng-<lb/>
ten &#x017F;ich durcheinander, Valerius fühlte &#x017F;ich bei der<lb/>
Hand ergriffen; es war Graf Stanislaus, der vor<lb/>
ihm &#x017F;tand, und ihn auf das herzlich&#x017F;te begrüßte.<lb/>
Alle &#x017F;chönen Elemente, die man an den Polen be-<lb/>
merkt, wenn &#x017F;ie im bewegten Kriege oder auf der<lb/>
ra&#x017F;chen Rei&#x017F;e an uns vorüberfliegen, alle die&#x017F;e ein-<lb/>
nehmenden ritterlichen Vorzüge be&#x017F;aß der junge Graf.<lb/>
Er war hoch, &#x017F;chlank und &#x017F;chön, &#x017F;ein Haar glänzte<lb/>
in jener polni&#x017F;chen Mittelfarbe zwi&#x017F;chen blond und<lb/>
braun, und ein &#x017F;olcher Flaum flog kraus über &#x017F;eine<lb/>
Wangen und Lippen hinweg. Mehr als gewöhn-<lb/>
lich drückte &#x017F;ich der Nationalzug einer leichten Me-<lb/>
lancholie in &#x017F;einem Antlitz aus, und Valerius fühlte<lb/>
ihm gegenüber zum er&#x017F;ten Male das ge&#x017F;ellige Ver-<lb/>
trauen, welches zu offner, rückhaltslo&#x017F;er Mittheilung<lb/>
ermuthigt. Die&#x017F;en we&#x017F;entlichen Reiz im Umgange<lb/>
mit Deut&#x017F;chen hatte er bis jetzt in die&#x017F;em Lande<lb/>
völlig entbehren mü&#x017F;&#x017F;en: alle Men&#x017F;chen, denen er<lb/>
begegnet war, hatten ihm etweder eine leicht&#x017F;innige<lb/>
Oberflächlichkeit, oder eine ver&#x017F;teckte, mißtraui&#x017F;che<lb/>
Art des We&#x017F;ens bekundet, und wenn er &#x017F;ich darin<lb/>
geirrt hatte, &#x017F;o war er doch von Niemand vertrau-<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[150/0160] Der Maſuret ging zu Ende, die Tänzer dräng- ten ſich durcheinander, Valerius fühlte ſich bei der Hand ergriffen; es war Graf Stanislaus, der vor ihm ſtand, und ihn auf das herzlichſte begrüßte. Alle ſchönen Elemente, die man an den Polen be- merkt, wenn ſie im bewegten Kriege oder auf der raſchen Reiſe an uns vorüberfliegen, alle dieſe ein- nehmenden ritterlichen Vorzüge beſaß der junge Graf. Er war hoch, ſchlank und ſchön, ſein Haar glänzte in jener polniſchen Mittelfarbe zwiſchen blond und braun, und ein ſolcher Flaum flog kraus über ſeine Wangen und Lippen hinweg. Mehr als gewöhn- lich drückte ſich der Nationalzug einer leichten Me- lancholie in ſeinem Antlitz aus, und Valerius fühlte ihm gegenüber zum erſten Male das geſellige Ver- trauen, welches zu offner, rückhaltsloſer Mittheilung ermuthigt. Dieſen weſentlichen Reiz im Umgange mit Deutſchen hatte er bis jetzt in dieſem Lande völlig entbehren müſſen: alle Menſchen, denen er begegnet war, hatten ihm etweder eine leichtſinnige Oberflächlichkeit, oder eine verſteckte, mißtrauiſche Art des Weſens bekundet, und wenn er ſich darin geirrt hatte, ſo war er doch von Niemand vertrau-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/laube_europa0201_1837
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/laube_europa0201_1837/160
Zitationshilfe: Laube, Heinrich: Das junge Europa. Bd. 2, 1. Mannheim, 1837, S. 150. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laube_europa0201_1837/160>, abgerufen am 04.12.2024.