Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Laube, Heinrich: Das junge Europa. Bd. 2, 1. Mannheim, 1837.

Bild:
<< vorherige Seite

Ertappt er sich nun auf einem Jrrthum, auf
einer Schwäche, sie mögen noch so fern liegen von
dem Hauptgange seiner Gedanken, dann ist die all-
gemeine Unsicherheit da. So ging es auch Valerius.
Jn all seinen Ueberzeugungen war er schwankend
geworden. Nichts war ihm früher klarer und abge-
machter erschienen, als das Verhältniß zwischen den
verschiedenen Geschlechtern, seine Ansicht über Ehe
und Treue. Der Gedanke an die Fürstin weckte
dies Alles wieder auf, und der quälende Zweifel
seiner Seele brachte jetzt alle die Gesichter seiner
Jdeen über diese Gegenstände bleich und mit ver-
zerrten Zügen vor seine Augen.

Die Dämmerung lag bereits in seinem Zimmer,
und noch ging er brütend, prüfend, anklagend, ver-
theidigend, verwerfend in demselben auf und ab.
Einem fremden Zuschauer hätte er unheimlich erschei-
nen müssen, wie er halblaut sprechend mit unsicht-
baren Geistern zu verkehren schien. Alle die ver-
schiednen Meinungen, mit denen er rang, schienen
in den Winkeln des Gemachs zu stehen, bald rastete
er vor diesem, bald vor jenem, und sprach mit
ihnen, und antwortete statt ihrer:

Ertappt er ſich nun auf einem Jrrthum, auf
einer Schwäche, ſie mögen noch ſo fern liegen von
dem Hauptgange ſeiner Gedanken, dann iſt die all-
gemeine Unſicherheit da. So ging es auch Valerius.
Jn all ſeinen Ueberzeugungen war er ſchwankend
geworden. Nichts war ihm früher klarer und abge-
machter erſchienen, als das Verhältniß zwiſchen den
verſchiedenen Geſchlechtern, ſeine Anſicht über Ehe
und Treue. Der Gedanke an die Fürſtin weckte
dies Alles wieder auf, und der quälende Zweifel
ſeiner Seele brachte jetzt alle die Geſichter ſeiner
Jdeen über dieſe Gegenſtände bleich und mit ver-
zerrten Zügen vor ſeine Augen.

Die Dämmerung lag bereits in ſeinem Zimmer,
und noch ging er brütend, prüfend, anklagend, ver-
theidigend, verwerfend in demſelben auf und ab.
Einem fremden Zuſchauer hätte er unheimlich erſchei-
nen müſſen, wie er halblaut ſprechend mit unſicht-
baren Geiſtern zu verkehren ſchien. Alle die ver-
ſchiednen Meinungen, mit denen er rang, ſchienen
in den Winkeln des Gemachs zu ſtehen, bald raſtete
er vor dieſem, bald vor jenem, und ſprach mit
ihnen, und antwortete ſtatt ihrer:

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0206" n="196"/>
          <p>Ertappt er &#x017F;ich nun auf einem Jrrthum, auf<lb/>
einer Schwäche, &#x017F;ie mögen noch &#x017F;o fern liegen von<lb/>
dem Hauptgange &#x017F;einer Gedanken, dann i&#x017F;t die all-<lb/>
gemeine Un&#x017F;icherheit da. So ging es auch Valerius.<lb/>
Jn all &#x017F;einen Ueberzeugungen war er &#x017F;chwankend<lb/>
geworden. Nichts war ihm früher klarer und abge-<lb/>
machter er&#x017F;chienen, als das Verhältniß zwi&#x017F;chen den<lb/>
ver&#x017F;chiedenen Ge&#x017F;chlechtern, &#x017F;eine An&#x017F;icht über Ehe<lb/>
und Treue. Der Gedanke an die Für&#x017F;tin weckte<lb/>
dies Alles wieder auf, und der quälende Zweifel<lb/>
&#x017F;einer Seele brachte jetzt alle die Ge&#x017F;ichter &#x017F;einer<lb/>
Jdeen über die&#x017F;e Gegen&#x017F;tände bleich und mit ver-<lb/>
zerrten Zügen vor &#x017F;eine Augen.</p><lb/>
          <p>Die Dämmerung lag bereits in &#x017F;einem Zimmer,<lb/>
und noch ging er brütend, prüfend, anklagend, ver-<lb/>
theidigend, verwerfend in dem&#x017F;elben auf und ab.<lb/>
Einem fremden Zu&#x017F;chauer hätte er unheimlich er&#x017F;chei-<lb/>
nen mü&#x017F;&#x017F;en, wie er halblaut &#x017F;prechend mit un&#x017F;icht-<lb/>
baren Gei&#x017F;tern zu verkehren &#x017F;chien. Alle die ver-<lb/>
&#x017F;chiednen Meinungen, mit denen er rang, &#x017F;chienen<lb/>
in den Winkeln des Gemachs zu &#x017F;tehen, bald ra&#x017F;tete<lb/>
er vor die&#x017F;em, bald vor jenem, und &#x017F;prach mit<lb/>
ihnen, und antwortete &#x017F;tatt ihrer:</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[196/0206] Ertappt er ſich nun auf einem Jrrthum, auf einer Schwäche, ſie mögen noch ſo fern liegen von dem Hauptgange ſeiner Gedanken, dann iſt die all- gemeine Unſicherheit da. So ging es auch Valerius. Jn all ſeinen Ueberzeugungen war er ſchwankend geworden. Nichts war ihm früher klarer und abge- machter erſchienen, als das Verhältniß zwiſchen den verſchiedenen Geſchlechtern, ſeine Anſicht über Ehe und Treue. Der Gedanke an die Fürſtin weckte dies Alles wieder auf, und der quälende Zweifel ſeiner Seele brachte jetzt alle die Geſichter ſeiner Jdeen über dieſe Gegenſtände bleich und mit ver- zerrten Zügen vor ſeine Augen. Die Dämmerung lag bereits in ſeinem Zimmer, und noch ging er brütend, prüfend, anklagend, ver- theidigend, verwerfend in demſelben auf und ab. Einem fremden Zuſchauer hätte er unheimlich erſchei- nen müſſen, wie er halblaut ſprechend mit unſicht- baren Geiſtern zu verkehren ſchien. Alle die ver- ſchiednen Meinungen, mit denen er rang, ſchienen in den Winkeln des Gemachs zu ſtehen, bald raſtete er vor dieſem, bald vor jenem, und ſprach mit ihnen, und antwortete ſtatt ihrer:

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/laube_europa0201_1837
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/laube_europa0201_1837/206
Zitationshilfe: Laube, Heinrich: Das junge Europa. Bd. 2, 1. Mannheim, 1837, S. 196. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laube_europa0201_1837/206>, abgerufen am 04.12.2024.