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Laube, Heinrich: Das junge Europa. Bd. 3. Mannheim, 1837.

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der Eindruck kommen mag; ich glaube vielmehr,
daß sie in die Schöpfung des persönlichen, indivi-
duellen Menschen auch alle individuellen Möglich-
keiten gelegt hat, die eine gesetzliche Welt in sich
sind, und doch die Freiheit jeglicher Ausbildung und
Zusammenstellung in sich tragen. Darum habe ich
so viel Ehrfurcht vor jedem Jndividuum, und in
diesem Bezuge und Einflusse auf jeden Einzelnen
ist mir auch das Gebet ein wichtiger Moment; ich
gestatte aber auch deshalb, daß es sich auf millio-
nenfach verschiedene Weise darstellt. Bei mir ist es
ein Anderes als der gewöhnliche Ausdruck besagt:
Das Bitten ist meiner Jndividualität, meinen An-
sichten von Gott und Welt, meiner grenzenlosen
Bewunderung des Weltgebäudes, so weit ich es
erkenne, das Bitten ist dem Allen nicht angemes-
sen; wenn mich die ganz unbefangene Natur ein-
mal dazu drängt, so ist's mir das Geschenk einer
unmotivirten Herzensstunde, wie sie dem Menschen
in Liebe und sonstigem edlem Drange zuweilen ge-
währt ist, ich gebe mich ihm dann wohl bis zu
Thränen hin, ich fühle es mit Seligkeit, daß in
solchen Momenten der innerlichsten Erregtheit das in

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der Eindruck kommen mag; ich glaube vielmehr,
daß ſie in die Schöpfung des perſönlichen, indivi-
duellen Menſchen auch alle individuellen Möglich-
keiten gelegt hat, die eine geſetzliche Welt in ſich
ſind, und doch die Freiheit jeglicher Ausbildung und
Zuſammenſtellung in ſich tragen. Darum habe ich
ſo viel Ehrfurcht vor jedem Jndividuum, und in
dieſem Bezuge und Einfluſſe auf jeden Einzelnen
iſt mir auch das Gebet ein wichtiger Moment; ich
geſtatte aber auch deshalb, daß es ſich auf millio-
nenfach verſchiedene Weiſe darſtellt. Bei mir iſt es
ein Anderes als der gewöhnliche Ausdruck beſagt:
Das Bitten iſt meiner Jndividualität, meinen An-
ſichten von Gott und Welt, meiner grenzenloſen
Bewunderung des Weltgebäudes, ſo weit ich es
erkenne, das Bitten iſt dem Allen nicht angemeſ-
ſen; wenn mich die ganz unbefangene Natur ein-
mal dazu drängt, ſo iſt’s mir das Geſchenk einer
unmotivirten Herzensſtunde, wie ſie dem Menſchen
in Liebe und ſonſtigem edlem Drange zuweilen ge-
währt iſt, ich gebe mich ihm dann wohl bis zu
Thränen hin, ich fühle es mit Seligkeit, daß in
ſolchen Momenten der innerlichſten Erregtheit das in

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[129/0137] der Eindruck kommen mag; ich glaube vielmehr, daß ſie in die Schöpfung des perſönlichen, indivi- duellen Menſchen auch alle individuellen Möglich- keiten gelegt hat, die eine geſetzliche Welt in ſich ſind, und doch die Freiheit jeglicher Ausbildung und Zuſammenſtellung in ſich tragen. Darum habe ich ſo viel Ehrfurcht vor jedem Jndividuum, und in dieſem Bezuge und Einfluſſe auf jeden Einzelnen iſt mir auch das Gebet ein wichtiger Moment; ich geſtatte aber auch deshalb, daß es ſich auf millio- nenfach verſchiedene Weiſe darſtellt. Bei mir iſt es ein Anderes als der gewöhnliche Ausdruck beſagt: Das Bitten iſt meiner Jndividualität, meinen An- ſichten von Gott und Welt, meiner grenzenloſen Bewunderung des Weltgebäudes, ſo weit ich es erkenne, das Bitten iſt dem Allen nicht angemeſ- ſen; wenn mich die ganz unbefangene Natur ein- mal dazu drängt, ſo iſt’s mir das Geſchenk einer unmotivirten Herzensſtunde, wie ſie dem Menſchen in Liebe und ſonſtigem edlem Drange zuweilen ge- währt iſt, ich gebe mich ihm dann wohl bis zu Thränen hin, ich fühle es mit Seligkeit, daß in ſolchen Momenten der innerlichſten Erregtheit das in 6*

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Zitationshilfe: Laube, Heinrich: Das junge Europa. Bd. 3. Mannheim, 1837, S. 129. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laube_europa03_1837/137>, abgerufen am 21.11.2024.