haben, dem mein Bewußtsein irgend welcher Tüch- tigkeit wohlgefällig ist. Auch in meiner Verlassen- heit überhebe ich mich dieser kläglichen Ansicht des entmuthigten Schlegel. Aber ich finde in dem Buche Beschreibungen der indischen Einsiedler und Heiligen, welche mir von großer Beschäftigung sind, weil sie auch mit der äußersten Einsamkeit zusammenfallen. Was kann der Mensch, den ein fanatischer Glaube treibt! Jch erschrecke davor; wie klein sind wir, denen die skeptische Kultur jeden solchen unerschütter- lichen Anhalt genommen; ein guter Fanatiker erobert ein Stück Gottheit und ein Stück Thier zugleich. Diese Leute stellen sich auf die Einsamkeit eines hohen Postaments, mitten in die verzehrende indische Sonne hinein, strecken den Arm in die Höhe, bis er er- starrt, verwächst in dieser Richtung, sehen in die blendenden Sonnenstrahlen unverwandt bis die Augen erblinden, und denken nur den Gottesgedanken, um ganz in die Gottheit zu versinken, was ihnen denn wohl am Ende gelingt, denn welcher Menschengeist versänke nicht am Ende dabei! So werden sie wirk- lich halbe Bildsäulen, die Vögel bauen Nester auf ihnen, die Wallfahrer beten im Anschaun dieser
haben, dem mein Bewußtſein irgend welcher Tüch- tigkeit wohlgefällig iſt. Auch in meiner Verlaſſen- heit überhebe ich mich dieſer kläglichen Anſicht des entmuthigten Schlegel. Aber ich finde in dem Buche Beſchreibungen der indiſchen Einſiedler und Heiligen, welche mir von großer Beſchäftigung ſind, weil ſie auch mit der äußerſten Einſamkeit zuſammenfallen. Was kann der Menſch, den ein fanatiſcher Glaube treibt! Jch erſchrecke davor; wie klein ſind wir, denen die ſkeptiſche Kultur jeden ſolchen unerſchütter- lichen Anhalt genommen; ein guter Fanatiker erobert ein Stück Gottheit und ein Stück Thier zugleich. Dieſe Leute ſtellen ſich auf die Einſamkeit eines hohen Poſtaments, mitten in die verzehrende indiſche Sonne hinein, ſtrecken den Arm in die Höhe, bis er er- ſtarrt, verwächst in dieſer Richtung, ſehen in die blendenden Sonnenſtrahlen unverwandt bis die Augen erblinden, und denken nur den Gottesgedanken, um ganz in die Gottheit zu verſinken, was ihnen denn wohl am Ende gelingt, denn welcher Menſchengeiſt verſänke nicht am Ende dabei! So werden ſie wirk- lich halbe Bildſäulen, die Vögel bauen Neſter auf ihnen, die Wallfahrer beten im Anſchaun dieſer
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haben, dem mein Bewußtſein irgend welcher Tüch-
tigkeit wohlgefällig iſt. Auch in meiner Verlaſſen-
heit überhebe ich mich dieſer kläglichen Anſicht des
entmuthigten Schlegel. Aber ich finde in dem Buche
Beſchreibungen der indiſchen Einſiedler und Heiligen,
welche mir von großer Beſchäftigung ſind, weil ſie
auch mit der äußerſten Einſamkeit zuſammenfallen.
Was kann der Menſch, den ein fanatiſcher Glaube
treibt! Jch erſchrecke davor; wie klein ſind wir,
denen die ſkeptiſche Kultur jeden ſolchen unerſchütter-
lichen Anhalt genommen; ein guter Fanatiker erobert
ein Stück Gottheit und ein Stück Thier zugleich.
Dieſe Leute ſtellen ſich auf die Einſamkeit eines hohen
Poſtaments, mitten in die verzehrende indiſche Sonne
hinein, ſtrecken den Arm in die Höhe, bis er er-
ſtarrt, verwächst in dieſer Richtung, ſehen in die
blendenden Sonnenſtrahlen unverwandt bis die Augen
erblinden, und denken nur den Gottesgedanken, um
ganz in die Gottheit zu verſinken, was ihnen denn
wohl am Ende gelingt, denn welcher Menſchengeiſt
verſänke nicht am Ende dabei! So werden ſie wirk-
lich halbe Bildſäulen, die Vögel bauen Neſter auf
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Laube, Heinrich: Das junge Europa. Bd. 3. Mannheim, 1837, S. 152. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laube_europa03_1837/160>, abgerufen am 25.11.2024.
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