gegen den Untersuchungsarrest -- und doch fürchten wir Alle das Verhör, wenigstens die Ankündigung desselben, das Klopfen, den Namensruf, das hastige Ankleiden, den Gang durch die dunklen Korridore. Wenn man den Tritt der Ordonnanz hört, da wünscht man stets, er möge vorübergehn, man denkt an den Henker, welcher ein Todesurtheil bringt, und bebt. Nur Ungestörtheit, unbeachtetes Zusammenkauern in den traurigen Kerkerschmutz wünscht die furcht- same Seele -- so wird die Furcht in Körper und Seele gebracht, wie man den Muth hineinbringen kann; ich habe jetzt eine deutliche Vorstellung von den Blödsinnigen, welche in den Winkel kriechen, sobald sich ihnen irgend etwas naht. Du glaubst nicht, wie sehr man, wie krampfhaft man die Er- innerung an einen stolzen Menschen, der man einst war, zusammenhalten, in sich hinein klammern muß, um nicht der kläglichste Wicht zu werden!
Der Sporenschritt des Ordonnanzsoldaten hielt still vor meiner Thüre, mein Athem stockte und jagte; es ward geklopft, mein Name ward gerufen -- wir schritten durch den Korridor. Die Ordon- nanz ist ein bärtiger, freundlicher Mann, er sagte,
gegen den Unterſuchungsarreſt — und doch fürchten wir Alle das Verhör, wenigſtens die Ankündigung deſſelben, das Klopfen, den Namensruf, das haſtige Ankleiden, den Gang durch die dunklen Korridore. Wenn man den Tritt der Ordonnanz hört, da wünſcht man ſtets, er möge vorübergehn, man denkt an den Henker, welcher ein Todesurtheil bringt, und bebt. Nur Ungeſtörtheit, unbeachtetes Zuſammenkauern in den traurigen Kerkerſchmutz wünſcht die furcht- ſame Seele — ſo wird die Furcht in Körper und Seele gebracht, wie man den Muth hineinbringen kann; ich habe jetzt eine deutliche Vorſtellung von den Blödſinnigen, welche in den Winkel kriechen, ſobald ſich ihnen irgend etwas naht. Du glaubſt nicht, wie ſehr man, wie krampfhaft man die Er- innerung an einen ſtolzen Menſchen, der man einſt war, zuſammenhalten, in ſich hinein klammern muß, um nicht der kläglichſte Wicht zu werden!
Der Sporenſchritt des Ordonnanzſoldaten hielt ſtill vor meiner Thüre, mein Athem ſtockte und jagte; es ward geklopft, mein Name ward gerufen — wir ſchritten durch den Korridor. Die Ordon- nanz iſt ein bärtiger, freundlicher Mann, er ſagte,
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0162"n="154"/>
gegen den Unterſuchungsarreſt — und doch fürchten<lb/>
wir Alle das Verhör, wenigſtens die Ankündigung<lb/>
deſſelben, das Klopfen, den Namensruf, das haſtige<lb/>
Ankleiden, den Gang durch die dunklen Korridore.<lb/>
Wenn man den Tritt der Ordonnanz hört, da wünſcht<lb/>
man ſtets, er möge vorübergehn, man denkt an den<lb/>
Henker, welcher ein Todesurtheil bringt, und bebt.<lb/>
Nur Ungeſtörtheit, unbeachtetes Zuſammenkauern<lb/>
in den traurigen Kerkerſchmutz wünſcht die furcht-<lb/>ſame Seele —ſo wird die Furcht in Körper und<lb/>
Seele gebracht, wie man den Muth hineinbringen<lb/>
kann; ich habe jetzt eine deutliche Vorſtellung von<lb/>
den Blödſinnigen, welche in den Winkel kriechen,<lb/>ſobald ſich ihnen irgend etwas naht. Du glaubſt<lb/>
nicht, wie ſehr man, wie krampfhaft man die Er-<lb/>
innerung an einen ſtolzen Menſchen, der man einſt<lb/>
war, zuſammenhalten, in ſich hinein klammern muß,<lb/>
um nicht der kläglichſte Wicht zu werden!</p><lb/><p>Der Sporenſchritt des Ordonnanzſoldaten hielt<lb/>ſtill vor meiner Thüre, mein Athem ſtockte und<lb/>
jagte; es ward geklopft, mein Name ward gerufen<lb/>— wir ſchritten durch den Korridor. Die Ordon-<lb/>
nanz iſt ein bärtiger, freundlicher Mann, er ſagte,<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[154/0162]
gegen den Unterſuchungsarreſt — und doch fürchten
wir Alle das Verhör, wenigſtens die Ankündigung
deſſelben, das Klopfen, den Namensruf, das haſtige
Ankleiden, den Gang durch die dunklen Korridore.
Wenn man den Tritt der Ordonnanz hört, da wünſcht
man ſtets, er möge vorübergehn, man denkt an den
Henker, welcher ein Todesurtheil bringt, und bebt.
Nur Ungeſtörtheit, unbeachtetes Zuſammenkauern
in den traurigen Kerkerſchmutz wünſcht die furcht-
ſame Seele — ſo wird die Furcht in Körper und
Seele gebracht, wie man den Muth hineinbringen
kann; ich habe jetzt eine deutliche Vorſtellung von
den Blödſinnigen, welche in den Winkel kriechen,
ſobald ſich ihnen irgend etwas naht. Du glaubſt
nicht, wie ſehr man, wie krampfhaft man die Er-
innerung an einen ſtolzen Menſchen, der man einſt
war, zuſammenhalten, in ſich hinein klammern muß,
um nicht der kläglichſte Wicht zu werden!
Der Sporenſchritt des Ordonnanzſoldaten hielt
ſtill vor meiner Thüre, mein Athem ſtockte und
jagte; es ward geklopft, mein Name ward gerufen
— wir ſchritten durch den Korridor. Die Ordon-
nanz iſt ein bärtiger, freundlicher Mann, er ſagte,
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Laube, Heinrich: Das junge Europa. Bd. 3. Mannheim, 1837, S. 154. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laube_europa03_1837/162>, abgerufen am 25.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.