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Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 2. Halle, 1792.

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fernt sind, und wahrscheinlich auch noch so lange
bleiben werden, als das Martialische der Preußi-
schen Verfassung fortdauern wird.

Vor Zeiten hatten die Studenten in Halle den
Ruf, daß sie übertrieben heilig wären. Man sieht
dies aus dem ersten jener Verse, die man ehedem
zur Karakterisirung einiger Universitäten geschmiedet
hat. Ich will sie hersetzen:

Ach Gott, wie ist die Welt so blind!
Ich lobe mir ein schönes Kind!
Wer mir noch spricht ein Wort, den soll der Teufel
fressen,
A bonne amitie, so spricht der Bursch in Hessen.

Der erste dieser Verse zielte auf Halle, der zweite
auf Leipzig, der dritte auf Jena, und der vier-
te auf Gießen.

Daß die Hallenser von der Stiftung der Uni-
versität an, bis ohngefähr auf die Zeiten des sieben-
jährigen Krieges Frömmlinge gewesen sind, ist aller-
dings wahr, und daß der bösartige Einfluß dieses
frömmlichen Wesens sich von da aus weit und breit
ausgedehnt hat, ist auch wahr. Allein wer noch jetzt
über Hyperdulie der Hallenser klagen wollte, würde
ihnen wahrlich zu viel thun. Seitdem ich die Stu-
denten in Halle kenne, waren sie zwar keine Athei-
sten, aber auch keine pietistischen Kopfhänger. Die

fernt ſind, und wahrſcheinlich auch noch ſo lange
bleiben werden, als das Martialiſche der Preußi-
ſchen Verfaſſung fortdauern wird.

Vor Zeiten hatten die Studenten in Halle den
Ruf, daß ſie uͤbertrieben heilig waͤren. Man ſieht
dies aus dem erſten jener Verſe, die man ehedem
zur Karakteriſirung einiger Univerſitaͤten geſchmiedet
hat. Ich will ſie herſetzen:

Ach Gott, wie iſt die Welt ſo blind!
Ich lobe mir ein ſchoͤnes Kind!
Wer mir noch ſpricht ein Wort, den ſoll der Teufel
freſſen,
A bonne amitiè, ſo ſpricht der Burſch in Heſſen.

Der erſte dieſer Verſe zielte auf Halle, der zweite
auf Leipzig, der dritte auf Jena, und der vier-
te auf Gießen.

Daß die Hallenſer von der Stiftung der Uni-
verſitaͤt an, bis ohngefaͤhr auf die Zeiten des ſieben-
jaͤhrigen Krieges Froͤmmlinge geweſen ſind, iſt aller-
dings wahr, und daß der boͤsartige Einfluß dieſes
froͤmmlichen Weſens ſich von da aus weit und breit
ausgedehnt hat, iſt auch wahr. Allein wer noch jetzt
uͤber Hyperdulie der Hallenſer klagen wollte, wuͤrde
ihnen wahrlich zu viel thun. Seitdem ich die Stu-
denten in Halle kenne, waren ſie zwar keine Athei-
ſten, aber auch keine pietiſtiſchen Kopfhaͤnger. Die

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[125/0127] fernt ſind, und wahrſcheinlich auch noch ſo lange bleiben werden, als das Martialiſche der Preußi- ſchen Verfaſſung fortdauern wird. Vor Zeiten hatten die Studenten in Halle den Ruf, daß ſie uͤbertrieben heilig waͤren. Man ſieht dies aus dem erſten jener Verſe, die man ehedem zur Karakteriſirung einiger Univerſitaͤten geſchmiedet hat. Ich will ſie herſetzen: Ach Gott, wie iſt die Welt ſo blind! Ich lobe mir ein ſchoͤnes Kind! Wer mir noch ſpricht ein Wort, den ſoll der Teufel freſſen, A bonne amitiè, ſo ſpricht der Burſch in Heſſen. Der erſte dieſer Verſe zielte auf Halle, der zweite auf Leipzig, der dritte auf Jena, und der vier- te auf Gießen. Daß die Hallenſer von der Stiftung der Uni- verſitaͤt an, bis ohngefaͤhr auf die Zeiten des ſieben- jaͤhrigen Krieges Froͤmmlinge geweſen ſind, iſt aller- dings wahr, und daß der boͤsartige Einfluß dieſes froͤmmlichen Weſens ſich von da aus weit und breit ausgedehnt hat, iſt auch wahr. Allein wer noch jetzt uͤber Hyperdulie der Hallenſer klagen wollte, wuͤrde ihnen wahrlich zu viel thun. Seitdem ich die Stu- denten in Halle kenne, waren ſie zwar keine Athei- ſten, aber auch keine pietiſtiſchen Kopfhaͤnger. Die

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Zitationshilfe: Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 2. Halle, 1792, S. 125. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben02_1792/127>, abgerufen am 21.11.2024.