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Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 2. Halle, 1792.

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Kopfhängerei hat ehedem ihren Ursprung zu Leipzig
in den frommen Zusammenkünften einiger superfrom-
men Magister gehabt, und wuchs hernach auf dem
hallischen Waisenhause zu einer solchen Größe her-
an, daß man alle für Satanskinder ausschrie, die
den Kopf gerade trugen, und ihre freie unbefangene
Mine jederman hinzeigten. Lustigkeit und aufge-
wektes Wesen hießen grobe Sünden, und nur der
war Gott, oder was gleich viel galt, den Vorste-
hern der heiligen Waisen-Anstalten angenehm, wel-
cher aussah, wie ein Büßender. Kirchen versäumen
war Hochverrath, und nicht alle Jahre vier oder
acht mal zum Nachtmal gehen, hieß den Heiland
verleugnen. Die meisten theologischen Studenten,
wenn sie auch die Waisenhäuser Beneficien nicht ge-
nossen, ahmten diesem frömmelnden Wesen nach, und
lernten sehr bald die Kunst, wie so mancher über-
tünchte Pietist, in der Welt ohne Kopf, ohne Herz,
ohne Kenntnisse und ohne reelle Sitten sein Glück
zu erheucheln. So wurden nun die meisten Stu-
denten Frömmlinge, und seufzten: "Ach Gott, wie
ist die Welt so blind!" --

Aber Dank sey es dem bessern Genius der
Musensitze! Unter Friedrichs des Großen
Regierung fiel diese Frömmelei in die verdiente Ver-
achtung. Die Singereien, die Stuben-Betstun-
den und andre sogenannten Andachtsübungen wurden

Kopfhaͤngerei hat ehedem ihren Urſprung zu Leipzig
in den frommen Zuſammenkuͤnften einiger ſuperfrom-
men Magiſter gehabt, und wuchs hernach auf dem
halliſchen Waiſenhauſe zu einer ſolchen Groͤße her-
an, daß man alle fuͤr Satanskinder ausſchrie, die
den Kopf gerade trugen, und ihre freie unbefangene
Mine jederman hinzeigten. Luſtigkeit und aufge-
wektes Weſen hießen grobe Suͤnden, und nur der
war Gott, oder was gleich viel galt, den Vorſte-
hern der heiligen Waiſen-Anſtalten angenehm, wel-
cher ausſah, wie ein Buͤßender. Kirchen verſaͤumen
war Hochverrath, und nicht alle Jahre vier oder
acht mal zum Nachtmal gehen, hieß den Heiland
verleugnen. Die meiſten theologiſchen Studenten,
wenn ſie auch die Waiſenhaͤuſer Beneficien nicht ge-
noſſen, ahmten dieſem froͤmmelnden Weſen nach, und
lernten ſehr bald die Kunſt, wie ſo mancher uͤber-
tuͤnchte Pietiſt, in der Welt ohne Kopf, ohne Herz,
ohne Kenntniſſe und ohne reelle Sitten ſein Gluͤck
zu erheucheln. So wurden nun die meiſten Stu-
denten Froͤmmlinge, und ſeufzten: „Ach Gott, wie
iſt die Welt ſo blind!“ —

Aber Dank ſey es dem beſſern Genius der
Muſenſitze! Unter Friedrichs des Großen
Regierung fiel dieſe Froͤmmelei in die verdiente Ver-
achtung. Die Singereien, die Stuben-Betſtun-
den und andre ſogenannten Andachtsuͤbungen wurden

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[126/0128] Kopfhaͤngerei hat ehedem ihren Urſprung zu Leipzig in den frommen Zuſammenkuͤnften einiger ſuperfrom- men Magiſter gehabt, und wuchs hernach auf dem halliſchen Waiſenhauſe zu einer ſolchen Groͤße her- an, daß man alle fuͤr Satanskinder ausſchrie, die den Kopf gerade trugen, und ihre freie unbefangene Mine jederman hinzeigten. Luſtigkeit und aufge- wektes Weſen hießen grobe Suͤnden, und nur der war Gott, oder was gleich viel galt, den Vorſte- hern der heiligen Waiſen-Anſtalten angenehm, wel- cher ausſah, wie ein Buͤßender. Kirchen verſaͤumen war Hochverrath, und nicht alle Jahre vier oder acht mal zum Nachtmal gehen, hieß den Heiland verleugnen. Die meiſten theologiſchen Studenten, wenn ſie auch die Waiſenhaͤuſer Beneficien nicht ge- noſſen, ahmten dieſem froͤmmelnden Weſen nach, und lernten ſehr bald die Kunſt, wie ſo mancher uͤber- tuͤnchte Pietiſt, in der Welt ohne Kopf, ohne Herz, ohne Kenntniſſe und ohne reelle Sitten ſein Gluͤck zu erheucheln. So wurden nun die meiſten Stu- denten Froͤmmlinge, und ſeufzten: „Ach Gott, wie iſt die Welt ſo blind!“ — Aber Dank ſey es dem beſſern Genius der Muſenſitze! Unter Friedrichs des Großen Regierung fiel dieſe Froͤmmelei in die verdiente Ver- achtung. Die Singereien, die Stuben-Betſtun- den und andre ſogenannten Andachtsuͤbungen wurden

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Zitationshilfe: Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 2. Halle, 1792, S. 126. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben02_1792/128>, abgerufen am 21.11.2024.