versprach mir, mich gleich am folgenden Mor- gen früh zu ihm zu begleiten. Ich blieb daher diese Nacht über in Cheminons Wohnung, und -- soff mich voll in lauter Fuselbrantewein, welchen Ma- dam Cheminon damals für Likör ausschenkte. Ich glaube, daß ich vergessen habe, zu sagen, daß der berüchtigte Hanauer-Puff weiter nichts war, als eine Schnappskneipe. Madam Cheminon wußte aber auch zu leben, und sorgte für immer artige Jungferno). Das sahen einige Studenten gern, fanden sich fleißig ein, und tranken den elenden Fusel für Likör.
Früh erinnerte ich den Cheminon an sein Ver- sprechen: er war willig dazu, sagte mir aber: sein Hauptmann käme diesen Tag auf die Wache; da könnte ich ihn auf der Hauptwache sprechen. Das war mir denn recht. Nachdem also die Wache auf- gezogen war, ging ich mit Cheminon zum Haupt- mann, dessen offenes Wesen mir gleich gefiel. Er
o) Jungfer heißt nach ha[ - 2 Zeichen fehlen]ischem Sprachgebrauch eine Bürgerstochter, die keinen Mann hat: Kinder mag sie gehabt haben, das schadet nichts. Mamsell wird jedes mit frisirtem Kopf einhertretendes Frauenzimmer ohne Mann genannt: doch fängt gegenwärtig der Name Mamsell auch schon an, unfrisirten Haubenstöcken ge- geben zu werden: daher Mamsell Minchen, Röschen, Nanettchen.
verſprach mir, mich gleich am folgenden Mor- gen fruͤh zu ihm zu begleiten. Ich blieb daher dieſe Nacht uͤber in Cheminons Wohnung, und — ſoff mich voll in lauter Fuſelbrantewein, welchen Ma- dam Cheminon damals fuͤr Likoͤr ausſchenkte. Ich glaube, daß ich vergeſſen habe, zu ſagen, daß der beruͤchtigte Hanauer-Puff weiter nichts war, als eine Schnappskneipe. Madam Cheminon wußte aber auch zu leben, und ſorgte fuͤr immer artige Jungferno). Das ſahen einige Studenten gern, fanden ſich fleißig ein, und tranken den elenden Fuſel fuͤr Likoͤr.
Fruͤh erinnerte ich den Cheminon an ſein Ver- ſprechen: er war willig dazu, ſagte mir aber: ſein Hauptmann kaͤme dieſen Tag auf die Wache; da koͤnnte ich ihn auf der Hauptwache ſprechen. Das war mir denn recht. Nachdem alſo die Wache auf- gezogen war, ging ich mit Cheminon zum Haupt- mann, deſſen offenes Weſen mir gleich gefiel. Er
o) Jungfer heißt nach ha[ – 2 Zeichen fehlen]iſchem Sprachgebrauch eine Buͤrgerstochter, die keinen Mann hat: Kinder mag ſie gehabt haben, das ſchadet nichts. Mamſell wird jedes mit friſirtem Kopf einhertretendes Frauenzimmer ohne Mann genannt: doch faͤngt gegenwaͤrtig der Name Mamſell auch ſchon an, unfriſirten Haubenſtoͤcken ge- geben zu werden: daher Mamſell Minchen, Roͤschen, Nanettchen.
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verſprach mir, mich gleich am folgenden Mor-
gen fruͤh zu ihm zu begleiten. Ich blieb daher dieſe
Nacht uͤber in Cheminons Wohnung, und — ſoff
mich voll in lauter Fuſelbrantewein, welchen Ma-
dam Cheminon damals fuͤr Likoͤr ausſchenkte. Ich
glaube, daß ich vergeſſen habe, zu ſagen, daß der
beruͤchtigte Hanauer-Puff weiter nichts war, als
eine Schnappskneipe. Madam Cheminon wußte
aber auch zu leben, und ſorgte fuͤr immer artige
Jungfern o). Das ſahen einige Studenten gern,
fanden ſich fleißig ein, und tranken den elenden Fuſel
fuͤr Likoͤr.
Fruͤh erinnerte ich den Cheminon an ſein Ver-
ſprechen: er war willig dazu, ſagte mir aber: ſein
Hauptmann kaͤme dieſen Tag auf die Wache; da
koͤnnte ich ihn auf der Hauptwache ſprechen. Das
war mir denn recht. Nachdem alſo die Wache auf-
gezogen war, ging ich mit Cheminon zum Haupt-
mann, deſſen offenes Weſen mir gleich gefiel. Er
o) Jungfer heißt nach ha__iſchem Sprachgebrauch eine
Buͤrgerstochter, die keinen Mann hat: Kinder mag ſie
gehabt haben, das ſchadet nichts. Mamſell wird jedes
mit friſirtem Kopf einhertretendes Frauenzimmer ohne
Mann genannt: doch faͤngt gegenwaͤrtig der Name
Mamſell auch ſchon an, unfriſirten Haubenſtoͤcken ge-
geben zu werden: daher Mamſell Minchen, Roͤschen,
Nanettchen.
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Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 2. Halle, 1792, S. 236[246]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben02_1792/248>, abgerufen am 24.11.2024.
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