Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 2. Halle, 1792.

Bild:
<< vorherige Seite

ich sagte -- Ja. So war ich also angeworben.
Nun ließ der Hauptmann einschenken, was das
Zeug hielt, und da ich die Schnurre noch von der
vorigen Nacht im Kopfe hatte, so war es natürlich,
daß ich derb besoffen ward. Ich ging nach der
großen Wachtstube, machte mit allen Soldaten, die
da waren, Brüderschaft, und war nun seelenfroh,
daß ich -- Soldat war. Die Nacht über schlief ich
in der großen Wachtstube, und zwar auf der Prit-
sche, obgleich Herr von Müffling mir in der Officier-
stube ein Bette hatte bereiten lassen.

Man sollte denken, daß ich früh die Sachen
anders, als den vorigen Abend angesehn, und mich
derb über meinen unbesonnenen Schritt werde ge-
kränkt haben. Das war aber nicht so: meine Stim-
mung hatte sich nicht geändert, und als ich erwachte,
freute ich mich noch immer über das, was ich gethan
hatte. Das Grundgefühl von Rache, die Sehnsucht
nach Ruhe, nebst der täuschenden Erwartung der
Dinge, die jetzt alle kommen würden, unterhielten die
Spannung meiner Seele, und versetzten mich zu sehr
außer mir, als daß ich meinen damaligen gegenwärti-
gen Zustand hätte nach der Wahrheit prüfen und
werthigen können. Ich sprach mit dem Hauptmann
so unbefangen, als wenn ich schon zehn Jahre bei
den Soldaten gewesen wäre. Herr von Müffling
freute sich über dies mein aufgeräumtes Wesen, und

ich ſagte — Ja. So war ich alſo angeworben.
Nun ließ der Hauptmann einſchenken, was das
Zeug hielt, und da ich die Schnurre noch von der
vorigen Nacht im Kopfe hatte, ſo war es natuͤrlich,
daß ich derb beſoffen ward. Ich ging nach der
großen Wachtſtube, machte mit allen Soldaten, die
da waren, Bruͤderſchaft, und war nun ſeelenfroh,
daß ich — Soldat war. Die Nacht uͤber ſchlief ich
in der großen Wachtſtube, und zwar auf der Prit-
ſche, obgleich Herr von Muͤffling mir in der Officier-
ſtube ein Bette hatte bereiten laſſen.

Man ſollte denken, daß ich fruͤh die Sachen
anders, als den vorigen Abend angeſehn, und mich
derb uͤber meinen unbeſonnenen Schritt werde ge-
kraͤnkt haben. Das war aber nicht ſo: meine Stim-
mung hatte ſich nicht geaͤndert, und als ich erwachte,
freute ich mich noch immer uͤber das, was ich gethan
hatte. Das Grundgefuͤhl von Rache, die Sehnſucht
nach Ruhe, nebſt der taͤuſchenden Erwartung der
Dinge, die jetzt alle kommen wuͤrden, unterhielten die
Spannung meiner Seele, und verſetzten mich zu ſehr
außer mir, als daß ich meinen damaligen gegenwaͤrti-
gen Zuſtand haͤtte nach der Wahrheit pruͤfen und
werthigen koͤnnen. Ich ſprach mit dem Hauptmann
ſo unbefangen, als wenn ich ſchon zehn Jahre bei
den Soldaten geweſen waͤre. Herr von Muͤffling
freute ſich uͤber dies mein aufgeraͤumtes Weſen, und

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0250" n="238[248]"/>
ich &#x017F;agte &#x2014; Ja. So war ich al&#x017F;o angeworben.<lb/>
Nun ließ der Hauptmann ein&#x017F;chenken, was das<lb/>
Zeug hielt, und da ich die Schnurre noch von der<lb/>
vorigen Nacht im Kopfe hatte, &#x017F;o war es natu&#x0364;rlich,<lb/>
daß ich derb be&#x017F;offen ward. Ich ging nach der<lb/>
großen Wacht&#x017F;tube, machte mit allen Soldaten, die<lb/>
da waren, Bru&#x0364;der&#x017F;chaft, und war nun &#x017F;eelenfroh,<lb/>
daß ich &#x2014; Soldat war. Die Nacht u&#x0364;ber &#x017F;chlief ich<lb/>
in der großen Wacht&#x017F;tube, und zwar auf der Prit-<lb/>
&#x017F;che, obgleich Herr von Mu&#x0364;ffling mir in der Officier-<lb/>
&#x017F;tube ein Bette hatte bereiten la&#x017F;&#x017F;en.</p><lb/>
        <p>Man &#x017F;ollte denken, daß ich fru&#x0364;h die Sachen<lb/>
anders, als den vorigen Abend ange&#x017F;ehn, und mich<lb/>
derb u&#x0364;ber meinen unbe&#x017F;onnenen Schritt werde ge-<lb/>
kra&#x0364;nkt haben. Das war aber nicht &#x017F;o: meine Stim-<lb/>
mung hatte &#x017F;ich nicht gea&#x0364;ndert, und als ich erwachte,<lb/>
freute ich mich noch immer u&#x0364;ber das, was ich gethan<lb/>
hatte. Das Grundgefu&#x0364;hl von Rache, die Sehn&#x017F;ucht<lb/>
nach Ruhe, neb&#x017F;t der ta&#x0364;u&#x017F;chenden Erwartung der<lb/>
Dinge, die jetzt alle kommen wu&#x0364;rden, unterhielten die<lb/>
Spannung meiner Seele, und ver&#x017F;etzten mich zu &#x017F;ehr<lb/>
außer mir, als daß ich meinen damaligen gegenwa&#x0364;rti-<lb/>
gen Zu&#x017F;tand ha&#x0364;tte nach der Wahrheit pru&#x0364;fen und<lb/>
werthigen ko&#x0364;nnen. Ich &#x017F;prach mit dem Hauptmann<lb/>
&#x017F;o unbefangen, als wenn ich &#x017F;chon zehn Jahre bei<lb/>
den Soldaten gewe&#x017F;en wa&#x0364;re. Herr von Mu&#x0364;ffling<lb/>
freute &#x017F;ich u&#x0364;ber dies mein aufgera&#x0364;umtes We&#x017F;en, und<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[238[248]/0250] ich ſagte — Ja. So war ich alſo angeworben. Nun ließ der Hauptmann einſchenken, was das Zeug hielt, und da ich die Schnurre noch von der vorigen Nacht im Kopfe hatte, ſo war es natuͤrlich, daß ich derb beſoffen ward. Ich ging nach der großen Wachtſtube, machte mit allen Soldaten, die da waren, Bruͤderſchaft, und war nun ſeelenfroh, daß ich — Soldat war. Die Nacht uͤber ſchlief ich in der großen Wachtſtube, und zwar auf der Prit- ſche, obgleich Herr von Muͤffling mir in der Officier- ſtube ein Bette hatte bereiten laſſen. Man ſollte denken, daß ich fruͤh die Sachen anders, als den vorigen Abend angeſehn, und mich derb uͤber meinen unbeſonnenen Schritt werde ge- kraͤnkt haben. Das war aber nicht ſo: meine Stim- mung hatte ſich nicht geaͤndert, und als ich erwachte, freute ich mich noch immer uͤber das, was ich gethan hatte. Das Grundgefuͤhl von Rache, die Sehnſucht nach Ruhe, nebſt der taͤuſchenden Erwartung der Dinge, die jetzt alle kommen wuͤrden, unterhielten die Spannung meiner Seele, und verſetzten mich zu ſehr außer mir, als daß ich meinen damaligen gegenwaͤrti- gen Zuſtand haͤtte nach der Wahrheit pruͤfen und werthigen koͤnnen. Ich ſprach mit dem Hauptmann ſo unbefangen, als wenn ich ſchon zehn Jahre bei den Soldaten geweſen waͤre. Herr von Muͤffling freute ſich uͤber dies mein aufgeraͤumtes Weſen, und

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben02_1792
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben02_1792/250
Zitationshilfe: Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 2. Halle, 1792, S. 238[248]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben02_1792/250>, abgerufen am 24.11.2024.