angenehme Empfindung gewesen sey. In Passendorf schon kehrte ich ein, so auch in Schlettau und Lauch- städt. In Neumark traf ich beim Wirth Thomas, von dem ich schon oben gesprochen habe, die Neu- jahrssänger an: es war gerade der Tag nach Neu- jahr. Es ist nämlich in Sachsen Mode, daß die jungen Bursche auf den Dörfern zur Neujahrszeit in die Häuser der begüterten Bauern einkehren, und da Neujahrslieder, z. B. "Das alte Jahr ver- gangen ist" -- "Das neugeborne Kindelein" -- "Hilf Herr Jesu, laß gelingen" u. a. herkrächzen, und dafür nach der Observanz belohnt werden. Das Geld wird hernach gemeinschaftlich versoffen. In der Pfalz singt blos der Nachtwächter in der Neu- jahrsnacht dergleichen Lieder, und die jungen Bursche schießen das neue Jahr an, indeß die ältern Bauern es anläuten. Alle sind zu der Zeit en canaille be- soffen. Das ist so der Anfang der neuen Zeit.
In Naumburg blieb ich über Nacht, bekam sehr schlechtes Essen und noch schlechteres Quartier, muste aber doch den andern Tag früh derb bezahlen. Es waren noch andere Fremde da, welche auch sehr über des Wirths Prellerei klagten. Das Wirths- haus ist vor dem Thore, wo man nach Erfurt zu geht: den Namen hab ich vergessen; sonst setzte ich ihn zur Warnung her. Auf dem Wege nach Erfurt mußte ich liegen bleiben. Meine engen Stiefeln
angenehme Empfindung geweſen ſey. In Paſſendorf ſchon kehrte ich ein, ſo auch in Schlettau und Lauch- ſtaͤdt. In Neumark traf ich beim Wirth Thomas, von dem ich ſchon oben geſprochen habe, die Neu- jahrsſaͤnger an: es war gerade der Tag nach Neu- jahr. Es iſt naͤmlich in Sachſen Mode, daß die jungen Burſche auf den Doͤrfern zur Neujahrszeit in die Haͤuſer der beguͤterten Bauern einkehren, und da Neujahrslieder, z. B. „Das alte Jahr ver- gangen iſt“ — „Das neugeborne Kindelein“ — „Hilf Herr Jeſu, laß gelingen“ u. a. herkraͤchzen, und dafuͤr nach der Obſervanz belohnt werden. Das Geld wird hernach gemeinſchaftlich verſoffen. In der Pfalz ſingt blos der Nachtwaͤchter in der Neu- jahrsnacht dergleichen Lieder, und die jungen Burſche ſchießen das neue Jahr an, indeß die aͤltern Bauern es anlaͤuten. Alle ſind zu der Zeit en canaille be- ſoffen. Das iſt ſo der Anfang der neuen Zeit.
In Naumburg blieb ich uͤber Nacht, bekam ſehr ſchlechtes Eſſen und noch ſchlechteres Quartier, muſte aber doch den andern Tag fruͤh derb bezahlen. Es waren noch andere Fremde da, welche auch ſehr uͤber des Wirths Prellerei klagten. Das Wirths- haus iſt vor dem Thore, wo man nach Erfurt zu geht: den Namen hab ich vergeſſen; ſonſt ſetzte ich ihn zur Warnung her. Auf dem Wege nach Erfurt mußte ich liegen bleiben. Meine engen Stiefeln
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[313[323]/0325]
angenehme Empfindung geweſen ſey. In Paſſendorf
ſchon kehrte ich ein, ſo auch in Schlettau und Lauch-
ſtaͤdt. In Neumark traf ich beim Wirth Thomas,
von dem ich ſchon oben geſprochen habe, die Neu-
jahrsſaͤnger an: es war gerade der Tag nach Neu-
jahr. Es iſt naͤmlich in Sachſen Mode, daß die
jungen Burſche auf den Doͤrfern zur Neujahrszeit
in die Haͤuſer der beguͤterten Bauern einkehren,
und da Neujahrslieder, z. B. „Das alte Jahr ver-
gangen iſt“ — „Das neugeborne Kindelein“ —
„Hilf Herr Jeſu, laß gelingen“ u. a. herkraͤchzen,
und dafuͤr nach der Obſervanz belohnt werden. Das
Geld wird hernach gemeinſchaftlich verſoffen. In
der Pfalz ſingt blos der Nachtwaͤchter in der Neu-
jahrsnacht dergleichen Lieder, und die jungen Burſche
ſchießen das neue Jahr an, indeß die aͤltern Bauern
es anlaͤuten. Alle ſind zu der Zeit en canaille be-
ſoffen. Das iſt ſo der Anfang der neuen Zeit.
In Naumburg blieb ich uͤber Nacht, bekam
ſehr ſchlechtes Eſſen und noch ſchlechteres Quartier,
muſte aber doch den andern Tag fruͤh derb bezahlen.
Es waren noch andere Fremde da, welche auch ſehr
uͤber des Wirths Prellerei klagten. Das Wirths-
haus iſt vor dem Thore, wo man nach Erfurt zu
geht: den Namen hab ich vergeſſen; ſonſt ſetzte ich
ihn zur Warnung her. Auf dem Wege nach Erfurt
mußte ich liegen bleiben. Meine engen Stiefeln
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Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 2. Halle, 1792, S. 313[323]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben02_1792/325>, abgerufen am 24.11.2024.
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