tung. Er erzählte mir eine Anekdote von seiner gnä- digen Herrschaft, welche mir damals unwahrschein- lich vorkam, die ich aber hernach in einem Buche o) bestätigt gefunden habe. Des jetzigen Herzogs von Weimar Großvater sollte nämlich vor ohngefähr 40 Jahren befohlen haben, daß man in jedem Dorfe an einem gewissen Tag einige hölzerne Teller auf eine gewisse Weise konsekriren sollte. Diese konsekrir- ten Teller sollte man unter gewissen magischen Zeichen und Worten, wenn eine Feuersbrunst entstünde, einen nach dem andern hinein werfen: es würde als- dann beim Wurf des dritten Tellers das Feuer ge- wiß erlöschen. -- Wenn aber noch vor vierzig Jah- ren der Weimarische Landesherr und seine Räthe so finster waren: wen könnte es wundern, daß noch 1787 die dickste Finsterniß auf den Weimarischen Dör- fern herrschte! Man sollte gar nicht glauben, daß diese einem Landesherrn angehörten, dessen Residenz- stadt mit den hellsten Köpfen Deutschlands geschmückt ist. Hier sieht man recht augenscheinlich, daß auch die besten Schriftsteller nicht einmal in ihrem nächsten Umkreise auf die Volksklasse wirken, wenn Kirchen- und Schullehrer nicht die verdollmetschenden Vehikel
o) Absichtlich nenne ich dieses Buch nicht: die Recensenten müssens ja so kennen, und Andre geht der Name des Buches nicht an. Für die mag die Autorität des Neu- städter Kantors genug seyn.
tung. Er erzaͤhlte mir eine Anekdote von ſeiner gnaͤ- digen Herrſchaft, welche mir damals unwahrſchein- lich vorkam, die ich aber hernach in einem Buche o) beſtaͤtigt gefunden habe. Des jetzigen Herzogs von Weimar Großvater ſollte naͤmlich vor ohngefaͤhr 40 Jahren befohlen haben, daß man in jedem Dorfe an einem gewiſſen Tag einige hoͤlzerne Teller auf eine gewiſſe Weiſe konſekriren ſollte. Dieſe konſekrir- ten Teller ſollte man unter gewiſſen magiſchen Zeichen und Worten, wenn eine Feuersbrunſt entſtuͤnde, einen nach dem andern hinein werfen: es wuͤrde als- dann beim Wurf des dritten Tellers das Feuer ge- wiß erloͤſchen. — Wenn aber noch vor vierzig Jah- ren der Weimariſche Landesherr und ſeine Raͤthe ſo finſter waren: wen koͤnnte es wundern, daß noch 1787 die dickſte Finſterniß auf den Weimariſchen Doͤr- fern herrſchte! Man ſollte gar nicht glauben, daß dieſe einem Landesherrn angehoͤrten, deſſen Reſidenz- ſtadt mit den hellſten Koͤpfen Deutſchlands geſchmuͤckt iſt. Hier ſieht man recht augenſcheinlich, daß auch die beſten Schriftſteller nicht einmal in ihrem naͤchſten Umkreiſe auf die Volksklaſſe wirken, wenn Kirchen- und Schullehrer nicht die verdollmetſchenden Vehikel
o) Abſichtlich nenne ich dieſes Buch nicht: die Recenſenten muͤſſens ja ſo kennen, und Andre geht der Name des Buches nicht an. Fuͤr die mag die Autoritaͤt des Neu- ſtaͤdter Kantors genug ſeyn.
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tung. Er erzaͤhlte mir eine Anekdote von ſeiner gnaͤ-
digen Herrſchaft, welche mir damals unwahrſchein-
lich vorkam, die ich aber hernach in einem Buche o)
beſtaͤtigt gefunden habe. Des jetzigen Herzogs von
Weimar Großvater ſollte naͤmlich vor ohngefaͤhr 40
Jahren befohlen haben, daß man in jedem Dorfe
an einem gewiſſen Tag einige hoͤlzerne Teller auf
eine gewiſſe Weiſe konſekriren ſollte. Dieſe konſekrir-
ten Teller ſollte man unter gewiſſen magiſchen Zeichen
und Worten, wenn eine Feuersbrunſt entſtuͤnde,
einen nach dem andern hinein werfen: es wuͤrde als-
dann beim Wurf des dritten Tellers das Feuer ge-
wiß erloͤſchen. — Wenn aber noch vor vierzig Jah-
ren der Weimariſche Landesherr und ſeine Raͤthe
ſo finſter waren: wen koͤnnte es wundern, daß noch
1787 die dickſte Finſterniß auf den Weimariſchen Doͤr-
fern herrſchte! Man ſollte gar nicht glauben, daß
dieſe einem Landesherrn angehoͤrten, deſſen Reſidenz-
ſtadt mit den hellſten Koͤpfen Deutſchlands geſchmuͤckt
iſt. Hier ſieht man recht augenſcheinlich, daß auch
die beſten Schriftſteller nicht einmal in ihrem naͤchſten
Umkreiſe auf die Volksklaſſe wirken, wenn Kirchen-
und Schullehrer nicht die verdollmetſchenden Vehikel
o) Abſichtlich nenne ich dieſes Buch nicht: die Recenſenten
muͤſſens ja ſo kennen, und Andre geht der Name des
Buches nicht an. Fuͤr die mag die Autoritaͤt des Neu-
ſtaͤdter Kantors genug ſeyn.
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Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 2. Halle, 1792, S. 315[325]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben02_1792/327>, abgerufen am 24.11.2024.
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