vorgeschlagen; aber die übrige liebe Geistlichkeit hat vielleicht die Delikatesse ihrer orthodoxen Denkungs- art so weit getrieben, daß sie lieber alles aufopfern, als Herdern folgen wollte -- so folgsam als näm- lich die Buchstaben-Theologen gegen Christi Geist -- den gesunden Menschenverstand -- sind, und so zärtlich leise sie auf den Wunsch eines väterlichen Lan- desherrn horchen, um durch die Verbreitung besserer Einsichten glücklichere Menschen machen zu helfen. -- Und so hätte auch Weimar seine Gelehte mehr fürs Ausland, als für sich. --
Ich nahm mir, als ich wieder gehen konnte, vor, nach Jena und von da aus weiter zu reisen. Ich hatte in Jena Freunde aus dem Vaterland und sogar einen Vetter Vitriarius. Also ging ich von Neustädt über Apolda dahin. Ich kehrte sogleich, nachdem ich mich bei dem Invaliden-Major gemel- det, und als beurlaubten Preussischen Soldaten le- gitimirt hatte, im halben Mond ein, meinen hung- grigen Magen auszufüllen. Nach dem Essen ging ich auf den Fürstenkeller, wo ich Studenten anzutreffen dachte. Ich betrog mich auch nicht: denn der Tisch war mit fidelen Mosellanern besetzt. Ich forderte ein Maaß Köstritzer Bier, und setzte mich auf die Seite. Da kam der Perükenmacher Stahlmann und klotzte mich an; hernach der dicke Fleischer Schmidt, der es eben so machte. Sie wiederhol-
vorgeſchlagen; aber die uͤbrige liebe Geiſtlichkeit hat vielleicht die Delikateſſe ihrer orthodoxen Denkungs- art ſo weit getrieben, daß ſie lieber alles aufopfern, als Herdern folgen wollte — ſo folgſam als naͤm- lich die Buchſtaben-Theologen gegen Chriſti Geiſt — den geſunden Menſchenverſtand — ſind, und ſo zaͤrtlich leiſe ſie auf den Wunſch eines vaͤterlichen Lan- desherrn horchen, um durch die Verbreitung beſſerer Einſichten gluͤcklichere Menſchen machen zu helfen. — Und ſo haͤtte auch Weimar ſeine Gelehte mehr fuͤrs Ausland, als fuͤr ſich. —
Ich nahm mir, als ich wieder gehen konnte, vor, nach Jena und von da aus weiter zu reiſen. Ich hatte in Jena Freunde aus dem Vaterland und ſogar einen Vetter Vitriarius. Alſo ging ich von Neuſtaͤdt uͤber Apolda dahin. Ich kehrte ſogleich, nachdem ich mich bei dem Invaliden-Major gemel- det, und als beurlaubten Preuſſiſchen Soldaten le- gitimirt hatte, im halben Mond ein, meinen hung- grigen Magen auszufuͤllen. Nach dem Eſſen ging ich auf den Fuͤrſtenkeller, wo ich Studenten anzutreffen dachte. Ich betrog mich auch nicht: denn der Tiſch war mit fidelen Moſellanern beſetzt. Ich forderte ein Maaß Koͤſtritzer Bier, und ſetzte mich auf die Seite. Da kam der Peruͤkenmacher Stahlmann und klotzte mich an; hernach der dicke Fleiſcher Schmidt, der es eben ſo machte. Sie wiederhol-
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[317[327]/0329]
vorgeſchlagen; aber die uͤbrige liebe Geiſtlichkeit hat
vielleicht die Delikateſſe ihrer orthodoxen Denkungs-
art ſo weit getrieben, daß ſie lieber alles aufopfern,
als Herdern folgen wollte — ſo folgſam als naͤm-
lich die Buchſtaben-Theologen gegen Chriſti Geiſt
— den geſunden Menſchenverſtand — ſind, und ſo
zaͤrtlich leiſe ſie auf den Wunſch eines vaͤterlichen Lan-
desherrn horchen, um durch die Verbreitung beſſerer
Einſichten gluͤcklichere Menſchen machen zu helfen. —
Und ſo haͤtte auch Weimar ſeine Gelehte mehr fuͤrs
Ausland, als fuͤr ſich. —
Ich nahm mir, als ich wieder gehen konnte,
vor, nach Jena und von da aus weiter zu reiſen.
Ich hatte in Jena Freunde aus dem Vaterland und
ſogar einen Vetter Vitriarius. Alſo ging ich
von Neuſtaͤdt uͤber Apolda dahin. Ich kehrte ſogleich,
nachdem ich mich bei dem Invaliden-Major gemel-
det, und als beurlaubten Preuſſiſchen Soldaten le-
gitimirt hatte, im halben Mond ein, meinen hung-
grigen Magen auszufuͤllen. Nach dem Eſſen ging ich
auf den Fuͤrſtenkeller, wo ich Studenten anzutreffen
dachte. Ich betrog mich auch nicht: denn der Tiſch
war mit fidelen Moſellanern beſetzt. Ich forderte
ein Maaß Koͤſtritzer Bier, und ſetzte mich auf die
Seite. Da kam der Peruͤkenmacher Stahlmann
und klotzte mich an; hernach der dicke Fleiſcher
Schmidt, der es eben ſo machte. Sie wiederhol-
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Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 2. Halle, 1792, S. 317[327]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben02_1792/329>, abgerufen am 24.11.2024.
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