Weg zur Trennung. -- Ausserdem bemerkte ich, daß meine Scharmante einen ihrer Vorder-Zähne ver- lohren hatte: und diese Endeckung zog wirklichen Widerwillen von meiner Seite nach sich. Ich hatte sie gewiß der Schönheit wegen nicht für mich be- stimmt: sie war nichts weniger, als schön: jedoch wollte ich auch nicht haben, daß sie häßlicher werden sollte, als sie war: und daher verminderte die bloße Bemerkung eines fehlenden Zahns ihren Werth für mich gar sehr. Das Ding geht, dünkt mich, ganz natürlich zu.
Allein es kam noch mehr, das uns trennen sollte. Ich erfuhr, daß meine Röse vorher mit einem andern Soldaten gut gewesen war, wie man in Halle sagt: ihre eigne Mutter eröffnete mir dieses Geheimniß, setzte aber hinzu, daß sie dem Dinge ein Ende gemacht hätte. Das gefiel mir noch weni- ger, und machte meine Eifersucht, oder vielmehr meinen Stolz gewaltig rege. Sollst du denn, dachte ich, der Nachfolger eines andern dummen Kerls seyn? Dieser Gedanke quälte mich bis zur reifen Ueberlegung. Wäre ich verliebt gewesen, so hätte ich dergleichen vielleicht übersehen, aber so behandelte ich meine Liebschaft nach gewissen Grundsätzen, mit welchen eine frühere durch die Mutter verhinderte Liebschaft schlechterdings nicht übereinkam. Ich untersuchte die Sache genauer, und da erfuhr ich
Weg zur Trennung. — Auſſerdem bemerkte ich, daß meine Scharmante einen ihrer Vorder-Zaͤhne ver- lohren hatte: und dieſe Endeckung zog wirklichen Widerwillen von meiner Seite nach ſich. Ich hatte ſie gewiß der Schoͤnheit wegen nicht fuͤr mich be- ſtimmt: ſie war nichts weniger, als ſchoͤn: jedoch wollte ich auch nicht haben, daß ſie haͤßlicher werden ſollte, als ſie war: und daher verminderte die bloße Bemerkung eines fehlenden Zahns ihren Werth fuͤr mich gar ſehr. Das Ding geht, duͤnkt mich, ganz natuͤrlich zu.
Allein es kam noch mehr, das uns trennen ſollte. Ich erfuhr, daß meine Roͤſe vorher mit einem andern Soldaten gut geweſen war, wie man in Halle ſagt: ihre eigne Mutter eroͤffnete mir dieſes Geheimniß, ſetzte aber hinzu, daß ſie dem Dinge ein Ende gemacht haͤtte. Das gefiel mir noch weni- ger, und machte meine Eiferſucht, oder vielmehr meinen Stolz gewaltig rege. Sollſt du denn, dachte ich, der Nachfolger eines andern dummen Kerls ſeyn? Dieſer Gedanke quaͤlte mich bis zur reifen Ueberlegung. Waͤre ich verliebt geweſen, ſo haͤtte ich dergleichen vielleicht uͤberſehen, aber ſo behandelte ich meine Liebſchaft nach gewiſſen Grundſaͤtzen, mit welchen eine fruͤhere durch die Mutter verhinderte Liebſchaft ſchlechterdings nicht uͤbereinkam. Ich unterſuchte die Sache genauer, und da erfuhr ich
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0368"n="364[366]"/>
Weg zur Trennung. — Auſſerdem bemerkte ich, daß<lb/>
meine Scharmante einen ihrer Vorder-Zaͤhne ver-<lb/>
lohren hatte: und dieſe Endeckung zog wirklichen<lb/>
Widerwillen von meiner Seite nach ſich. Ich hatte<lb/>ſie gewiß der Schoͤnheit wegen nicht fuͤr mich be-<lb/>ſtimmt: ſie war nichts weniger, als ſchoͤn: jedoch<lb/>
wollte ich auch nicht haben, daß ſie haͤßlicher werden<lb/>ſollte, als ſie war: und daher verminderte die bloße<lb/>
Bemerkung eines fehlenden Zahns ihren Werth fuͤr<lb/>
mich gar ſehr. Das Ding geht, duͤnkt mich, ganz<lb/>
natuͤrlich zu.</p><lb/><p>Allein es kam noch mehr, das uns trennen<lb/>ſollte. Ich erfuhr, daß meine Roͤſe vorher mit<lb/>
einem andern Soldaten gut geweſen war, wie man<lb/>
in Halle ſagt: ihre eigne Mutter eroͤffnete mir dieſes<lb/>
Geheimniß, ſetzte aber hinzu, daß ſie dem Dinge<lb/>
ein Ende gemacht haͤtte. Das gefiel mir noch weni-<lb/>
ger, und machte meine Eiferſucht, oder vielmehr<lb/>
meinen Stolz gewaltig rege. Sollſt du denn, dachte<lb/>
ich, der Nachfolger eines andern dummen Kerls<lb/>ſeyn? Dieſer Gedanke quaͤlte mich bis zur reifen<lb/>
Ueberlegung. Waͤre ich verliebt geweſen, ſo haͤtte<lb/>
ich dergleichen vielleicht uͤberſehen, aber ſo behandelte<lb/>
ich meine Liebſchaft nach gewiſſen Grundſaͤtzen, mit<lb/>
welchen eine fruͤhere durch die Mutter verhinderte<lb/>
Liebſchaft ſchlechterdings nicht uͤbereinkam. Ich<lb/>
unterſuchte die Sache genauer, und da erfuhr ich<lb/></p></div></body></text></TEI>
[364[366]/0368]
Weg zur Trennung. — Auſſerdem bemerkte ich, daß
meine Scharmante einen ihrer Vorder-Zaͤhne ver-
lohren hatte: und dieſe Endeckung zog wirklichen
Widerwillen von meiner Seite nach ſich. Ich hatte
ſie gewiß der Schoͤnheit wegen nicht fuͤr mich be-
ſtimmt: ſie war nichts weniger, als ſchoͤn: jedoch
wollte ich auch nicht haben, daß ſie haͤßlicher werden
ſollte, als ſie war: und daher verminderte die bloße
Bemerkung eines fehlenden Zahns ihren Werth fuͤr
mich gar ſehr. Das Ding geht, duͤnkt mich, ganz
natuͤrlich zu.
Allein es kam noch mehr, das uns trennen
ſollte. Ich erfuhr, daß meine Roͤſe vorher mit
einem andern Soldaten gut geweſen war, wie man
in Halle ſagt: ihre eigne Mutter eroͤffnete mir dieſes
Geheimniß, ſetzte aber hinzu, daß ſie dem Dinge
ein Ende gemacht haͤtte. Das gefiel mir noch weni-
ger, und machte meine Eiferſucht, oder vielmehr
meinen Stolz gewaltig rege. Sollſt du denn, dachte
ich, der Nachfolger eines andern dummen Kerls
ſeyn? Dieſer Gedanke quaͤlte mich bis zur reifen
Ueberlegung. Waͤre ich verliebt geweſen, ſo haͤtte
ich dergleichen vielleicht uͤberſehen, aber ſo behandelte
ich meine Liebſchaft nach gewiſſen Grundſaͤtzen, mit
welchen eine fruͤhere durch die Mutter verhinderte
Liebſchaft ſchlechterdings nicht uͤbereinkam. Ich
unterſuchte die Sache genauer, und da erfuhr ich
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 2. Halle, 1792, S. 364[366]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben02_1792/368>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.