Madam Schuwitz!" In allen vornehmen und ge- ringern Gesellschaften wird von Madam Schuwitzn gesprochen, und die Berliner berühmen sich, daß selbst ein gewisser Herzog, welcher während seines ersten Aufenthalts in Berlin beinahe von diesem Freu- denorte nicht weg kam, gestanden habe, er habe so- gar in London keine so gute Wirthschaft von der Art angetroffen. Die Dame soll auch wirklich immer für recht gute Waare sorgen, d. h. für Mädchen von schlankem Wuchs, und einnehmenden Gesichtszügen, welchen hernach die Schminke, dieses große Ingre- dienz aller feilen Mädchen, noch zu Hülfe kommen muß. Wenn nun Madam Schuwiz eine solche Per- son annimmt, so läßt sie selbige einige schöne Stellen aus empfindsamen Romanen, Dichtern und Schau- spielen auswendig lernen x), übt sie im Komplimen- temachen, und im Putzen: und das gefällige Mäd- chen, vulgo Hure, ist fertig. Bei der Madam Linde- mann und einigen andern vornehmen Orten ists bei- nahe eben so, obgleich die Schuwizn allemal das Prä hat, wie man sagt.
x) , Ich habe in Halle ein ganz gemeines Mädchen gekannt, welches blos dadurch, daß sie viel las, und das Gele- sene behielt und bei Gelegenheit wieder hersagen konn- te, einen recht braven Studenten so einnahm, daß er einige Jahre hernach, nachdem er ein Amt bekommen hatte, kam, sie abholte und heurathete. Es ist doch wahrlich eine hübsche Sache ums Bücherlesen!
Madam Schuwitz!“ In allen vornehmen und ge- ringern Geſellſchaften wird von Madam Schuwitzn geſprochen, und die Berliner beruͤhmen ſich, daß ſelbſt ein gewiſſer Herzog, welcher waͤhrend ſeines erſten Aufenthalts in Berlin beinahe von dieſem Freu- denorte nicht weg kam, geſtanden habe, er habe ſo- gar in London keine ſo gute Wirthſchaft von der Art angetroffen. Die Dame ſoll auch wirklich immer fuͤr recht gute Waare ſorgen, d. h. fuͤr Maͤdchen von ſchlankem Wuchs, und einnehmenden Geſichtszuͤgen, welchen hernach die Schminke, dieſes große Ingre- dienz aller feilen Maͤdchen, noch zu Huͤlfe kommen muß. Wenn nun Madam Schuwiz eine ſolche Per- ſon annimmt, ſo laͤßt ſie ſelbige einige ſchoͤne Stellen aus empfindſamen Romanen, Dichtern und Schau- ſpielen auswendig lernen x), uͤbt ſie im Komplimen- temachen, und im Putzen: und das gefaͤllige Maͤd- chen, vulgo Hure, iſt fertig. Bei der Madam Linde- mann und einigen andern vornehmen Orten iſts bei- nahe eben ſo, obgleich die Schuwizn allemal das Praͤ hat, wie man ſagt.
x) , Ich habe in Halle ein ganz gemeines Maͤdchen gekannt, welches blos dadurch, daß ſie viel las, und das Gele- ſene behielt und bei Gelegenheit wieder herſagen konn- te, einen recht braven Studenten ſo einnahm, daß er einige Jahre hernach, nachdem er ein Amt bekommen hatte, kam, ſie abholte und heurathete. Es iſt doch wahrlich eine huͤbſche Sache ums Buͤcherleſen!
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Madam Schuwitz!“ In allen vornehmen und ge-
ringern Geſellſchaften wird von Madam Schuwitzn
geſprochen, und die Berliner beruͤhmen ſich, daß
ſelbſt ein gewiſſer Herzog, welcher waͤhrend ſeines
erſten Aufenthalts in Berlin beinahe von dieſem Freu-
denorte nicht weg kam, geſtanden habe, er habe ſo-
gar in London keine ſo gute Wirthſchaft von der Art
angetroffen. Die Dame ſoll auch wirklich immer fuͤr
recht gute Waare ſorgen, d. h. fuͤr Maͤdchen von
ſchlankem Wuchs, und einnehmenden Geſichtszuͤgen,
welchen hernach die Schminke, dieſes große Ingre-
dienz aller feilen Maͤdchen, noch zu Huͤlfe kommen
muß. Wenn nun Madam Schuwiz eine ſolche Per-
ſon annimmt, ſo laͤßt ſie ſelbige einige ſchoͤne Stellen
aus empfindſamen Romanen, Dichtern und Schau-
ſpielen auswendig lernen x), uͤbt ſie im Komplimen-
temachen, und im Putzen: und das gefaͤllige Maͤd-
chen, vulgo Hure, iſt fertig. Bei der Madam Linde-
mann und einigen andern vornehmen Orten iſts bei-
nahe eben ſo, obgleich die Schuwizn allemal das Praͤ
hat, wie man ſagt.
x) , Ich habe in Halle ein ganz gemeines Maͤdchen gekannt,
welches blos dadurch, daß ſie viel las, und das Gele-
ſene behielt und bei Gelegenheit wieder herſagen konn-
te, einen recht braven Studenten ſo einnahm, daß er
einige Jahre hernach, nachdem er ein Amt bekommen
hatte, kam, ſie abholte und heurathete. Es iſt doch
wahrlich eine huͤbſche Sache ums Buͤcherleſen!
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Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 2. Halle, 1792, S. 415[417]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben02_1792/419>, abgerufen am 21.11.2024.
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