Neue Bücher sind bei ihnen Contrebande, und dies soll es machen, daß von den Messen so wenig Bücher nach Schlesien abgehen, und die noch dahin abge- hen, meist an Adliche und dergleichen verkauft wer- den. Da nun die Herren auch größtentheils mit Wissenschaften übel, mit Heften aber reichlich ver- sehen, die Universität verlassen -- man muß näm- lich wissen, daß unter allen Landmannschaften in Halle keine das Heftesudeln mehr liebt, als die Schle- sische -- so bleiben sie, im Ganzen genommen, auch meist Ignoranten ihr Lebelang. Daß die Herren bei diesen Qualitäten sehr orthodox sind, und dadurch der Tirannei des Adels Vorschub thun, zeigt die Natur der Sache. Sie verfolgen zwar nicht öffent- lich: aber durch hämische Ränke, die den Pfaffen al- ler Völker und aller Sekten so gewaltig eigen sind, suchen sie doch denen zu schaden, die hier und da vom System abweichen, oder gar sich beigehen las- sen, an der Heiligkeit und den Vorrechten der Pfaf- ferei und des Adels zu zweifeln. Ein liberaldenken- der Kandidat kömmt in Schlesien an sich schon nicht fort, nicht einmal als Informator bei einem Edel- mann. Wenn dieser eines solchen Hausmöbels be- darf und sich jemand dazu anträgt, so ist allemal die erste Frage: Ob der Herr Gevatter den alten oder den neuen Glauben habe? Stuzt der Herr und weiß er nicht, was diese Frage bedeute, so geht man
Neue Buͤcher ſind bei ihnen Contrebande, und dies ſoll es machen, daß von den Meſſen ſo wenig Buͤcher nach Schleſien abgehen, und die noch dahin abge- hen, meiſt an Adliche und dergleichen verkauft wer- den. Da nun die Herren auch groͤßtentheils mit Wiſſenſchaften uͤbel, mit Heften aber reichlich ver- ſehen, die Univerſitaͤt verlaſſen — man muß naͤm- lich wiſſen, daß unter allen Landmannſchaften in Halle keine das Hefteſudeln mehr liebt, als die Schle- ſiſche — ſo bleiben ſie, im Ganzen genommen, auch meiſt Ignoranten ihr Lebelang. Daß die Herren bei dieſen Qualitaͤten ſehr orthodox ſind, und dadurch der Tirannei des Adels Vorſchub thun, zeigt die Natur der Sache. Sie verfolgen zwar nicht oͤffent- lich: aber durch haͤmiſche Raͤnke, die den Pfaffen al- ler Voͤlker und aller Sekten ſo gewaltig eigen ſind, ſuchen ſie doch denen zu ſchaden, die hier und da vom Syſtem abweichen, oder gar ſich beigehen laſ- ſen, an der Heiligkeit und den Vorrechten der Pfaf- ferei und des Adels zu zweifeln. Ein liberaldenken- der Kandidat koͤmmt in Schleſien an ſich ſchon nicht fort, nicht einmal als Informator bei einem Edel- mann. Wenn dieſer eines ſolchen Hausmoͤbels be- darf und ſich jemand dazu antraͤgt, ſo iſt allemal die erſte Frage: Ob der Herr Gevatter den alten oder den neuen Glauben habe? Stuzt der Herr und weiß er nicht, was dieſe Frage bedeute, ſo geht man
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Neue Buͤcher ſind bei ihnen Contrebande, und dies
ſoll es machen, daß von den Meſſen ſo wenig Buͤcher
nach Schleſien abgehen, und die noch dahin abge-
hen, meiſt an Adliche und dergleichen verkauft wer-
den. Da nun die Herren auch groͤßtentheils mit
Wiſſenſchaften uͤbel, mit Heften aber reichlich ver-
ſehen, die Univerſitaͤt verlaſſen — man muß naͤm-
lich wiſſen, daß unter allen Landmannſchaften in
Halle keine das Hefteſudeln mehr liebt, als die Schle-
ſiſche — ſo bleiben ſie, im Ganzen genommen, auch
meiſt Ignoranten ihr Lebelang. Daß die Herren bei
dieſen Qualitaͤten ſehr orthodox ſind, und dadurch
der Tirannei des Adels Vorſchub thun, zeigt die
Natur der Sache. Sie verfolgen zwar nicht oͤffent-
lich: aber durch haͤmiſche Raͤnke, die den Pfaffen al-
ler Voͤlker und aller Sekten ſo gewaltig eigen ſind,
ſuchen ſie doch denen zu ſchaden, die hier und da
vom Syſtem abweichen, oder gar ſich beigehen laſ-
ſen, an der Heiligkeit und den Vorrechten der Pfaf-
ferei und des Adels zu zweifeln. Ein liberaldenken-
der Kandidat koͤmmt in Schleſien an ſich ſchon nicht
fort, nicht einmal als Informator bei einem Edel-
mann. Wenn dieſer eines ſolchen Hausmoͤbels be-
darf und ſich jemand dazu antraͤgt, ſo iſt allemal die
erſte Frage: Ob der Herr Gevatter den alten oder
den neuen Glauben habe? Stuzt der Herr und
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Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 2. Halle, 1792, S. 447[449]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben02_1792/451>, abgerufen am 21.11.2024.
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