kommen muß, den Muth zu lähmen, und ihn, wenn auch nicht zur Verzweiflung, doch zum Ver- zagen und Erblassen zu stimmen, zumal im Ange- sichte einer tosenden feindlichen Kanonade. Unsere Leute waren ja meistens schon krank; alle waren ermattet und bis auf die Haut durchnässet; der größte Theil hatte seit dem Mittage des vorigen Tages nichts gegessen; weit über die Hälfte -- denn aus dem siebenjährigen Kriege zählen wir nicht viel brauchbare Soldaten mehr -- trat hier zum ersten Male vor feindliche Kanonen: ist es nun überhaupt glaublich, daß solche Leute unter solchen Umständen sich des nahen Feindes freuen, mit fro- hem Muthe gegen ihn avanciren, und über ein kommandirtes Halt murren werden? Das wird sich schwerlich jemand einbilden, der da weiß, wel- chen Eindruck neue und große Gefahren auf unge- wohnte und sonst schon leidende Gemüther machen. -- Auf dem Anmarsche gegen den Feind wurden erst die Gewehre geladen, welche vorher immer ku- gelleer geblieben waren: und während dieses La- dens konnte man die Todtenblässe auf den meisten Gesichtern nicht der Soldaten allein, sondern auch der Offiziere, deutlich bemerken. Die Aengstlich- keit gieng so weit, daß, wer Spielkarten bey sich hatte, sie wegwarf, aus Furcht, der liebe Gott mögte nun ihn strafen wegen eines so gottlosen Ge-
kommen muß, den Muth zu laͤhmen, und ihn, wenn auch nicht zur Verzweiflung, doch zum Ver- zagen und Erblaſſen zu ſtimmen, zumal im Ange- ſichte einer toſenden feindlichen Kanonade. Unſere Leute waren ja meiſtens ſchon krank; alle waren ermattet und bis auf die Haut durchnaͤſſet; der groͤßte Theil hatte ſeit dem Mittage des vorigen Tages nichts gegeſſen; weit uͤber die Haͤlfte — denn aus dem ſiebenjaͤhrigen Kriege zaͤhlen wir nicht viel brauchbare Soldaten mehr — trat hier zum erſten Male vor feindliche Kanonen: iſt es nun uͤberhaupt glaublich, daß ſolche Leute unter ſolchen Umſtaͤnden ſich des nahen Feindes freuen, mit fro- hem Muthe gegen ihn avanciren, und uͤber ein kommandirtes Halt murren werden? Das wird ſich ſchwerlich jemand einbilden, der da weiß, wel- chen Eindruck neue und große Gefahren auf unge- wohnte und ſonſt ſchon leidende Gemuͤther machen. — Auf dem Anmarſche gegen den Feind wurden erſt die Gewehre geladen, welche vorher immer ku- gelleer geblieben waren: und waͤhrend dieſes La- dens konnte man die Todtenblaͤſſe auf den meiſten Geſichtern nicht der Soldaten allein, ſondern auch der Offiziere, deutlich bemerken. Die Aengſtlich- keit gieng ſo weit, daß, wer Spielkarten bey ſich hatte, ſie wegwarf, aus Furcht, der liebe Gott moͤgte nun ihn ſtrafen wegen eines ſo gottloſen Ge-
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0169"n="157"/>
kommen muß, den Muth zu laͤhmen, und ihn,<lb/>
wenn auch nicht zur Verzweiflung, doch zum Ver-<lb/>
zagen und Erblaſſen zu ſtimmen, zumal im Ange-<lb/>ſichte einer toſenden feindlichen Kanonade. Unſere<lb/>
Leute waren ja meiſtens ſchon krank; alle waren<lb/>
ermattet und bis auf die Haut durchnaͤſſet; der<lb/>
groͤßte Theil hatte ſeit dem Mittage des vorigen<lb/>
Tages nichts gegeſſen; weit uͤber die Haͤlfte —<lb/>
denn aus dem ſiebenjaͤhrigen Kriege zaͤhlen wir nicht<lb/>
viel brauchbare Soldaten mehr — trat hier zum<lb/>
erſten Male vor feindliche Kanonen: iſt es nun<lb/>
uͤberhaupt glaublich, daß ſolche Leute unter ſolchen<lb/>
Umſtaͤnden ſich des nahen Feindes freuen, mit fro-<lb/>
hem Muthe gegen ihn avanciren, und uͤber ein<lb/>
kommandirtes <hirendition="#g">Halt</hi> murren werden? Das wird<lb/>ſich ſchwerlich jemand einbilden, der da weiß, wel-<lb/>
chen Eindruck neue und große Gefahren auf unge-<lb/>
wohnte und ſonſt ſchon leidende Gemuͤther machen.<lb/>— Auf dem Anmarſche gegen den Feind wurden<lb/>
erſt die Gewehre geladen, welche vorher immer ku-<lb/>
gelleer geblieben waren: und waͤhrend dieſes La-<lb/>
dens konnte man die Todtenblaͤſſe auf den meiſten<lb/>
Geſichtern nicht der Soldaten allein, ſondern auch<lb/>
der Offiziere, deutlich bemerken. Die Aengſtlich-<lb/>
keit gieng ſo weit, daß, wer Spielkarten bey ſich<lb/>
hatte, ſie wegwarf, aus Furcht, der liebe Gott<lb/>
moͤgte nun ihn ſtrafen wegen eines ſo gottloſen Ge-<lb/></p></div></body></text></TEI>
[157/0169]
kommen muß, den Muth zu laͤhmen, und ihn,
wenn auch nicht zur Verzweiflung, doch zum Ver-
zagen und Erblaſſen zu ſtimmen, zumal im Ange-
ſichte einer toſenden feindlichen Kanonade. Unſere
Leute waren ja meiſtens ſchon krank; alle waren
ermattet und bis auf die Haut durchnaͤſſet; der
groͤßte Theil hatte ſeit dem Mittage des vorigen
Tages nichts gegeſſen; weit uͤber die Haͤlfte —
denn aus dem ſiebenjaͤhrigen Kriege zaͤhlen wir nicht
viel brauchbare Soldaten mehr — trat hier zum
erſten Male vor feindliche Kanonen: iſt es nun
uͤberhaupt glaublich, daß ſolche Leute unter ſolchen
Umſtaͤnden ſich des nahen Feindes freuen, mit fro-
hem Muthe gegen ihn avanciren, und uͤber ein
kommandirtes Halt murren werden? Das wird
ſich ſchwerlich jemand einbilden, der da weiß, wel-
chen Eindruck neue und große Gefahren auf unge-
wohnte und ſonſt ſchon leidende Gemuͤther machen.
— Auf dem Anmarſche gegen den Feind wurden
erſt die Gewehre geladen, welche vorher immer ku-
gelleer geblieben waren: und waͤhrend dieſes La-
dens konnte man die Todtenblaͤſſe auf den meiſten
Geſichtern nicht der Soldaten allein, ſondern auch
der Offiziere, deutlich bemerken. Die Aengſtlich-
keit gieng ſo weit, daß, wer Spielkarten bey ſich
hatte, ſie wegwarf, aus Furcht, der liebe Gott
moͤgte nun ihn ſtrafen wegen eines ſo gottloſen Ge-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 3. Leipzig, 1796, S. 157. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben03_1796/169>, abgerufen am 25.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.