zösischen Nationalkarakter danach zu schildern, daran thut er wirklich zuviel. Ich muß mich näher er- klären.
Die Preußen hatten bey ihrem Aufenthalte in Verdun zwar keine groben Exzesse in der Stadt verübt, aber auf dem Lande, in den Weinbergen, Gärten und Feldern hatten sie sich etwas sehr un- säuberlich benommen, und hier und da recht deutliche Spuren ihrer Beutemacherey hinter- lassen. Dieses und dann auch das, was in der Stadt schon vorgieng, machte die Preußen eben nicht sehr beliebt. Es ist auch überhaupt der Na- tur der Sache gemäß, daß man den Feind unsers Volkes nicht liebt, zumal wenn er allerley unter- nimmt, woraus man sehen kann, daß er unberufen den Herrn spielen und Gesetze geben will. Ver- dun war ganz passiv gewesen vor der Ankunft der Preußen. Das System des Mirabeau hatte ruhigen Eingang gefunden, und man hatte gar nicht nöthig gehabt, jemanden pour la loi, wie man sagte, einzustecken, oder gar hinzurichten, wie in Metz und an andern Orten. Nachdem aber der König von Preußen Verdun weg hatte, so zerstörte er zwar die Einrichtung nicht völlig, aber er gab doch so viel Befehle aus eigner Macht, daß man wohl sahe, er wolle einstweilen Ludwigs XVI. Stelle einnehmen. Es war vieles vorgefallen, womit die Bürgerschaft
zoͤſiſchen Nationalkarakter danach zu ſchildern, daran thut er wirklich zuviel. Ich muß mich naͤher er- klaͤren.
Die Preußen hatten bey ihrem Aufenthalte in Verdun zwar keine groben Exzeſſe in der Stadt veruͤbt, aber auf dem Lande, in den Weinbergen, Gaͤrten und Feldern hatten ſie ſich etwas ſehr un- ſaͤuberlich benommen, und hier und da recht deutliche Spuren ihrer Beutemacherey hinter- laſſen. Dieſes und dann auch das, was in der Stadt ſchon vorgieng, machte die Preußen eben nicht ſehr beliebt. Es iſt auch uͤberhaupt der Na- tur der Sache gemaͤß, daß man den Feind unſers Volkes nicht liebt, zumal wenn er allerley unter- nimmt, woraus man ſehen kann, daß er unberufen den Herrn ſpielen und Geſetze geben will. Ver- dun war ganz paſſiv geweſen vor der Ankunft der Preußen. Das Syſtem des Mirabeau hatte ruhigen Eingang gefunden, und man hatte gar nicht noͤthig gehabt, jemanden pour la loi, wie man ſagte, einzuſtecken, oder gar hinzurichten, wie in Metz und an andern Orten. Nachdem aber der Koͤnig von Preußen Verdun weg hatte, ſo zerſtoͤrte er zwar die Einrichtung nicht voͤllig, aber er gab doch ſo viel Befehle aus eigner Macht, daß man wohl ſahe, er wolle einſtweilen Ludwigs XVI. Stelle einnehmen. Es war vieles vorgefallen, womit die Buͤrgerſchaft
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0238"n="226"/>
zoͤſiſchen Nationalkarakter danach zu ſchildern, daran<lb/>
thut er wirklich zuviel. Ich muß mich naͤher er-<lb/>
klaͤren.</p><lb/><p>Die Preußen hatten bey ihrem Aufenthalte in<lb/>
Verdun zwar keine groben Exzeſſe <hirendition="#g">in der Stadt</hi><lb/>
veruͤbt, aber auf dem Lande, in den Weinbergen,<lb/>
Gaͤrten und Feldern hatten ſie ſich etwas ſehr un-<lb/>ſaͤuberlich benommen, und hier und da recht<lb/>
deutliche Spuren ihrer Beutemacherey hinter-<lb/>
laſſen. Dieſes und dann auch das, was in der<lb/>
Stadt ſchon vorgieng, machte die Preußen eben<lb/>
nicht ſehr beliebt. Es iſt auch uͤberhaupt der Na-<lb/>
tur der Sache gemaͤß, daß man den Feind unſers<lb/>
Volkes nicht liebt, zumal wenn er allerley unter-<lb/>
nimmt, woraus man ſehen kann, daß er unberufen<lb/>
den Herrn ſpielen und Geſetze geben will. Ver-<lb/>
dun war ganz paſſiv geweſen vor der Ankunft der<lb/>
Preußen. Das Syſtem des <hirendition="#g">Mirabeau</hi> hatte<lb/>
ruhigen Eingang gefunden, und man hatte gar<lb/>
nicht noͤthig gehabt, jemanden <hirendition="#aq">pour la loi,</hi> wie man<lb/>ſagte, einzuſtecken, oder gar hinzurichten, wie in<lb/>
Metz und an andern Orten. Nachdem aber der Koͤnig<lb/>
von Preußen Verdun weg hatte, ſo zerſtoͤrte er zwar<lb/>
die Einrichtung nicht voͤllig, aber er gab doch ſo viel<lb/>
Befehle aus eigner Macht, daß man wohl ſahe, er<lb/>
wolle einſtweilen Ludwigs <hirendition="#aq">XVI.</hi> Stelle einnehmen.<lb/>
Es war vieles vorgefallen, womit die Buͤrgerſchaft<lb/></p></div></body></text></TEI>
[226/0238]
zoͤſiſchen Nationalkarakter danach zu ſchildern, daran
thut er wirklich zuviel. Ich muß mich naͤher er-
klaͤren.
Die Preußen hatten bey ihrem Aufenthalte in
Verdun zwar keine groben Exzeſſe in der Stadt
veruͤbt, aber auf dem Lande, in den Weinbergen,
Gaͤrten und Feldern hatten ſie ſich etwas ſehr un-
ſaͤuberlich benommen, und hier und da recht
deutliche Spuren ihrer Beutemacherey hinter-
laſſen. Dieſes und dann auch das, was in der
Stadt ſchon vorgieng, machte die Preußen eben
nicht ſehr beliebt. Es iſt auch uͤberhaupt der Na-
tur der Sache gemaͤß, daß man den Feind unſers
Volkes nicht liebt, zumal wenn er allerley unter-
nimmt, woraus man ſehen kann, daß er unberufen
den Herrn ſpielen und Geſetze geben will. Ver-
dun war ganz paſſiv geweſen vor der Ankunft der
Preußen. Das Syſtem des Mirabeau hatte
ruhigen Eingang gefunden, und man hatte gar
nicht noͤthig gehabt, jemanden pour la loi, wie man
ſagte, einzuſtecken, oder gar hinzurichten, wie in
Metz und an andern Orten. Nachdem aber der Koͤnig
von Preußen Verdun weg hatte, ſo zerſtoͤrte er zwar
die Einrichtung nicht voͤllig, aber er gab doch ſo viel
Befehle aus eigner Macht, daß man wohl ſahe, er
wolle einſtweilen Ludwigs XVI. Stelle einnehmen.
Es war vieles vorgefallen, womit die Buͤrgerſchaft
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 3. Leipzig, 1796, S. 226. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben03_1796/238>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.