Herr Müller mag mir diese Kritik nicht übel nehmen! Ich verehre seine Kenntnisse, und schätze sein Herz; aber eben diesen Kenntnissen und diesem guten Herzen hätte er die Schande nicht zufügen müssen, eine Relation auszustellen, die nichts we- niger als wahr war, und die ihn bey jedem Besser- unterrichteten damals sehr zweydeutig erscheinen ließ. Es hätte ihn doch befremden müssen, daß man ihm zumuthete, als Professor der Arzneykunde ein Zeugniß über eine Anstalt auszustellen, die er schon tadeln mußte als Mann mit nur gesunden Augen! Und doch lobte er sie als Professor der Me- dicin, folglich als Mann in seinem Fache; kom- promittirte sich aber dadurch nicht wenig, und schadete mehr als tausend und übertausend Unglück- lichen.
Dieses wird Hr. Müller jezt vielleicht selbst einsehen. Denn wenn zum Beyspiel der König durch einen Zufall, der freilich selten, aber doch nicht ganz unmöglich gewesen seyn mag, von der heillosen Zucht in den Lazarethen gehört hätte, so hätte es ja geschehen können, daß er gewisse Leute zur Verantwortung ziehen ließ. Diese gewissen Leute konnten aber das Testimonium eines Hn. Müllers, Professors der Medicin zu Gießen, vorzeigen; der Monarch konnte dem Relator glau- ben und so war ein Hauptweg, dem Unwesen zu
Herr Muͤller mag mir dieſe Kritik nicht uͤbel nehmen! Ich verehre ſeine Kenntniſſe, und ſchaͤtze ſein Herz; aber eben dieſen Kenntniſſen und dieſem guten Herzen haͤtte er die Schande nicht zufuͤgen muͤſſen, eine Relation auszuſtellen, die nichts we- niger als wahr war, und die ihn bey jedem Beſſer- unterrichteten damals ſehr zweydeutig erſcheinen ließ. Es haͤtte ihn doch befremden muͤſſen, daß man ihm zumuthete, als Profeſſor der Arzneykunde ein Zeugniß uͤber eine Anſtalt auszuſtellen, die er ſchon tadeln mußte als Mann mit nur geſunden Augen! Und doch lobte er ſie als Profeſſor der Me- dicin, folglich als Mann in ſeinem Fache; kom- promittirte ſich aber dadurch nicht wenig, und ſchadete mehr als tauſend und uͤbertauſend Ungluͤck- lichen.
Dieſes wird Hr. Muͤller jezt vielleicht ſelbſt einſehen. Denn wenn zum Beyſpiel der Koͤnig durch einen Zufall, der freilich ſelten, aber doch nicht ganz unmoͤglich geweſen ſeyn mag, von der heilloſen Zucht in den Lazarethen gehoͤrt haͤtte, ſo haͤtte es ja geſchehen koͤnnen, daß er gewiſſe Leute zur Verantwortung ziehen ließ. Dieſe gewiſſen Leute konnten aber das Teſtimonium eines Hn. Muͤllers, Profeſſors der Medicin zu Gießen, vorzeigen; der Monarch konnte dem Relator glau- ben und ſo war ein Hauptweg, dem Unweſen zu
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Herr Muͤller mag mir dieſe Kritik nicht uͤbel
nehmen! Ich verehre ſeine Kenntniſſe, und ſchaͤtze
ſein Herz; aber eben dieſen Kenntniſſen und dieſem
guten Herzen haͤtte er die Schande nicht zufuͤgen
muͤſſen, eine Relation auszuſtellen, die nichts we-
niger als wahr war, und die ihn bey jedem Beſſer-
unterrichteten damals ſehr zweydeutig erſcheinen
ließ. Es haͤtte ihn doch befremden muͤſſen, daß
man ihm zumuthete, als Profeſſor der Arzneykunde
ein Zeugniß uͤber eine Anſtalt auszuſtellen, die er
ſchon tadeln mußte als Mann mit nur geſunden
Augen! Und doch lobte er ſie als Profeſſor der Me-
dicin, folglich als Mann in ſeinem Fache; kom-
promittirte ſich aber dadurch nicht wenig, und
ſchadete mehr als tauſend und uͤbertauſend Ungluͤck-
lichen.
Dieſes wird Hr. Muͤller jezt vielleicht ſelbſt
einſehen. Denn wenn zum Beyſpiel der Koͤnig
durch einen Zufall, der freilich ſelten, aber doch
nicht ganz unmoͤglich geweſen ſeyn mag, von der
heilloſen Zucht in den Lazarethen gehoͤrt haͤtte, ſo
haͤtte es ja geſchehen koͤnnen, daß er gewiſſe Leute
zur Verantwortung ziehen ließ. Dieſe gewiſſen
Leute konnten aber das Teſtimonium eines Hn.
Muͤllers, Profeſſors der Medicin zu Gießen,
vorzeigen; der Monarch konnte dem Relator glau-
ben und ſo war ein Hauptweg, dem Unweſen zu
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Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 3. Leipzig, 1796, S. 261. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben03_1796/273>, abgerufen am 21.11.2024.
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