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Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 3. Leipzig, 1796.

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guter Herkunft, bekannt und beliebt gemacht. Die
Vertraulichkeit gieng so weit, daß das Mädchen
endlich schwanger ward. Der Emigrant -- ein
französischer Graf -- war unterdessen mit seinen
Spießgesellen mit nach Champagne gezogen; und
so war die Gute der Schande und der Verzweif-
lung überlassen. Schon vor uns war er aber mit
den übrigen Emigrirten nach Koblenz zurückgekom-
men, wo er wahrscheinlich auch hübsche Bekannt-
schaften mag gehabt haben. Als das Mädchen
seine Rückkehr dahin erfuhr, machte sie sich auf,
und erinnerte ihn an sein Versprechen, sie zu heu-
rathen. Aber der Niederträchtige hatte dazu jezt
keine Ohren, jagte sie fort, und verfolgte sie noch
mit Schimpfreden. Die Unglückliche getraute sich
nun ihren Eltern und Bekannten nicht mehr unter
die Augen zu kommen, und begab sich nach An-
dernach zu ihrer Mutter Schwester. Diese nahm
sie aber nicht auf, sondern drohete ihr noch oben-
drein, sie einstecken zu lassen, wenn sie sich unter-
stehen würde, noch eine Stunde in Andernach zu
bleiben: sie sey eine Vettel, welche die Familie
beschimpfe u. s. w. Nun gerieth das arme Mäd-
chen in Verzweiflung, und ersäufte sich im Rhein.
Man fand ihren Körper einige Tage hernach weit
unter Andernach: sie war seit sechs Monaten
schwanger. -- Diese und ähnliche Begebenheiten

guter Herkunft, bekannt und beliebt gemacht. Die
Vertraulichkeit gieng ſo weit, daß das Maͤdchen
endlich ſchwanger ward. Der Emigrant — ein
franzoͤſiſcher Graf — war unterdeſſen mit ſeinen
Spießgeſellen mit nach Champagne gezogen; und
ſo war die Gute der Schande und der Verzweif-
lung uͤberlaſſen. Schon vor uns war er aber mit
den uͤbrigen Emigrirten nach Koblenz zuruͤckgekom-
men, wo er wahrſcheinlich auch huͤbſche Bekannt-
ſchaften mag gehabt haben. Als das Maͤdchen
ſeine Ruͤckkehr dahin erfuhr, machte ſie ſich auf,
und erinnerte ihn an ſein Verſprechen, ſie zu heu-
rathen. Aber der Niedertraͤchtige hatte dazu jezt
keine Ohren, jagte ſie fort, und verfolgte ſie noch
mit Schimpfreden. Die Ungluͤckliche getraute ſich
nun ihren Eltern und Bekannten nicht mehr unter
die Augen zu kommen, und begab ſich nach An-
dernach zu ihrer Mutter Schweſter. Dieſe nahm
ſie aber nicht auf, ſondern drohete ihr noch oben-
drein, ſie einſtecken zu laſſen, wenn ſie ſich unter-
ſtehen wuͤrde, noch eine Stunde in Andernach zu
bleiben: ſie ſey eine Vettel, welche die Familie
beſchimpfe u. ſ. w. Nun gerieth das arme Maͤd-
chen in Verzweiflung, und erſaͤufte ſich im Rhein.
Man fand ihren Koͤrper einige Tage hernach weit
unter Andernach: ſie war ſeit ſechs Monaten
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[271/0283] guter Herkunft, bekannt und beliebt gemacht. Die Vertraulichkeit gieng ſo weit, daß das Maͤdchen endlich ſchwanger ward. Der Emigrant — ein franzoͤſiſcher Graf — war unterdeſſen mit ſeinen Spießgeſellen mit nach Champagne gezogen; und ſo war die Gute der Schande und der Verzweif- lung uͤberlaſſen. Schon vor uns war er aber mit den uͤbrigen Emigrirten nach Koblenz zuruͤckgekom- men, wo er wahrſcheinlich auch huͤbſche Bekannt- ſchaften mag gehabt haben. Als das Maͤdchen ſeine Ruͤckkehr dahin erfuhr, machte ſie ſich auf, und erinnerte ihn an ſein Verſprechen, ſie zu heu- rathen. Aber der Niedertraͤchtige hatte dazu jezt keine Ohren, jagte ſie fort, und verfolgte ſie noch mit Schimpfreden. Die Ungluͤckliche getraute ſich nun ihren Eltern und Bekannten nicht mehr unter die Augen zu kommen, und begab ſich nach An- dernach zu ihrer Mutter Schweſter. Dieſe nahm ſie aber nicht auf, ſondern drohete ihr noch oben- drein, ſie einſtecken zu laſſen, wenn ſie ſich unter- ſtehen wuͤrde, noch eine Stunde in Andernach zu bleiben: ſie ſey eine Vettel, welche die Familie beſchimpfe u. ſ. w. Nun gerieth das arme Maͤd- chen in Verzweiflung, und erſaͤufte ſich im Rhein. Man fand ihren Koͤrper einige Tage hernach weit unter Andernach: ſie war ſeit ſechs Monaten ſchwanger. — Dieſe und aͤhnliche Begebenheiten

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Zitationshilfe: Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 3. Leipzig, 1796, S. 271. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben03_1796/283>, abgerufen am 22.11.2024.