Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 4,1. Leipzig, 1797.Dieses vernünftige Dekret machte, daß die *) Gregoire sagte in seiner Rede über die Freyheit der
Gottesdienste: "Ein Jahrhundert lang waren die Protestan- ten der Gegenstand der grausamsten Verfolgung: man jagte sie, man kerkerte sie ein, man hing ihre Pfarrer, schloß ihre Tempel, und behandelte ihre Versammlung als etwas Auf- rührerisches. Als ihnen nach einem qualvollen Jahrhunderte erlaubt ward, wieder frey zu athmen, kamen auf einmal drey Millionen Protestanten in Frankreich zum Vorschein." -- Das Aehnliche prophezeihet er nach der jetzi- gen Revolution. "Wer wollte glauben, fügt er hinzu, eini- ge Jahre von Geplärr und Gewaltthätigkeit hätten die Masse der Bürger umgeschaffen? Nein, glaubt es nicht: die Ver- folgung ist wider ihre Meynungen gerannt, aber sie hat weder ihren Verstand überzeugt, noch ihre Herzen überredet. Bey der Unmöglichkeit, die Religionsgrundsätze zu vertilgen, oder die Bürger schnell in Einen Glauben zu vereinigen, was liegt uns zu thun ob? -- Alle Religionen an die Re- publik zu schließen durch Zusicherung einer gänzlichen und un- umschränkten Freyheit der Gottesdienste." -- Die Zeit muß es ausweisen, ob Gregoire nicht irrte, als er die jetzigen Umstände durchaus parallel mit den vormaligen voraus- sezte, und nun folgerte, wie wir wissen. Wenigstens hat der Konvent, wie wir bald sehen werden, auf seine Rede wenig Rücksicht genommen. Gregoire war vorzeiten selbst Prie- ster: und daher mogte es wohl kommen, daß man das Bün- dige in seiner Rede für eine angewöhnte Fertigkeit hielt, sich mit gewissen Grundideen, auf dem theologischen Kampfplatze, geschickt herumzutummeln. Selbst Rousseaus Emis hat noch Manches von dem einnehmenden Schimmer dieser Fer- tigkeit. Dieſes vernuͤnftige Dekret machte, daß die *) Gregoire ſagte in ſeiner Rede über die Freyheit der
Gottesdienſte: „Ein Jahrhundert lang waren die Proteſtan- ten der Gegenſtand der grauſamſten Verfolgung: man jagte ſie, man kerkerte ſie ein, man hing ihre Pfarrer, ſchloß ihre Tempel, und behandelte ihre Verſammlung als etwas Auf- rühreriſches. Als ihnen nach einem qualvollen Jahrhunderte erlaubt ward, wieder frey zu athmen, kamen auf einmal drey Millionen Proteſtanten in Frankreich zum Vorſchein.“ — Das Aehnliche prophezeihet er nach der jetzi- gen Revolution. „Wer wollte glauben, fügt er hinzu, eini- ge Jahre von Geplärr und Gewaltthätigkeit hätten die Maſſe der Bürger umgeſchaffen? Nein, glaubt es nicht: die Ver- folgung iſt wider ihre Meynungen gerannt, aber ſie hat weder ihren Verſtand überzeugt, noch ihre Herzen überredet. Bey der Unmöglichkeit, die Religionsgrundſätze zu vertilgen, oder die Bürger ſchnell in Einen Glauben zu vereinigen, was liegt uns zu thun ob? — Alle Religionen an die Re- publik zu ſchließen durch Zuſicherung einer gänzlichen und un- umſchränkten Freyheit der Gottesdienſte.“ — Die Zeit muß es ausweiſen, ob Gregoire nicht irrte, als er die jetzigen Umſtände durchaus parallel mit den vormaligen voraus- ſezte, und nun folgerte, wie wir wiſſen. Wenigſtens hat der Konvent, wie wir bald ſehen werden, auf ſeine Rede wenig Rückſicht genommen. Gregoire war vorzeiten ſelbſt Prie- ſter: und daher mogte es wohl kommen, daß man das Bün- dige in ſeiner Rede für eine angewöhnte Fertigkeit hielt, ſich mit gewiſſen Grundideen, auf dem theologiſchen Kampfplatze, geſchickt herumzutummeln. Selbſt Rouſſeaus Emis hat noch Manches von dem einnehmenden Schimmer dieſer Fer- tigkeit. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0244" n="240"/> <p>Dieſes vernuͤnftige Dekret machte, daß die<lb/> noch haͤufig in Frankreich heimlich exiſtirenden<lb/> Reformirten, beſonders in Langnedoc, in dem<lb/> Delphinat, in der Provence, in Burgund u. ſ. w.<lb/> welche bisher zum Theil den katholiſchen Gottes-<lb/> dienſt aus Furcht und Zwang mitgemacht hatten,<lb/> ſich ſofort fuͤr unkatholiſch erklaͤrten. <note place="foot" n="*)"><hi rendition="#g">Gregoire</hi> ſagte in ſeiner Rede über die Freyheit der<lb/> Gottesdienſte: „Ein Jahrhundert lang waren die Proteſtan-<lb/> ten der Gegenſtand der grauſamſten Verfolgung: man jagte<lb/> ſie, man kerkerte ſie ein, man hing ihre Pfarrer, ſchloß ihre<lb/> Tempel, und behandelte ihre Verſammlung als etwas Auf-<lb/> rühreriſches. Als ihnen nach einem qualvollen Jahrhunderte<lb/> erlaubt ward, wieder frey zu athmen, kamen auf einmal<lb/><hi rendition="#g">drey Millionen Proteſtanten</hi> in Frankreich zum<lb/> Vorſchein.“ — Das Aehnliche prophezeihet er nach der jetzi-<lb/> gen Revolution. „Wer wollte glauben, fügt er hinzu, eini-<lb/> ge Jahre von Geplärr und Gewaltthätigkeit hätten die Maſſe<lb/> der Bürger umgeſchaffen? Nein, glaubt es nicht: die Ver-<lb/> folgung iſt wider ihre Meynungen gerannt, aber ſie hat<lb/> weder ihren Verſtand überzeugt, noch ihre Herzen überredet.<lb/> Bey der Unmöglichkeit, die Religionsgrundſätze zu vertilgen,<lb/> oder die Bürger ſchnell in <hi rendition="#g">Einen</hi> Glauben zu vereinigen,<lb/> was liegt uns zu thun ob? — Alle Religionen an die Re-<lb/> publik zu ſchließen durch Zuſicherung einer gänzlichen und un-<lb/> umſchränkten Freyheit der Gottesdienſte.“ — Die Zeit muß<lb/> es ausweiſen, ob <hi rendition="#g">Gregoire</hi> nicht irrte, als er die jetzigen<lb/> Umſtände <hi rendition="#g">durchaus parallel</hi> mit den vormaligen voraus-<lb/> ſezte, und nun folgerte, wie wir wiſſen. Wenigſtens hat der<lb/> Konvent, wie wir bald ſehen werden, auf ſeine Rede wenig<lb/> Rückſicht genommen. <hi rendition="#g">Gregoire</hi> war vorzeiten ſelbſt Prie-<lb/> ſter: und daher mogte es wohl kommen, daß man das Bün-<lb/> dige in ſeiner Rede für eine angewöhnte Fertigkeit hielt, ſich<lb/> mit gewiſſen Grundideen, auf dem theologiſchen Kampfplatze,<lb/> geſchickt herumzutummeln. Selbſt <hi rendition="#g">Rouſſeaus Emis</hi> hat<lb/> noch Manches von dem einnehmenden Schimmer dieſer Fer-<lb/> tigkeit.</note> Sogar<lb/> Geiſtliche und Moͤnche bekannten ſich zur refor-<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [240/0244]
Dieſes vernuͤnftige Dekret machte, daß die
noch haͤufig in Frankreich heimlich exiſtirenden
Reformirten, beſonders in Langnedoc, in dem
Delphinat, in der Provence, in Burgund u. ſ. w.
welche bisher zum Theil den katholiſchen Gottes-
dienſt aus Furcht und Zwang mitgemacht hatten,
ſich ſofort fuͤr unkatholiſch erklaͤrten. *) Sogar
Geiſtliche und Moͤnche bekannten ſich zur refor-
*) Gregoire ſagte in ſeiner Rede über die Freyheit der
Gottesdienſte: „Ein Jahrhundert lang waren die Proteſtan-
ten der Gegenſtand der grauſamſten Verfolgung: man jagte
ſie, man kerkerte ſie ein, man hing ihre Pfarrer, ſchloß ihre
Tempel, und behandelte ihre Verſammlung als etwas Auf-
rühreriſches. Als ihnen nach einem qualvollen Jahrhunderte
erlaubt ward, wieder frey zu athmen, kamen auf einmal
drey Millionen Proteſtanten in Frankreich zum
Vorſchein.“ — Das Aehnliche prophezeihet er nach der jetzi-
gen Revolution. „Wer wollte glauben, fügt er hinzu, eini-
ge Jahre von Geplärr und Gewaltthätigkeit hätten die Maſſe
der Bürger umgeſchaffen? Nein, glaubt es nicht: die Ver-
folgung iſt wider ihre Meynungen gerannt, aber ſie hat
weder ihren Verſtand überzeugt, noch ihre Herzen überredet.
Bey der Unmöglichkeit, die Religionsgrundſätze zu vertilgen,
oder die Bürger ſchnell in Einen Glauben zu vereinigen,
was liegt uns zu thun ob? — Alle Religionen an die Re-
publik zu ſchließen durch Zuſicherung einer gänzlichen und un-
umſchränkten Freyheit der Gottesdienſte.“ — Die Zeit muß
es ausweiſen, ob Gregoire nicht irrte, als er die jetzigen
Umſtände durchaus parallel mit den vormaligen voraus-
ſezte, und nun folgerte, wie wir wiſſen. Wenigſtens hat der
Konvent, wie wir bald ſehen werden, auf ſeine Rede wenig
Rückſicht genommen. Gregoire war vorzeiten ſelbſt Prie-
ſter: und daher mogte es wohl kommen, daß man das Bün-
dige in ſeiner Rede für eine angewöhnte Fertigkeit hielt, ſich
mit gewiſſen Grundideen, auf dem theologiſchen Kampfplatze,
geſchickt herumzutummeln. Selbſt Rouſſeaus Emis hat
noch Manches von dem einnehmenden Schimmer dieſer Fer-
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