mirten Kirche, und schon fing man an, reformir- ten Gottesdienst hin und wieder öffentlich zu hal- ten. -- Auf diese Art war also alles wieder ver- lohren, was ehemals die Verfolgung der Pfaffen bewirken wollte, nämlich, daß Frankreich ganz katholisch seyn sollte, und die Assemblee hatte mehr gethan, als Heinrich der Große durch das Edit de Nantes, 1598, konnte.
Der ehelose Stand der Geistlichen -- diese Pest für die Sitten der Weiber im alten Frankreich -- schien der National-Versammlung so wichtig, daß sie deswegen schon 1791 häufig debattirte, und end- lich festsezte, daß jedem Geistlichen, er möge Prie- ster seyn, oder sonst das Gelübde der sogenannten Keuschheit, d. i. ledig zu bleiben, oder ohne recht- mäßige Gattin zu leben, abgelegt haben, oder nicht, es freystehen sollte, zu heurathen: doch sollte niemand dazu gezwungen werden. Dieses Dekret machte anfänglich gewaltige Sensation, und viele gemeinen Leute, die bisher die Konkubi- nen ihrer Pfaffen so nachgiebig geduldet hatten, kreuzten und segneten sich, als sie hörten, daß ihre Geistlichen Weiber nehmen sollten, wie jene -- der Ketzer. Daher mag es auch gekommen seyn, daß eben nicht gar viele Pfarrer -- von Bi- schöfen weis ich keinen einzigen -- sich dieses
Vierter Theil. O
mirten Kirche, und ſchon fing man an, reformir- ten Gottesdienſt hin und wieder oͤffentlich zu hal- ten. — Auf dieſe Art war alſo alles wieder ver- lohren, was ehemals die Verfolgung der Pfaffen bewirken wollte, naͤmlich, daß Frankreich ganz katholiſch ſeyn ſollte, und die Aſſemblée hatte mehr gethan, als Heinrich der Große durch das Edit de Nantes, 1598, konnte.
Der eheloſe Stand der Geiſtlichen — dieſe Peſt fuͤr die Sitten der Weiber im alten Frankreich — ſchien der National-Verſammlung ſo wichtig, daß ſie deswegen ſchon 1791 haͤufig debattirte, und end- lich feſtſezte, daß jedem Geiſtlichen, er moͤge Prie- ſter ſeyn, oder ſonſt das Geluͤbde der ſogenannten Keuſchheit, d. i. ledig zu bleiben, oder ohne recht- maͤßige Gattin zu leben, abgelegt haben, oder nicht, es freyſtehen ſollte, zu heurathen: doch ſollte niemand dazu gezwungen werden. Dieſes Dekret machte anfaͤnglich gewaltige Senſation, und viele gemeinen Leute, die bisher die Konkubi- nen ihrer Pfaffen ſo nachgiebig geduldet hatten, kreuzten und ſegneten ſich, als ſie hoͤrten, daß ihre Geiſtlichen Weiber nehmen ſollten, wie jene — der Ketzer. Daher mag es auch gekommen ſeyn, daß eben nicht gar viele Pfarrer — von Bi- ſchoͤfen weis ich keinen einzigen — ſich dieſes
Vierter Theil. O
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0245"n="241"/>
mirten Kirche, und ſchon fing man an, reformir-<lb/>
ten Gottesdienſt hin und wieder oͤffentlich zu hal-<lb/>
ten. — Auf dieſe Art war alſo alles wieder ver-<lb/>
lohren, was ehemals die Verfolgung der Pfaffen<lb/>
bewirken wollte, naͤmlich, daß Frankreich ganz<lb/>
katholiſch ſeyn ſollte, und die <hirendition="#aq">Aſſemblée</hi> hatte<lb/>
mehr gethan, als <hirendition="#g">Heinrich der Große</hi> durch<lb/>
das <hirendition="#aq">Edit de Nantes,</hi> 1598, konnte.</p><lb/><p>Der eheloſe Stand der Geiſtlichen — dieſe Peſt<lb/>
fuͤr die Sitten der Weiber im alten Frankreich —<lb/>ſchien der National-Verſammlung ſo wichtig, daß<lb/>ſie deswegen ſchon 1791 haͤufig debattirte, und end-<lb/>
lich feſtſezte, daß jedem Geiſtlichen, er moͤge Prie-<lb/>ſter ſeyn, oder ſonſt das Geluͤbde der ſogenannten<lb/>
Keuſchheit, d. i. ledig zu bleiben, oder ohne recht-<lb/>
maͤßige Gattin zu leben, abgelegt haben, oder<lb/>
nicht, es freyſtehen ſollte, zu heurathen: doch<lb/>ſollte niemand dazu gezwungen werden. Dieſes<lb/>
Dekret machte anfaͤnglich gewaltige Senſation,<lb/>
und viele gemeinen Leute, die bisher die Konkubi-<lb/>
nen ihrer Pfaffen ſo nachgiebig geduldet hatten,<lb/>
kreuzten und ſegneten ſich, als ſie hoͤrten, daß ihre<lb/>
Geiſtlichen Weiber nehmen ſollten, wie jene —<lb/>
der <hirendition="#g">Ketzer</hi>. Daher mag es auch gekommen ſeyn,<lb/>
daß eben nicht gar viele Pfarrer — von Bi-<lb/>ſchoͤfen weis ich keinen einzigen —ſich dieſes<lb/><fwplace="bottom"type="sig">Vierter Theil. O</fw><lb/></p></div></body></text></TEI>
[241/0245]
mirten Kirche, und ſchon fing man an, reformir-
ten Gottesdienſt hin und wieder oͤffentlich zu hal-
ten. — Auf dieſe Art war alſo alles wieder ver-
lohren, was ehemals die Verfolgung der Pfaffen
bewirken wollte, naͤmlich, daß Frankreich ganz
katholiſch ſeyn ſollte, und die Aſſemblée hatte
mehr gethan, als Heinrich der Große durch
das Edit de Nantes, 1598, konnte.
Der eheloſe Stand der Geiſtlichen — dieſe Peſt
fuͤr die Sitten der Weiber im alten Frankreich —
ſchien der National-Verſammlung ſo wichtig, daß
ſie deswegen ſchon 1791 haͤufig debattirte, und end-
lich feſtſezte, daß jedem Geiſtlichen, er moͤge Prie-
ſter ſeyn, oder ſonſt das Geluͤbde der ſogenannten
Keuſchheit, d. i. ledig zu bleiben, oder ohne recht-
maͤßige Gattin zu leben, abgelegt haben, oder
nicht, es freyſtehen ſollte, zu heurathen: doch
ſollte niemand dazu gezwungen werden. Dieſes
Dekret machte anfaͤnglich gewaltige Senſation,
und viele gemeinen Leute, die bisher die Konkubi-
nen ihrer Pfaffen ſo nachgiebig geduldet hatten,
kreuzten und ſegneten ſich, als ſie hoͤrten, daß ihre
Geiſtlichen Weiber nehmen ſollten, wie jene —
der Ketzer. Daher mag es auch gekommen ſeyn,
daß eben nicht gar viele Pfarrer — von Bi-
ſchoͤfen weis ich keinen einzigen — ſich dieſes
Vierter Theil. O
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 4,1. Leipzig, 1797, S. 241. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben0401_1797/245>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.