stürmisch die Nation in ihrem Hasse gegen das Kö- nigthum verfuhr, so gerecht zeigte sie sich jedoch gegen Könige von Verdienst. So wurde Hein- richIV, und LudwigXII, dem ehemals das französische Volk den schönen Beynamen des Va- ters des Volkes gab, auch bey der Zerstö- rung der Gruft zu St. Denis verschont; und ihre ehrwürdigen Reste wurden mit dem lauten Zuruf der Bürger: "Es sind gute Könige gewe- sen! Ihre Gebeine sind uns heilig!" in allen Ehren beerdiget.
Zu Dijon im Karthäuserkloster in der Vorstadt lagen die Herzoge von Burgund aus der jüngern Linie mit ihrer Familie begraben. *) Auch diesen ließen die Jakobiner im Grabe keine Ruhe. Die längst vermauerte Gruft wurde aufgebrochen, die Särge eröffnet, und was brauchbar darin war, be- sonders ein schöner mit Edelsteinen besezter Degen des Herzogs Johannis intrepidi (leans sans peur) weggenommen, die zinnernen Särge an die Zinn- gießer verkauft, und die Gebeine der alten Bur- gundischen Regenten auf einem Schubkarren hin- ausgefahren und in ganz gemeine Erde verscharrt. Ich sprach einmal in Dijou über diese Begebenheit,
*) Diese Linie fängt mit Philipp, dem Kühnen, König Johannis Sohn, 1363 an, und endigt sich mit Karl, dem Kühnen, 1477.
ſtuͤrmiſch die Nation in ihrem Haſſe gegen das Koͤ- nigthum verfuhr, ſo gerecht zeigte ſie ſich jedoch gegen Koͤnige von Verdienſt. So wurde Hein- richIV, und LudwigXII, dem ehemals das franzoͤſiſche Volk den ſchoͤnen Beynamen des Va- ters des Volkes gab, auch bey der Zerſtoͤ- rung der Gruft zu St. Denis verſchont; und ihre ehrwuͤrdigen Reſte wurden mit dem lauten Zuruf der Buͤrger: „Es ſind gute Koͤnige gewe- ſen! Ihre Gebeine ſind uns heilig!“ in allen Ehren beerdiget.
Zu Dijon im Karthaͤuſerkloſter in der Vorſtadt lagen die Herzoge von Burgund aus der juͤngern Linie mit ihrer Familie begraben. *) Auch dieſen ließen die Jakobiner im Grabe keine Ruhe. Die laͤngſt vermauerte Gruft wurde aufgebrochen, die Saͤrge eroͤffnet, und was brauchbar darin war, be- ſonders ein ſchoͤner mit Edelſteinen beſezter Degen des Herzogs Johannis intrepidi (leans ſans peur) weggenommen, die zinnernen Saͤrge an die Zinn- gießer verkauft, und die Gebeine der alten Bur- gundiſchen Regenten auf einem Schubkarren hin- ausgefahren und in ganz gemeine Erde verſcharrt. Ich ſprach einmal in Dijou uͤber dieſe Begebenheit,
*) Dieſe Linie fängt mit Philipp, dem Kühnen, König Johannis Sohn, 1363 an, und endigt ſich mit Karl, dem Kühnen, 1477.
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ſtuͤrmiſch die Nation in ihrem Haſſe gegen das Koͤ-
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gegen Koͤnige von Verdienſt. So wurde Hein-
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franzoͤſiſche Volk den ſchoͤnen Beynamen des Va-
ters des Volkes gab, auch bey der Zerſtoͤ-
rung der Gruft zu St. Denis verſchont; und ihre
ehrwuͤrdigen Reſte wurden mit dem lauten Zuruf
der Buͤrger: „Es ſind gute Koͤnige gewe-
ſen! Ihre Gebeine ſind uns heilig!“
in allen Ehren beerdiget.
Zu Dijon im Karthaͤuſerkloſter in der Vorſtadt
lagen die Herzoge von Burgund aus der juͤngern
Linie mit ihrer Familie begraben. *) Auch dieſen
ließen die Jakobiner im Grabe keine Ruhe. Die
laͤngſt vermauerte Gruft wurde aufgebrochen, die
Saͤrge eroͤffnet, und was brauchbar darin war, be-
ſonders ein ſchoͤner mit Edelſteinen beſezter Degen
des Herzogs Johannis intrepidi (leans ſans peur)
weggenommen, die zinnernen Saͤrge an die Zinn-
gießer verkauft, und die Gebeine der alten Bur-
gundiſchen Regenten auf einem Schubkarren hin-
ausgefahren und in ganz gemeine Erde verſcharrt.
Ich ſprach einmal in Dijou uͤber dieſe Begebenheit,
*) Dieſe Linie fängt mit Philipp, dem Kühnen, König
Johannis Sohn, 1363 an, und endigt ſich mit Karl, dem
Kühnen, 1477.
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Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 4,1. Leipzig, 1797, S. 278. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben0401_1797/282>, abgerufen am 22.11.2024.
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