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Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 4,1. Leipzig, 1797.

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des Daseyns Gottes, und der Unsterblichkeit der
Seele, als Beweggründe der Moral. Aber in
Frankreich sollte alle Moral aus dem Bürgersinn,
aus dem Patriotismus geleitet werden. Ueber
diese Quelle, die in die Sinne fällt, konnte man
bürgerlich machen, und sie durch Gesetze läu-
tern und festen Fußes verfolgen. Das hieß den
Sinn-Menschen sinnlich fixiren, wie jede Regie-
rung, als öffentliche, äußere Gewalt, dieß ei-
gentlich nur sollte, weil sie dieß eigentlich nur
kann, und weil es unweise und unklug ist, noth-
wendige, gewisse Zwecke von der Wirksamkeit zu-
fälliger und ungewisser Mittel zu erwarten. Da-
seyn Gottes und Unsterblichkeit der Seele kann man
bezweifeln, *) aber nicht, daß ich ein schlechter

*) "Wir wissen, schrieb Voltaire an M. d'A[n]gerson, sehr
gut, daß diese und jene Gottisen (bey Gott und Seele)
nicht statt finden, aber wir sind sehr mittelmäßig unterrichtet
über das, was sie sind. -- Allein, wenn wir gewisse Dinge,
die ein wenig delikat sind, nicht begreifen, so ist es wahrschein-
lich, daß es nicht nothwendig sey, daß wir sie begreifen sollen.
Wenn gewisse Dinge durchaus nothwendig wären, so würden
alle Menschen sie haben, wie alle Pferre Füße haben. Man
kann ziemlich versichert seyn, daß das, was nicht durchaus
nothwendig ist für alle Menschen, zu jeder Zeit, und an jedem
Orte, auch nicht nothwendig sey für irgend einen. Diese Wahr-
heit ist ein Polster, worauf man ruhig schlafen kann: daß
Uebrige ist ein ewiger Gegenstand fürs Streiten zum Pro und
Contra." (Oeuvres comp[l.] a Bas[l]e, T. 94 p. 70.)
Wer die Wichtigkeit der Zweifel an die wichtigern übersinn-
lichen Begriffe näher prüfen will, dem empfehle ich das Buch
Vierter Theil. T

des Daſeyns Gottes, und der Unſterblichkeit der
Seele, als Beweggruͤnde der Moral. Aber in
Frankreich ſollte alle Moral aus dem Buͤrgerſinn,
aus dem Patriotismus geleitet werden. Ueber
dieſe Quelle, die in die Sinne faͤllt, konnte man
buͤrgerlich machen, und ſie durch Geſetze laͤu-
tern und feſten Fußes verfolgen. Das hieß den
Sinn-Menſchen ſinnlich fixiren, wie jede Regie-
rung, als oͤffentliche, aͤußere Gewalt, dieß ei-
gentlich nur ſollte, weil ſie dieß eigentlich nur
kann, und weil es unweiſe und unklug iſt, noth-
wendige, gewiſſe Zwecke von der Wirkſamkeit zu-
faͤlliger und ungewiſſer Mittel zu erwarten. Da-
ſeyn Gottes und Unſterblichkeit der Seele kann man
bezweifeln, *) aber nicht, daß ich ein ſchlechter

*) „Wir wiſſen, ſchrieb Voltaire an M. d'A[n]gerſon, ſehr
gut, daß dieſe und jene Gottiſen (bey Gott und Seele)
nicht ſtatt finden, aber wir ſind ſehr mittelmäßig unterrichtet
über das, was ſie ſind. — Allein, wenn wir gewiſſe Dinge,
die ein wenig delikat ſind, nicht begreifen, ſo iſt es wahrſchein-
lich, daß es nicht nothwendig ſey, daß wir ſie begreifen ſollen.
Wenn gewiſſe Dinge durchaus nothwendig wären, ſo würden
alle Menſchen ſie haben, wie alle Pferre Füße haben. Man
kann ziemlich verſichert ſeyn, daß das, was nicht durchaus
nothwendig iſt für alle Menſchen, zu jeder Zeit, und an jedem
Orte, auch nicht nothwendig ſey für irgend einen. Dieſe Wahr-
heit iſt ein Polſter, worauf man ruhig ſchlafen kann: daß
Uebrige iſt ein ewiger Gegenſtand fürs Streiten zum Pro und
Contra.“ (Oeuvres comp[l.] à Bas[l]e, T. 94 p. 70.)
Wer die Wichtigkeit der Zweifel an die wichtigern überſinn-
lichen Begriffe näher prüfen will, dem empfehle ich das Buch
Vierter Theil. T
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[289/0293] des Daſeyns Gottes, und der Unſterblichkeit der Seele, als Beweggruͤnde der Moral. Aber in Frankreich ſollte alle Moral aus dem Buͤrgerſinn, aus dem Patriotismus geleitet werden. Ueber dieſe Quelle, die in die Sinne faͤllt, konnte man buͤrgerlich machen, und ſie durch Geſetze laͤu- tern und feſten Fußes verfolgen. Das hieß den Sinn-Menſchen ſinnlich fixiren, wie jede Regie- rung, als oͤffentliche, aͤußere Gewalt, dieß ei- gentlich nur ſollte, weil ſie dieß eigentlich nur kann, und weil es unweiſe und unklug iſt, noth- wendige, gewiſſe Zwecke von der Wirkſamkeit zu- faͤlliger und ungewiſſer Mittel zu erwarten. Da- ſeyn Gottes und Unſterblichkeit der Seele kann man bezweifeln, *) aber nicht, daß ich ein ſchlechter *) „Wir wiſſen, ſchrieb Voltaire an M. d'Angerſon, ſehr gut, daß dieſe und jene Gottiſen (bey Gott und Seele) nicht ſtatt finden, aber wir ſind ſehr mittelmäßig unterrichtet über das, was ſie ſind. — Allein, wenn wir gewiſſe Dinge, die ein wenig delikat ſind, nicht begreifen, ſo iſt es wahrſchein- lich, daß es nicht nothwendig ſey, daß wir ſie begreifen ſollen. Wenn gewiſſe Dinge durchaus nothwendig wären, ſo würden alle Menſchen ſie haben, wie alle Pferre Füße haben. Man kann ziemlich verſichert ſeyn, daß das, was nicht durchaus nothwendig iſt für alle Menſchen, zu jeder Zeit, und an jedem Orte, auch nicht nothwendig ſey für irgend einen. Dieſe Wahr- heit iſt ein Polſter, worauf man ruhig ſchlafen kann: daß Uebrige iſt ein ewiger Gegenſtand fürs Streiten zum Pro und Contra.“ (Oeuvres compl. à Basle, T. 94 p. 70.) Wer die Wichtigkeit der Zweifel an die wichtigern überſinn- lichen Begriffe näher prüfen will, dem empfehle ich das Buch Vierter Theil. T

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Zitationshilfe: Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 4,1. Leipzig, 1797, S. 289. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben0401_1797/293>, abgerufen am 16.06.2024.