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Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 4,1. Leipzig, 1797.

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gesittetes, d. [i]. nach guten Gesetzen regiertes Volk
denken. Noch mehr, wenn man Christi Lehre
rein auffaßt, und sie von aller Einwirkung der
Zeit, des Orts und der Personen entblößt: so war
ihr Zweck unwidersprechlich: die Moral der
Vernunft
zur Alleinherrscherin in der Gesell-
schaft zu machen, und die Religion als die
Privatsache des einzelnen Menschen aufzu-
stellen. Dadurch war das Wohl der bürgerlichen
Gesellschaft im ganzen gesichert, aber die Gewis-
sensfreiheit der Bürger im Einzelnen von der ge-
waltthätigen Bedrückung und Fesselung der Priester
auch erlöset. Vorher war Alles Priester-Religion,
und durch diese Alles den Priestern sklavisch unter-
worfen. Um nun von diesem Joche die Menschen zu
befreyen, lehrte Christus: daß die wahre Wür-
de und das wahre Wohl des Menschen nur durch eig-
nes Handeln, nur durch Moral, und nicht durch
Opfer und den übrigen Apparat der Priester-
Religion begründet und gesichert werden könne.

In diese Fußstapfen traten alle einsichtige Für-
sten, welche die Kunst inne hatten, den Menschen
nach dem Menschen, und nicht nach phantastischer
Priester-Maschinerie zu behandeln. "In mei-
nem Lande, sagte Friedrich, der Zweyte, kann
jeder glauben, was er will, wenn er nur ehrlich ist."
Das war ganz in Christi Lehrsinn, ganz Christlich in

geſittetes, d. [i]. nach guten Geſetzen regiertes Volk
denken. Noch mehr, wenn man Chriſti Lehre
rein auffaßt, und ſie von aller Einwirkung der
Zeit, des Orts und der Perſonen entbloͤßt: ſo war
ihr Zweck unwiderſprechlich: die Moral der
Vernunft
zur Alleinherrſcherin in der Geſell-
ſchaft zu machen, und die Religion als die
Privatſache des einzelnen Menſchen aufzu-
ſtellen. Dadurch war das Wohl der buͤrgerlichen
Geſellſchaft im ganzen geſichert, aber die Gewiſ-
ſensfreiheit der Buͤrger im Einzelnen von der ge-
waltthaͤtigen Bedruͤckung und Feſſelung der Prieſter
auch erloͤſet. Vorher war Alles Prieſter-Religion,
und durch dieſe Alles den Prieſtern ſklaviſch unter-
worfen. Um nun von dieſem Joche die Menſchen zu
befreyen, lehrte Chriſtus: daß die wahre Wuͤr-
de und das wahre Wohl des Menſchen nur durch eig-
nes Handeln, nur durch Moral, und nicht durch
Opfer und den uͤbrigen Apparat der Prieſter-
Religion begruͤndet und geſichert werden koͤnne.

In dieſe Fußſtapfen traten alle einſichtige Fuͤr-
ſten, welche die Kunſt inne hatten, den Menſchen
nach dem Menſchen, und nicht nach phantaſtiſcher
Prieſter-Maſchinerie zu behandeln. „In mei-
nem Lande, ſagte Friedrich, der Zweyte, kann
jeder glauben, was er will, wenn er nur ehrlich iſt.“
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[291/0295] geſittetes, d. i. nach guten Geſetzen regiertes Volk denken. Noch mehr, wenn man Chriſti Lehre rein auffaßt, und ſie von aller Einwirkung der Zeit, des Orts und der Perſonen entbloͤßt: ſo war ihr Zweck unwiderſprechlich: die Moral der Vernunft zur Alleinherrſcherin in der Geſell- ſchaft zu machen, und die Religion als die Privatſache des einzelnen Menſchen aufzu- ſtellen. Dadurch war das Wohl der buͤrgerlichen Geſellſchaft im ganzen geſichert, aber die Gewiſ- ſensfreiheit der Buͤrger im Einzelnen von der ge- waltthaͤtigen Bedruͤckung und Feſſelung der Prieſter auch erloͤſet. Vorher war Alles Prieſter-Religion, und durch dieſe Alles den Prieſtern ſklaviſch unter- worfen. Um nun von dieſem Joche die Menſchen zu befreyen, lehrte Chriſtus: daß die wahre Wuͤr- de und das wahre Wohl des Menſchen nur durch eig- nes Handeln, nur durch Moral, und nicht durch Opfer und den uͤbrigen Apparat der Prieſter- Religion begruͤndet und geſichert werden koͤnne. In dieſe Fußſtapfen traten alle einſichtige Fuͤr- ſten, welche die Kunſt inne hatten, den Menſchen nach dem Menſchen, und nicht nach phantaſtiſcher Prieſter-Maſchinerie zu behandeln. „In mei- nem Lande, ſagte Friedrich, der Zweyte, kann jeder glauben, was er will, wenn er nur ehrlich iſt.“ Das war ganz in Chriſti Lehrſinn, ganz Chriſtlich in

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Zitationshilfe: Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 4,1. Leipzig, 1797, S. 291. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben0401_1797/295>, abgerufen am 16.06.2024.