"Erweis des himmelweiten Unter- schieds der Moral von der Religion." *)
"Die ganze Orakel-Theologie und (Orakel-) Religion -- sagt er S. 308 -- ist so angelegt, daß sie den Leuten von Kindesbeinen an Furcht und Schre- cken vor einem zornigen Gott und dessen ewigbren- nender Hölle einjage, und ihre Gemüther immer auf der Folterbank peinlicher Unruhe und schreckli- cher Besorgnisse über erdichtete abscheuliche Gefah- ren gespannt erhalte. Dieß ist der listige Kunst- griff, sie mit den beschwerlichsten Abgaben zu steu- ern, ihre geängstigte Selbstliebe zinsbar zu ma- chen, und sie anzuspornen, sich durch allerley Ga- ben und Opfer die Geneigtheit derer zu erkaufen, die als die Bevollmächtigten des Himmels das Züchtigen und Loslassen, das Sünden-Vergeben und Sünden-Behalten, das Ewig-selig-machen und Ewigverdammen in ihrer Gewalt haben. -- Erst wird den Leuten durch die Orakel-Theologie alle Ruhe, Hoffnung und Zufriedenheit des Her- zens geraubt, um ihnen dieselbe hernach tropfen- weise in einzelnen beliebigen Tröstungen und vor- gegaukelten Beruhigungsgründen für baares Geld
*) Nebst genauer Bestimmung der Begriffe von Theologie, Re- ligion, Kirche, und protestantischer Hierarchie, und des Ver- hältnisseß dieser Dinge zur Moral und zum Staate. Frank- furt und Leipzig, 1788.
„Erweis des himmelweiten Unter- ſchieds der Moral von der Religion.“ *)
„Die ganze Orakel-Theologie und (Orakel-) Religion — ſagt er S. 308 — iſt ſo angelegt, daß ſie den Leuten von Kindesbeinen an Furcht und Schre- cken vor einem zornigen Gott und deſſen ewigbren- nender Hoͤlle einjage, und ihre Gemuͤther immer auf der Folterbank peinlicher Unruhe und ſchreckli- cher Beſorgniſſe uͤber erdichtete abſcheuliche Gefah- ren geſpannt erhalte. Dieß iſt der liſtige Kunſt- griff, ſie mit den beſchwerlichſten Abgaben zu ſteu- ern, ihre geaͤngſtigte Selbſtliebe zinsbar zu ma- chen, und ſie anzuſpornen, ſich durch allerley Ga- ben und Opfer die Geneigtheit derer zu erkaufen, die als die Bevollmaͤchtigten des Himmels das Zuͤchtigen und Loslaſſen, das Suͤnden-Vergeben und Suͤnden-Behalten, das Ewig-ſelig-machen und Ewigverdammen in ihrer Gewalt haben. — Erſt wird den Leuten durch die Orakel-Theologie alle Ruhe, Hoffnung und Zufriedenheit des Her- zens geraubt, um ihnen dieſelbe hernach tropfen- weiſe in einzelnen beliebigen Troͤſtungen und vor- gegaukelten Beruhigungsgruͤnden fuͤr baares Geld
*) Nebſt genauer Beſtimmung der Begriffe von Theologie, Re- ligion, Kirche, und proteſtantiſcher Hierarchie, und des Ver- hältniſſeß dieſer Dinge zur Moral und zum Staate. Frank- furt und Leipzig, 1788.
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„Erweis des himmelweiten Unter-
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„Die ganze Orakel-Theologie und (Orakel-)
Religion — ſagt er S. 308 — iſt ſo angelegt, daß ſie
den Leuten von Kindesbeinen an Furcht und Schre-
cken vor einem zornigen Gott und deſſen ewigbren-
nender Hoͤlle einjage, und ihre Gemuͤther immer
auf der Folterbank peinlicher Unruhe und ſchreckli-
cher Beſorgniſſe uͤber erdichtete abſcheuliche Gefah-
ren geſpannt erhalte. Dieß iſt der liſtige Kunſt-
griff, ſie mit den beſchwerlichſten Abgaben zu ſteu-
ern, ihre geaͤngſtigte Selbſtliebe zinsbar zu ma-
chen, und ſie anzuſpornen, ſich durch allerley Ga-
ben und Opfer die Geneigtheit derer zu erkaufen,
die als die Bevollmaͤchtigten des Himmels das
Zuͤchtigen und Loslaſſen, das Suͤnden-Vergeben
und Suͤnden-Behalten, das Ewig-ſelig-machen
und Ewigverdammen in ihrer Gewalt haben. —
Erſt wird den Leuten durch die Orakel-Theologie
alle Ruhe, Hoffnung und Zufriedenheit des Her-
zens geraubt, um ihnen dieſelbe hernach tropfen-
weiſe in einzelnen beliebigen Troͤſtungen und vor-
gegaukelten Beruhigungsgruͤnden fuͤr baares Geld
*) Nebſt genauer Beſtimmung der Begriffe von Theologie, Re-
ligion, Kirche, und proteſtantiſcher Hierarchie, und des Ver-
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furt und Leipzig, 1788.
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Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 4,1. Leipzig, 1797, S. 293. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben0401_1797/297>, abgerufen am 21.11.2024.
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