unanständigsten Beynamen gab. Ein gemeiner Christ würde sagen, man habe Gott gelästert. -- Wenn es erlaubt wäre, die Unanständigkeiten der Pöbelsprache zu wiederholen, so sollten hier Re- densarten vorkommen, worüber der fromme Christ sich kreuzen und segnen würde. Aber wir wollen sie übergehen.
Die Dekadi's d. i. die zehnten Tage im Monate, derer jeder dreißig hat, waren blos Ru- hetage, oder Tage, woran man, ohne als schlech- ter Bürger verdächtig zu werden, müßig gehen konnte.
Aber im Anfange des Monats Mai, 1794, that Robespierre den Vorschlag, morali- sche Feste an den Dekadentagen anzuordnen. Die Rede des Ropespierre, die er hierzu hielt, ist wohl leicht eine der schönsten, die jemals gehalten sind, und verdient von jedem gelesen zu werden, der Gefühl für das Wahre und Schöne hat. Mit dem Feuer eines Demosthenes und mit Kants Gründlichkeit bewies er hier: daß die Moral die erste Stütze der bürgerlichen Gesellschaft sey. Dar- in, fuhr er fort, besteht das Geheimniß der Staatskunst und der Gesetzgebung, daß man mo- ralische Tugenden aus den Büchern der Philosophie in die Gesetze und in die öffentliche Verwaltung ver- pflanze, und die gemeinen Begriffe von Rechtschaf-
unanſtaͤndigſten Beynamen gab. Ein gemeiner Chriſt wuͤrde ſagen, man habe Gott gelaͤſtert. — Wenn es erlaubt waͤre, die Unanſtaͤndigkeiten der Poͤbelſprache zu wiederholen, ſo ſollten hier Re- densarten vorkommen, woruͤber der fromme Chriſt ſich kreuzen und ſegnen wuͤrde. Aber wir wollen ſie uͤbergehen.
Die Dekadi's d. i. die zehnten Tage im Monate, derer jeder dreißig hat, waren blos Ru- hetage, oder Tage, woran man, ohne als ſchlech- ter Buͤrger verdaͤchtig zu werden, muͤßig gehen konnte.
Aber im Anfange des Monats Mai, 1794, that Robespierre den Vorſchlag, morali- ſche Feſte an den Dekadentagen anzuordnen. Die Rede des Ropespierre, die er hierzu hielt, iſt wohl leicht eine der ſchoͤnſten, die jemals gehalten ſind, und verdient von jedem geleſen zu werden, der Gefuͤhl fuͤr das Wahre und Schoͤne hat. Mit dem Feuer eines Demoſthenes und mit Kants Gruͤndlichkeit bewies er hier: daß die Moral die erſte Stuͤtze der buͤrgerlichen Geſellſchaft ſey. Dar- in, fuhr er fort, beſteht das Geheimniß der Staatskunſt und der Geſetzgebung, daß man mo- raliſche Tugenden aus den Buͤchern der Philoſophie in die Geſetze und in die oͤffentliche Verwaltung ver- pflanze, und die gemeinen Begriffe von Rechtſchaf-
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0301"n="297"/>
unanſtaͤndigſten Beynamen gab. Ein gemeiner<lb/>
Chriſt wuͤrde ſagen, man habe Gott gelaͤſtert. —<lb/>
Wenn es erlaubt waͤre, die Unanſtaͤndigkeiten der<lb/>
Poͤbelſprache zu wiederholen, ſo ſollten hier Re-<lb/>
densarten vorkommen, woruͤber der fromme Chriſt<lb/>ſich kreuzen und ſegnen wuͤrde. Aber wir wollen ſie<lb/>
uͤbergehen.</p><lb/><p>Die <hirendition="#g">Dekadi</hi>'s d. i. die zehnten Tage im<lb/>
Monate, derer jeder dreißig hat, waren blos Ru-<lb/>
hetage, oder Tage, woran man, ohne als <hirendition="#g">ſchlech</hi>-<lb/><hirendition="#g">ter Buͤrger</hi> verdaͤchtig zu werden, muͤßig gehen<lb/>
konnte.</p><lb/><p>Aber im Anfange des Monats Mai, 1794,<lb/>
that <hirendition="#g">Robespierre</hi> den Vorſchlag, <hirendition="#g">morali</hi>-<lb/><hirendition="#g">ſche</hi> Feſte an den Dekadentagen anzuordnen. Die<lb/>
Rede des <hirendition="#g">Ropespierre</hi>, die er hierzu hielt, iſt<lb/>
wohl leicht eine der ſchoͤnſten, die jemals gehalten<lb/>ſind, und verdient von jedem geleſen zu werden,<lb/>
der Gefuͤhl fuͤr das Wahre und Schoͤne hat. Mit<lb/>
dem Feuer eines Demoſthenes und mit <hirendition="#g">Kants</hi><lb/>
Gruͤndlichkeit bewies er hier: daß die <hirendition="#g">Moral</hi> die<lb/>
erſte Stuͤtze der buͤrgerlichen Geſellſchaft ſey. Dar-<lb/>
in, fuhr er fort, beſteht das Geheimniß der<lb/>
Staatskunſt und der Geſetzgebung, daß man mo-<lb/>
raliſche Tugenden aus den Buͤchern der Philoſophie<lb/>
in die Geſetze und in die oͤffentliche Verwaltung ver-<lb/>
pflanze, und die gemeinen Begriffe von Rechtſchaf-<lb/></p></div></body></text></TEI>
[297/0301]
unanſtaͤndigſten Beynamen gab. Ein gemeiner
Chriſt wuͤrde ſagen, man habe Gott gelaͤſtert. —
Wenn es erlaubt waͤre, die Unanſtaͤndigkeiten der
Poͤbelſprache zu wiederholen, ſo ſollten hier Re-
densarten vorkommen, woruͤber der fromme Chriſt
ſich kreuzen und ſegnen wuͤrde. Aber wir wollen ſie
uͤbergehen.
Die Dekadi's d. i. die zehnten Tage im
Monate, derer jeder dreißig hat, waren blos Ru-
hetage, oder Tage, woran man, ohne als ſchlech-
ter Buͤrger verdaͤchtig zu werden, muͤßig gehen
konnte.
Aber im Anfange des Monats Mai, 1794,
that Robespierre den Vorſchlag, morali-
ſche Feſte an den Dekadentagen anzuordnen. Die
Rede des Ropespierre, die er hierzu hielt, iſt
wohl leicht eine der ſchoͤnſten, die jemals gehalten
ſind, und verdient von jedem geleſen zu werden,
der Gefuͤhl fuͤr das Wahre und Schoͤne hat. Mit
dem Feuer eines Demoſthenes und mit Kants
Gruͤndlichkeit bewies er hier: daß die Moral die
erſte Stuͤtze der buͤrgerlichen Geſellſchaft ſey. Dar-
in, fuhr er fort, beſteht das Geheimniß der
Staatskunſt und der Geſetzgebung, daß man mo-
raliſche Tugenden aus den Buͤchern der Philoſophie
in die Geſetze und in die oͤffentliche Verwaltung ver-
pflanze, und die gemeinen Begriffe von Rechtſchaf-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 4,1. Leipzig, 1797, S. 297. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben0401_1797/301>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.