Collot d'Herbois. Von diesem Manne habe ich in Lyon eben nichts Vortheilhaftes, doch auch nichts Nach- theiliges reden hören. Aber nach meiner Rückkehr nach Deutschland habe ich erfahren: d'Herbois sey Komödiant gewesen, und habe ehedem in Lyon ge- spielt, wo man seine elende Aktion brav ausgezischt habe. Nachher sey er Mitglied des Nationalkon- vents geworden, und habe die Bestrafung der Lyo- ner übernommen, vorzüglich, um sich wegen des ihm auf dem Theater in dieser Stadt wiederfahrnen Schimpfes zu rächen.
Ich kann nicht sagen, ob diese Theater-Ge- schichte gegründet sey, doch scheint es mir eben nicht sehr. In Lyon selbst habe ich nichts davon gehört; und in Lyon war man eben nicht gewohnt, von den Volksrepräsentanten mit Schonung zu sprechen. Es giebt dergleichen Anekdoten mehr! So soll z. B. Robespierre ein naher Anverwandter des im J. 1757 zu Paris hingerichteten Franz Dami- ens gewesen seyn, und eben wegen dieser Hin- richtung die Burbonen so sehr gehaßt haben. Es giebt überhaupt keinen Mann, der sich bey der je- tzigen Revolution ausgezeichnet hat, den man in den deutschen Zeitungen, Journalen, Annalen u. dgl. nicht etwas anhinge. Und wenn man ja weiter nichts weis, so sprengt man aus: General Pichegrü sey doch nur eines Bauern Sohn;
Collot d'Herbois. Von dieſem Manne habe ich in Lyon eben nichts Vortheilhaftes, doch auch nichts Nach- theiliges reden hoͤren. Aber nach meiner Ruͤckkehr nach Deutſchland habe ich erfahren: d'Herbois ſey Komoͤdiant geweſen, und habe ehedem in Lyon ge- ſpielt, wo man ſeine elende Aktion brav ausgeziſcht habe. Nachher ſey er Mitglied des Nationalkon- vents geworden, und habe die Beſtrafung der Lyo- ner uͤbernommen, vorzuͤglich, um ſich wegen des ihm auf dem Theater in dieſer Stadt wiederfahrnen Schimpfes zu raͤchen.
Ich kann nicht ſagen, ob dieſe Theater-Ge- ſchichte gegruͤndet ſey, doch ſcheint es mir eben nicht ſehr. In Lyon ſelbſt habe ich nichts davon gehoͤrt; und in Lyon war man eben nicht gewohnt, von den Volksrepraͤſentanten mit Schonung zu ſprechen. Es giebt dergleichen Anekdoten mehr! So ſoll z. B. Robespierre ein naher Anverwandter des im J. 1757 zu Paris hingerichteten Franz Dami- ens geweſen ſeyn, und eben wegen dieſer Hin- richtung die Burbonen ſo ſehr gehaßt haben. Es giebt uͤberhaupt keinen Mann, der ſich bey der je- tzigen Revolution ausgezeichnet hat, den man in den deutſchen Zeitungen, Journalen, Annalen u. dgl. nicht etwas anhinge. Und wenn man ja weiter nichts weis, ſo ſprengt man aus: General Pichegruͤ ſey doch nur eines Bauern Sohn;
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0372"n="368"/>
Collot d'Herbois. Von dieſem Manne habe ich in Lyon<lb/>
eben nichts Vortheilhaftes, doch auch nichts Nach-<lb/>
theiliges reden hoͤren. Aber nach meiner Ruͤckkehr<lb/>
nach Deutſchland habe ich erfahren: d'Herbois ſey<lb/>
Komoͤdiant geweſen, und habe ehedem in Lyon ge-<lb/>ſpielt, wo man ſeine elende Aktion brav ausgeziſcht<lb/>
habe. Nachher ſey er Mitglied des Nationalkon-<lb/>
vents geworden, und habe die Beſtrafung der Lyo-<lb/>
ner uͤbernommen, vorzuͤglich, um ſich wegen des<lb/>
ihm auf dem Theater in dieſer Stadt wiederfahrnen<lb/>
Schimpfes zu raͤchen.</p><lb/><p>Ich kann nicht ſagen, ob dieſe Theater-Ge-<lb/>ſchichte gegruͤndet ſey, doch ſcheint es mir eben nicht<lb/>ſehr. In Lyon ſelbſt habe ich nichts davon gehoͤrt;<lb/>
und in Lyon war man eben nicht gewohnt, von den<lb/>
Volksrepraͤſentanten mit Schonung zu ſprechen.<lb/>
Es giebt dergleichen Anekdoten mehr! So ſoll z. B.<lb/><hirendition="#g">Robespierre</hi> ein naher Anverwandter des im<lb/>
J. 1757 zu Paris hingerichteten <hirendition="#g">Franz Dami</hi>-<lb/><hirendition="#g">ens</hi> geweſen ſeyn, und eben wegen dieſer Hin-<lb/>
richtung die Burbonen ſo ſehr gehaßt haben. Es<lb/>
giebt uͤberhaupt keinen Mann, der ſich bey der je-<lb/>
tzigen Revolution ausgezeichnet hat, den man in<lb/>
den deutſchen Zeitungen, Journalen, Annalen u.<lb/>
dgl. nicht etwas anhinge. Und wenn man ja<lb/>
weiter nichts weis, ſo ſprengt man aus: General<lb/><hirendition="#g">Pichegruͤ</hi>ſey doch nur eines Bauern Sohn;<lb/></p></div></body></text></TEI>
[368/0372]
Collot d'Herbois. Von dieſem Manne habe ich in Lyon
eben nichts Vortheilhaftes, doch auch nichts Nach-
theiliges reden hoͤren. Aber nach meiner Ruͤckkehr
nach Deutſchland habe ich erfahren: d'Herbois ſey
Komoͤdiant geweſen, und habe ehedem in Lyon ge-
ſpielt, wo man ſeine elende Aktion brav ausgeziſcht
habe. Nachher ſey er Mitglied des Nationalkon-
vents geworden, und habe die Beſtrafung der Lyo-
ner uͤbernommen, vorzuͤglich, um ſich wegen des
ihm auf dem Theater in dieſer Stadt wiederfahrnen
Schimpfes zu raͤchen.
Ich kann nicht ſagen, ob dieſe Theater-Ge-
ſchichte gegruͤndet ſey, doch ſcheint es mir eben nicht
ſehr. In Lyon ſelbſt habe ich nichts davon gehoͤrt;
und in Lyon war man eben nicht gewohnt, von den
Volksrepraͤſentanten mit Schonung zu ſprechen.
Es giebt dergleichen Anekdoten mehr! So ſoll z. B.
Robespierre ein naher Anverwandter des im
J. 1757 zu Paris hingerichteten Franz Dami-
ens geweſen ſeyn, und eben wegen dieſer Hin-
richtung die Burbonen ſo ſehr gehaßt haben. Es
giebt uͤberhaupt keinen Mann, der ſich bey der je-
tzigen Revolution ausgezeichnet hat, den man in
den deutſchen Zeitungen, Journalen, Annalen u.
dgl. nicht etwas anhinge. Und wenn man ja
weiter nichts weis, ſo ſprengt man aus: General
Pichegruͤ ſey doch nur eines Bauern Sohn;
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 4,1. Leipzig, 1797, S. 368. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben0401_1797/372>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.