gelegenheit haben, und ich muß etwan 15 oder 20 Tage ins Prison, und das ist alles.
Der Vorschlag des Husaren misfiel mir nicht: ich sagte ihm, er solle den andern Tag an dem ehe- maligen Hospital le Pelletier -- war sonst ein Lust- schloß und hieß Mirande -- meiner warten, und so war unser Handel geschlossen. Ich hielt es für Pflicht, einem Kameraden den Ausgang aus Frank- reich zu erleichtern; und vor der Furcht, verrathen zu werden, war ich sicher: denn der Husar ver- stand kein Wort französisch, und wenn er wäre an- gehalten, und ich seinetwegen befragt worden, so hätte ich gesagt, daß ich von seiner Geschichte nichts wisse, und daß es meine Schuldigkeit auch nicht sey, danach zu fragen u. s. w. Diese Moral ist freilich etwas lax, aber wo ist der Mensch, der nicht laxe Moral hat!
Früh konnte ich mich beynahe nicht losmachen aus dem Hospital. Die Chirurgen, der Direktor, die Krankenwärter, besonders Bessel und viele Kranken redete alle auf mich ein, und fast jeder wollte mir etwas mitgeben. Bessel drang mir ein ganzes Brod auf; der Direktor ein Fläschchen feinen Franz, der Apotheker ein Gläschen Liquor anodynus nnd mehrere Krankenwärter ihre Fleisch- portionen vom vorigen Abend, die sie für mich auf-
Viert. Th. 2te Abth. K
gelegenheit haben, und ich muß etwan 15 oder 20 Tage ins Priſon, und das iſt alles.
Der Vorſchlag des Huſaren misfiel mir nicht: ich ſagte ihm, er ſolle den andern Tag an dem ehe- maligen Hoſpital le Pelletier — war ſonſt ein Luſt- ſchloß und hieß Mirande — meiner warten, und ſo war unſer Handel geſchloſſen. Ich hielt es fuͤr Pflicht, einem Kameraden den Ausgang aus Frank- reich zu erleichtern; und vor der Furcht, verrathen zu werden, war ich ſicher: denn der Huſar ver- ſtand kein Wort franzoͤſiſch, und wenn er waͤre an- gehalten, und ich ſeinetwegen befragt worden, ſo haͤtte ich geſagt, daß ich von ſeiner Geſchichte nichts wiſſe, und daß es meine Schuldigkeit auch nicht ſey, danach zu fragen u. ſ. w. Dieſe Moral iſt freilich etwas lax, aber wo iſt der Menſch, der nicht laxe Moral hat!
Fruͤh konnte ich mich beynahe nicht losmachen aus dem Hoſpital. Die Chirurgen, der Direktor, die Krankenwaͤrter, beſonders Beſſel und viele Kranken redete alle auf mich ein, und faſt jeder wollte mir etwas mitgeben. Beſſel drang mir ein ganzes Brod auf; der Direktor ein Flaͤſchchen feinen Franz, der Apotheker ein Glaͤschen Liquor anodynus nnd mehrere Krankenwaͤrter ihre Fleiſch- portionen vom vorigen Abend, die ſie fuͤr mich auf-
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gelegenheit haben, und ich muß etwan 15 oder 20
Tage ins Priſon, und das iſt alles.
Der Vorſchlag des Huſaren misfiel mir nicht:
ich ſagte ihm, er ſolle den andern Tag an dem ehe-
maligen Hoſpital le Pelletier — war ſonſt ein Luſt-
ſchloß und hieß Mirande — meiner warten, und
ſo war unſer Handel geſchloſſen. Ich hielt es fuͤr
Pflicht, einem Kameraden den Ausgang aus Frank-
reich zu erleichtern; und vor der Furcht, verrathen
zu werden, war ich ſicher: denn der Huſar ver-
ſtand kein Wort franzoͤſiſch, und wenn er waͤre an-
gehalten, und ich ſeinetwegen befragt worden, ſo
haͤtte ich geſagt, daß ich von ſeiner Geſchichte nichts
wiſſe, und daß es meine Schuldigkeit auch nicht
ſey, danach zu fragen u. ſ. w. Dieſe Moral iſt
freilich etwas lax, aber wo iſt der Menſch, der
nicht laxe Moral hat!
Fruͤh konnte ich mich beynahe nicht losmachen
aus dem Hoſpital. Die Chirurgen, der Direktor,
die Krankenwaͤrter, beſonders Beſſel und viele
Kranken redete alle auf mich ein, und faſt jeder
wollte mir etwas mitgeben. Beſſel drang mir
ein ganzes Brod auf; der Direktor ein Flaͤſchchen
feinen Franz, der Apotheker ein Glaͤschen Liquor
anodynus nnd mehrere Krankenwaͤrter ihre Fleiſch-
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Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 4,2. Leipzig, 1797, S. 145. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben0402_1797/149>, abgerufen am 21.11.2024.
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