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Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 4,2. Leipzig, 1797.

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gespart hatten. Endlich kam der Portier und
brachte mir einen großen Pack Rauchtaback. -- Sie
weinten alle, und ich war so tief gerührt, daß ich
ihnen nur die Hände drücken, aber kein Wort spre-
chen konnte.

Betäubt ging ich durch die Straßen von Dijon
und erst vor dem ehemaligen Petersthor konnte ich
mich wieder fassen und zurück blicken. Hier stieg
nun folgender Gedanke bey mir auf, der mein oh-
nehin schon verwirrtes Gemüth nur noch mehr zer-
rüttete. "Du gehst jezt aus einem Lande, in wel-
ches du auf die unwürdigste Weise von der Welt
getreten bist. Du hast wollen das Deinige bey-
tragen, die Freyheit einer edlen Nation stürzen zu
helfen -- eine Freyheit, deren wohlthätigen Ein-
fluß du selbst gefühlt und genossen hast. Geh,
Laukhard, schäme dich! du bist ein Niederträchti-
ger, ein Verworfner. Sprich ferner nicht mehr
von Schurken: denn du gehörst in ihre Klasse,
stehst mit unter den Verächtlichsten. Die Franzo-
sen hätten recht gehabt, wenn sie dich deiner Un-
ternehmungen wegen mit dem Tode bestraft hätten;
und noch auf der Guillotine hättest du dir selbst be-
kennen müssen, daß sie dir nicht Unrecht thäten.
Aber wie sind sie mit dir verfahren? -- Welchen
Ersatz kannst du ihnen geben? -- Hier faßte ich
den festen Vorsatz, von den Franzosen niemals an-

geſpart hatten. Endlich kam der Portier und
brachte mir einen großen Pack Rauchtaback. — Sie
weinten alle, und ich war ſo tief geruͤhrt, daß ich
ihnen nur die Haͤnde druͤcken, aber kein Wort ſpre-
chen konnte.

Betaͤubt ging ich durch die Straßen von Dijon
und erſt vor dem ehemaligen Petersthor konnte ich
mich wieder faſſen und zuruͤck blicken. Hier ſtieg
nun folgender Gedanke bey mir auf, der mein oh-
nehin ſchon verwirrtes Gemuͤth nur noch mehr zer-
ruͤttete. „Du gehſt jezt aus einem Lande, in wel-
ches du auf die unwuͤrdigſte Weiſe von der Welt
getreten biſt. Du haſt wollen das Deinige bey-
tragen, die Freyheit einer edlen Nation ſtuͤrzen zu
helfen — eine Freyheit, deren wohlthaͤtigen Ein-
fluß du ſelbſt gefuͤhlt und genoſſen haſt. Geh,
Laukhard, ſchaͤme dich! du biſt ein Niedertraͤchti-
ger, ein Verworfner. Sprich ferner nicht mehr
von Schurken: denn du gehoͤrſt in ihre Klaſſe,
ſtehſt mit unter den Veraͤchtlichſten. Die Franzo-
ſen haͤtten recht gehabt, wenn ſie dich deiner Un-
ternehmungen wegen mit dem Tode beſtraft haͤtten;
und noch auf der Guillotine haͤtteſt du dir ſelbſt be-
kennen muͤſſen, daß ſie dir nicht Unrecht thaͤten.
Aber wie ſind ſie mit dir verfahren? — Welchen
Erſatz kannſt du ihnen geben? — Hier faßte ich
den feſten Vorſatz, von den Franzoſen niemals an-

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[146/0150] geſpart hatten. Endlich kam der Portier und brachte mir einen großen Pack Rauchtaback. — Sie weinten alle, und ich war ſo tief geruͤhrt, daß ich ihnen nur die Haͤnde druͤcken, aber kein Wort ſpre- chen konnte. Betaͤubt ging ich durch die Straßen von Dijon und erſt vor dem ehemaligen Petersthor konnte ich mich wieder faſſen und zuruͤck blicken. Hier ſtieg nun folgender Gedanke bey mir auf, der mein oh- nehin ſchon verwirrtes Gemuͤth nur noch mehr zer- ruͤttete. „Du gehſt jezt aus einem Lande, in wel- ches du auf die unwuͤrdigſte Weiſe von der Welt getreten biſt. Du haſt wollen das Deinige bey- tragen, die Freyheit einer edlen Nation ſtuͤrzen zu helfen — eine Freyheit, deren wohlthaͤtigen Ein- fluß du ſelbſt gefuͤhlt und genoſſen haſt. Geh, Laukhard, ſchaͤme dich! du biſt ein Niedertraͤchti- ger, ein Verworfner. Sprich ferner nicht mehr von Schurken: denn du gehoͤrſt in ihre Klaſſe, ſtehſt mit unter den Veraͤchtlichſten. Die Franzo- ſen haͤtten recht gehabt, wenn ſie dich deiner Un- ternehmungen wegen mit dem Tode beſtraft haͤtten; und noch auf der Guillotine haͤtteſt du dir ſelbſt be- kennen muͤſſen, daß ſie dir nicht Unrecht thaͤten. Aber wie ſind ſie mit dir verfahren? — Welchen Erſatz kannſt du ihnen geben? — Hier faßte ich den feſten Vorſatz, von den Franzoſen niemals an-

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Zitationshilfe: Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 4,2. Leipzig, 1797, S. 146. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben0402_1797/150>, abgerufen am 21.11.2024.