Studenten, besonders bey Hrn. Sommer Abschied genommen hatte. Ich sagte diesen, daß ich, we- gen der Gefahr, durchzukommen, noch immer kei- nen Paß nach Frankfurt bekommen könnte, aber des längern Wartens herzlich müde wäre, und also, um auch keinem weiter lästig zu fallen, su- chen wollte, durchzukommen, so gut es gehen würde: und sie billigten meinen Vo[r]satz.
Gegen Abend kam ich nach Ettenheim, sieben gute Stunden von Freyburg, schlief im Wirths- hause, und den andern Tag führte man mich zum Prinzen von Rohan, und zu seinem Onkel, dem Kardinal Rohan, ehemaligen Bischof zu Stras- burg. Der Prinz ist ein wahrer Laffe, gerade, wie man sich nur einen pinselhaften Geck von Emi- grirten denken kann: er springt, singt, trällert und faselirt herum, wie ein Geschöpf seiner Art es nur vermag. Er scheint auch nicht ein Quent- chen Soldatentalent zu besitzen. Der Kardinal hat mir etwas besser gefallen. Ich dachte da einen alten, abgemärkelten Wollüstling zu sehen, der die Spuren seiner Ausschweifungen auf dem Ge- sichte tragen würde *): denn ich hatte von dem Hrn. Kardinal gar viel Skandalöses schon gehört
*)Qui vultu morbum incessuque fatetur. Juv. Sat. II.
Studenten, beſonders bey Hrn. Sommer Abſchied genommen hatte. Ich ſagte dieſen, daß ich, we- gen der Gefahr, durchzukommen, noch immer kei- nen Paß nach Frankfurt bekommen koͤnnte, aber des laͤngern Wartens herzlich muͤde waͤre, und alſo, um auch keinem weiter laͤſtig zu fallen, ſu- chen wollte, durchzukommen, ſo gut es gehen wuͤrde: und ſie billigten meinen Vo[r]ſatz.
Gegen Abend kam ich nach Ettenheim, ſieben gute Stunden von Freyburg, ſchlief im Wirths- hauſe, und den andern Tag fuͤhrte man mich zum Prinzen von Rohan, und zu ſeinem Onkel, dem Kardinal Rohan, ehemaligen Biſchof zu Stras- burg. Der Prinz iſt ein wahrer Laffe, gerade, wie man ſich nur einen pinſelhaften Geck von Emi- grirten denken kann: er ſpringt, ſingt, traͤllert und faſelirt herum, wie ein Geſchoͤpf ſeiner Art es nur vermag. Er ſcheint auch nicht ein Quent- chen Soldatentalent zu beſitzen. Der Kardinal hat mir etwas beſſer gefallen. Ich dachte da einen alten, abgemaͤrkelten Wolluͤſtling zu ſehen, der die Spuren ſeiner Ausſchweifungen auf dem Ge- ſichte tragen wuͤrde *): denn ich hatte von dem Hrn. Kardinal gar viel Skandaloͤſes ſchon gehoͤrt
*)Qui vultu morbum inceſſuque fatetur. Juv. Sat. II.
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0186"n="182"/>
Studenten, beſonders bey Hrn. <hirendition="#g">Sommer</hi> Abſchied<lb/>
genommen hatte. Ich ſagte dieſen, daß ich, we-<lb/>
gen der Gefahr, durchzukommen, noch immer kei-<lb/>
nen Paß nach Frankfurt bekommen koͤnnte, aber<lb/>
des laͤngern Wartens herzlich muͤde waͤre, und<lb/>
alſo, um auch keinem weiter laͤſtig zu fallen, ſu-<lb/>
chen wollte, durchzukommen, ſo gut es gehen<lb/>
wuͤrde: und ſie billigten meinen Vo<supplied>r</supplied>ſatz.</p><lb/><p>Gegen Abend kam ich nach Ettenheim, ſieben<lb/>
gute Stunden von Freyburg, ſchlief im Wirths-<lb/>
hauſe, und den andern Tag fuͤhrte man mich zum<lb/>
Prinzen von <hirendition="#g">Rohan</hi>, und zu ſeinem Onkel, dem<lb/>
Kardinal <hirendition="#g">Rohan</hi>, ehemaligen Biſchof zu Stras-<lb/>
burg. Der Prinz iſt ein wahrer Laffe, gerade,<lb/>
wie man ſich nur einen pinſelhaften Geck von Emi-<lb/>
grirten denken kann: er ſpringt, ſingt, traͤllert<lb/>
und faſelirt herum, wie ein Geſchoͤpf ſeiner Art<lb/>
es nur vermag. Er ſcheint auch nicht ein Quent-<lb/>
chen Soldatentalent zu beſitzen. Der Kardinal<lb/>
hat mir etwas beſſer gefallen. Ich dachte da einen<lb/>
alten, abgemaͤrkelten Wolluͤſtling zu ſehen, der<lb/>
die Spuren ſeiner Ausſchweifungen auf dem Ge-<lb/>ſichte tragen wuͤrde <noteplace="foot"n="*)"><hirendition="#aq">Qui vultu morbum inceſſuque fatetur.<lb/>
Juv. Sat. II.</hi></note>: denn ich hatte von dem<lb/>
Hrn. Kardinal gar viel Skandaloͤſes ſchon gehoͤrt<lb/></p></div></body></text></TEI>
[182/0186]
Studenten, beſonders bey Hrn. Sommer Abſchied
genommen hatte. Ich ſagte dieſen, daß ich, we-
gen der Gefahr, durchzukommen, noch immer kei-
nen Paß nach Frankfurt bekommen koͤnnte, aber
des laͤngern Wartens herzlich muͤde waͤre, und
alſo, um auch keinem weiter laͤſtig zu fallen, ſu-
chen wollte, durchzukommen, ſo gut es gehen
wuͤrde: und ſie billigten meinen Vorſatz.
Gegen Abend kam ich nach Ettenheim, ſieben
gute Stunden von Freyburg, ſchlief im Wirths-
hauſe, und den andern Tag fuͤhrte man mich zum
Prinzen von Rohan, und zu ſeinem Onkel, dem
Kardinal Rohan, ehemaligen Biſchof zu Stras-
burg. Der Prinz iſt ein wahrer Laffe, gerade,
wie man ſich nur einen pinſelhaften Geck von Emi-
grirten denken kann: er ſpringt, ſingt, traͤllert
und faſelirt herum, wie ein Geſchoͤpf ſeiner Art
es nur vermag. Er ſcheint auch nicht ein Quent-
chen Soldatentalent zu beſitzen. Der Kardinal
hat mir etwas beſſer gefallen. Ich dachte da einen
alten, abgemaͤrkelten Wolluͤſtling zu ſehen, der
die Spuren ſeiner Ausſchweifungen auf dem Ge-
ſichte tragen wuͤrde *): denn ich hatte von dem
Hrn. Kardinal gar viel Skandaloͤſes ſchon gehoͤrt
*) Qui vultu morbum inceſſuque fatetur.
Juv. Sat. II.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 4,2. Leipzig, 1797, S. 182. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben0402_1797/186>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.