Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 4,2. Leipzig, 1797.Pfafferey in und für Deutschland; von dem Gene- eure Vortheile viel zu gut. Ihr fühlet wohl, daß die Vater-
landsliebe mit eurem Despotismus unerträglich ist. Ihr be- greifet deutlich, daß Bürger, die vermö[g]e der V[a]terlands- liebe an einander hingen, nicht leicht zu beherrschen [s]eyn mögten, und sich keine Anschlage weiter, als Gemeinwohl, gefallen lassen wurden." "Wollt ihr indessen - fährt Villaume S. 138 fort -- daß sie ein Vaterland lieben: o, so mußt ihr ihnen eins geb[e]n. Die Heloten zu Sparta waren eben so wenig Helden und Patrioten, als unsere Städter und unsere Bauern. Der Unterthan ist allenthalben ein blos pas- sives Geschöpf, ohne Seele, ohne Gefühl als zum Leiden, und ohne Thätigkeit als für seinen Eigennutz. Der Bur- ger aber ist ein thatiges Wesen, dessen Kräfte entwickelt und in Bewegung sind, und der sich deswegen des Staates annimmt, weil er dessen Wohl als sein Wohl, und dessen Werk als sein Werk betrachtet." Das alles lehrte uns wirklich die Erfahrung vor unsern Augen. Was halfen alle öffentliche und Privat-Auffode- rungen zu patriotischen Beyträgen zu Führung des Krieges gegen Frankreich? Der Deutsche blieb k[a]lt, und ließ seine Fursten und deren Diener vergebens jammern und -- schla- gen. Wo Hülfe erfolgte, war es nur Folge von kleinlichen Hofmitteln, angewandt nach der winzigen Einsicht der Pro- vocierten; Patriotismus nirgends. Das Beywort für die Stadt Wien, die Getreueste, und die goldne Krone vom Wi[en]er-Hofe nach Maria-Zell gesandt, sind Stoff zum Kommentieren; kein Beweis vom Gegentheil. Das wa[h]re, ächte Gegentheil fand man an dem Bürger und Bauer in Frankreich: der Patriotismus des einen und des andern kannte keine Gränzen, und darum auch nicht sein -- Siegen. Pfafferey in und fuͤr Deutſchland; von dem Gene- eure Vortheile viel zu gut. Ihr fühlet wohl, daß die Vater-
landsliebe mit eurem Deſpotismus unerträglich iſt. Ihr be- greifet deutlich, daß Bürger, die vermoͤ[g]e der V[a]terlands- liebe an einander hingen, nicht leicht zu beherrſchen [ſ]eyn moͤgten, und ſich keine Anſchlage weiter, als Gemeinwohl, gefallen laſſen wurden.“ „Wollt ihr indeſſen – fährt Villaume S. 138 fort — daß ſie ein Vaterland lieben: o, ſo mußt ihr ihnen eins geb[e]n. Die Heloten zu Sparta waren eben ſo wenig Helden und Patrioten, als unſere Städter und unſere Bauern. Der Unterthan iſt allenthalben ein blos paſ- ſives Geſchoͤpf, ohne Seele, ohne Gefühl als zum Leiden, und ohne Thätigkeit als für ſeinen Eigennutz. Der Bur- ger aber iſt ein thatiges Weſen, deſſen Kräfte entwickelt und in Bewegung ſind, und der ſich deswegen des Staates annimmt, weil er deſſen Wohl als ſein Wohl, und deſſen Werk als ſein Werk betrachtet.“ Das alles lehrte uns wirklich die Erfahrung vor unſern Augen. Was halfen alle oͤffentliche und Privat-Auffode- rungen zu patriotiſchen Beyträgen zu Führung des Krieges gegen Frankreich? Der Deutſche blieb k[a]lt, und ließ ſeine Furſten und deren Diener vergebens jammern und — ſchla- gen. Wo Hülfe erfolgte, war es nur Folge von kleinlichen Hofmitteln, angewandt nach der winzigen Einſicht der Pro- vocierten; Patriotismus nirgends. Das Beywort für die Stadt Wien, die Getreueſte, und die goldne Krone vom Wi[en]er-Hofe nach Maria-Zell geſandt, ſind Stoff zum Kommentieren; kein Beweis vom Gegentheil. Das wa[h]re, ächte Gegentheil fand man an dem Bürger und Bauer in Frankreich: der Patriotismus des einen und des andern kannte keine Gränzen, und darum auch nicht ſein — Siegen. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0207" n="203"/> Pfafferey in und fuͤr Deutſchland; von dem Gene-<lb/> raliſſimus und den andern Generalen der Reichs-<lb/> armee, und von den Kabalen derſelben und deren<lb/> Hauptfolge; von den Exceſſen der Reichstruppen,<lb/> von der ſchlechten, ja, oft entgegengeſezten Be-<lb/> folgung der Operationsplane; von dem Haſſe und<lb/><note xml:id="note-0207" prev="#note-0206" place="foot" n="*)"><p>eure Vortheile viel zu gut. Ihr fühlet wohl, daß die Vater-<lb/> landsliebe mit eurem Deſpotismus unerträglich iſt. Ihr be-<lb/> greifet deutlich, daß Bürger, die vermoͤ<supplied>g</supplied>e der V<supplied>a</supplied>terlands-<lb/> liebe an einander hingen, nicht leicht zu beherrſchen <supplied>ſ</supplied>eyn<lb/> moͤgten, und ſich keine Anſchlage weiter, als Gemeinwohl,<lb/> gefallen laſſen wurden.“</p><lb/><p>„Wollt ihr indeſſen – fährt <hi rendition="#g">Villaume</hi> S. 138 fort<lb/> — daß ſie ein Vaterland lieben: o, ſo mußt ihr ihnen eins<lb/> geb<supplied>e</supplied>n. Die <hi rendition="#g">Heloten</hi> zu Sparta waren eben ſo wenig<lb/> Helden und Patrioten, als unſere Städter und unſere<lb/> Bauern. Der <hi rendition="#g">Unterthan</hi> iſt allenthalben ein blos <hi rendition="#g">paſ</hi>-<lb/><hi rendition="#g">ſives</hi> Geſchoͤpf, ohne Seele, ohne Gefühl als zum Leiden,<lb/> und ohne Thätigkeit als für ſeinen Eigennutz. Der <hi rendition="#g">Bur</hi>-<lb/><hi rendition="#g">ger</hi> aber iſt ein <hi rendition="#g">thatiges</hi> Weſen, deſſen Kräfte entwickelt<lb/> und in Bewegung ſind, und der ſich deswegen des Staates<lb/> annimmt, weil er deſſen Wohl als ſein Wohl, und deſſen<lb/> Werk als ſein Werk betrachtet.“</p><lb/><p>Das alles lehrte uns wirklich die Erfahrung vor unſern<lb/> Augen. Was halfen alle oͤffentliche und Privat-Auffode-<lb/> rungen zu patriotiſchen Beyträgen zu Führung des Krieges<lb/> gegen Frankreich? Der Deutſche blieb k<supplied>a</supplied>lt, und ließ ſeine<lb/> Furſten und deren Diener vergebens jammern und — ſchla-<lb/> gen. Wo Hülfe erfolgte, war es nur Folge von kleinlichen<lb/> Hofmitteln, angewandt nach der winzigen Einſicht der Pro-<lb/> vocierten; Patriotismus nirgends. Das Beywort für die<lb/> Stadt <hi rendition="#g">Wien</hi>, <hi rendition="#g">die Getreueſte</hi>, und die goldne Krone<lb/> vom Wi<supplied>en</supplied>er-Hofe nach <hi rendition="#g">Maria</hi>-<hi rendition="#g">Zell</hi> geſandt, ſind Stoff<lb/> zum Kommentieren; kein Beweis vom Gegentheil. Das<lb/> wa<supplied>h</supplied>re, ächte Gegentheil fand man an dem Bürger und<lb/> Bauer in Frankreich: der Patriotismus des einen und des<lb/> andern kannte keine Gränzen, und darum auch nicht ſein —<lb/> Siegen.</p></note><lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [203/0207]
Pfafferey in und fuͤr Deutſchland; von dem Gene-
raliſſimus und den andern Generalen der Reichs-
armee, und von den Kabalen derſelben und deren
Hauptfolge; von den Exceſſen der Reichstruppen,
von der ſchlechten, ja, oft entgegengeſezten Be-
folgung der Operationsplane; von dem Haſſe und
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*) eure Vortheile viel zu gut. Ihr fühlet wohl, daß die Vater-
landsliebe mit eurem Deſpotismus unerträglich iſt. Ihr be-
greifet deutlich, daß Bürger, die vermoͤge der Vaterlands-
liebe an einander hingen, nicht leicht zu beherrſchen ſeyn
moͤgten, und ſich keine Anſchlage weiter, als Gemeinwohl,
gefallen laſſen wurden.“
„Wollt ihr indeſſen – fährt Villaume S. 138 fort
— daß ſie ein Vaterland lieben: o, ſo mußt ihr ihnen eins
geben. Die Heloten zu Sparta waren eben ſo wenig
Helden und Patrioten, als unſere Städter und unſere
Bauern. Der Unterthan iſt allenthalben ein blos paſ-
ſives Geſchoͤpf, ohne Seele, ohne Gefühl als zum Leiden,
und ohne Thätigkeit als für ſeinen Eigennutz. Der Bur-
ger aber iſt ein thatiges Weſen, deſſen Kräfte entwickelt
und in Bewegung ſind, und der ſich deswegen des Staates
annimmt, weil er deſſen Wohl als ſein Wohl, und deſſen
Werk als ſein Werk betrachtet.“
Das alles lehrte uns wirklich die Erfahrung vor unſern
Augen. Was halfen alle oͤffentliche und Privat-Auffode-
rungen zu patriotiſchen Beyträgen zu Führung des Krieges
gegen Frankreich? Der Deutſche blieb kalt, und ließ ſeine
Furſten und deren Diener vergebens jammern und — ſchla-
gen. Wo Hülfe erfolgte, war es nur Folge von kleinlichen
Hofmitteln, angewandt nach der winzigen Einſicht der Pro-
vocierten; Patriotismus nirgends. Das Beywort für die
Stadt Wien, die Getreueſte, und die goldne Krone
vom Wiener-Hofe nach Maria-Zell geſandt, ſind Stoff
zum Kommentieren; kein Beweis vom Gegentheil. Das
wahre, ächte Gegentheil fand man an dem Bürger und
Bauer in Frankreich: der Patriotismus des einen und des
andern kannte keine Gränzen, und darum auch nicht ſein —
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