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Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 4,2. Leipzig, 1797.

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welchen das Gericht zu meinem Anwald bestimmt
hatte. Als dieser die Lage meiner Affäre vernom-
men hatte, sagte er mir, daß ich keines Advokaten
bedürfte, und daß meine Sache gut stände: ich
sollte nur getrost auftreten.

Ich mußte drey Verhöre vor der Inquisition
selbst aushalten. Das Haus, worin die revolu-
tionnäre Inquisition ihren Sitz hatte, war ehemals
die Wohnung des Bischofs von Macon gewesen:
ein elendes gothisches Gebäude. Ich zitterte frei-
lich etwas, als ich zum erstenmal in die Versamm-
lung der Richter trat; allein um durch ein zerstör-
tes Gesicht meine Schuld nicht schon halb zu be-
kennen, nahm ich alle meine Dreistigkeit zusam-
men, und schritt, indem ich von einem meiner
Begleiter eine Priese Taback nahm, ganz unbe-
fangen an die Schranken. Ich hatte Zeit, mich
noch besser zu sammeln: denn es wurde noch einer
vor mir verhört, welcher die baldige Ankunft des
Exprinzen von Conde mit allen Herren, Pfaffen,
Mönchen und übrigem ausgewanderten Gesindel
als gewiß prophezeiht hatte. Der Mensch war
ganz außer Fassung, und konnte kaum antworten.
Er wurde, als verdächtig, zu einem Arrest bis
auf den Frieden verurtheilt.


Viert. Th. 2te Abth. B

welchen das Gericht zu meinem Anwald beſtimmt
hatte. Als dieſer die Lage meiner Affaͤre vernom-
men hatte, ſagte er mir, daß ich keines Advokaten
beduͤrfte, und daß meine Sache gut ſtaͤnde: ich
ſollte nur getroſt auftreten.

Ich mußte drey Verhoͤre vor der Inquiſition
ſelbſt aushalten. Das Haus, worin die revolu-
tionnaͤre Inquiſition ihren Sitz hatte, war ehemals
die Wohnung des Biſchofs von Mâcon geweſen:
ein elendes gothiſches Gebaͤude. Ich zitterte frei-
lich etwas, als ich zum erſtenmal in die Verſamm-
lung der Richter trat; allein um durch ein zerſtoͤr-
tes Geſicht meine Schuld nicht ſchon halb zu be-
kennen, nahm ich alle meine Dreiſtigkeit zuſam-
men, und ſchritt, indem ich von einem meiner
Begleiter eine Prieſe Taback nahm, ganz unbe-
fangen an die Schranken. Ich hatte Zeit, mich
noch beſſer zu ſammeln: denn es wurde noch einer
vor mir verhoͤrt, welcher die baldige Ankunft des
Exprinzen von Condé mit allen Herren, Pfaffen,
Moͤnchen und uͤbrigem ausgewanderten Geſindel
als gewiß prophezeiht hatte. Der Menſch war
ganz außer Faſſung, und konnte kaum antworten.
Er wurde, als verdaͤchtig, zu einem Arreſt bis
auf den Frieden verurtheilt.


Viert. Th. 2te Abth. B
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[17/0021] welchen das Gericht zu meinem Anwald beſtimmt hatte. Als dieſer die Lage meiner Affaͤre vernom- men hatte, ſagte er mir, daß ich keines Advokaten beduͤrfte, und daß meine Sache gut ſtaͤnde: ich ſollte nur getroſt auftreten. Ich mußte drey Verhoͤre vor der Inquiſition ſelbſt aushalten. Das Haus, worin die revolu- tionnaͤre Inquiſition ihren Sitz hatte, war ehemals die Wohnung des Biſchofs von Mâcon geweſen: ein elendes gothiſches Gebaͤude. Ich zitterte frei- lich etwas, als ich zum erſtenmal in die Verſamm- lung der Richter trat; allein um durch ein zerſtoͤr- tes Geſicht meine Schuld nicht ſchon halb zu be- kennen, nahm ich alle meine Dreiſtigkeit zuſam- men, und ſchritt, indem ich von einem meiner Begleiter eine Prieſe Taback nahm, ganz unbe- fangen an die Schranken. Ich hatte Zeit, mich noch beſſer zu ſammeln: denn es wurde noch einer vor mir verhoͤrt, welcher die baldige Ankunft des Exprinzen von Condé mit allen Herren, Pfaffen, Moͤnchen und uͤbrigem ausgewanderten Geſindel als gewiß prophezeiht hatte. Der Menſch war ganz außer Faſſung, und konnte kaum antworten. Er wurde, als verdaͤchtig, zu einem Arreſt bis auf den Frieden verurtheilt. Viert. Th. 2te Abth. B

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Zitationshilfe: Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 4,2. Leipzig, 1797, S. 17. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben0402_1797/21>, abgerufen am 21.11.2024.