chen gesucht haben. Der verstorbene D.Schubert scheint mir in dieser Rücksicht alle seine orthodoxen Vorgänger und Nachfolger übertroffen zu haben. Ein solcher Mann, der sonst gründlich denken konnte, hätte zur Berichtigung des Systems viel leisten können, wenn er nur gewollt hätte. Das Bahrdtische Buch, nämlich die 1769 bey Hein- [s]ius herausgekommene, sogenannte biblische Dogmatik konnte ich am wenigsten benutzen. Bahrdt dachte damals selbst noch finster, und, was das schlimmste war, er verstand den Lutheri- schen Lehrbegriff gar nicht. Semler pflegte die historische Kenntniß der kirchlichen Dogmen recht angelegentlich zu empfehlen, theils, um den Un- grund und die Neuheit mancher Lehren einzusehen, theils, um dem Systeme keine Schuld aufzubürden, die es nicht hat. Es ist überhaupt lustig, anzu- sehen, wenn Mancher so in den Tag hineinschwazt ohne alle Kenntniß der Sache, wovon die Rede ist, und der Andere, eben so unwissend in der Sache, den Apologeten machen will.
Eben dieser Vortrag nach der Geschichte der kirchlichen Dogmen brachte mich auch auf den Ge- danken, daß es wohl nicht unbillig sey, daß man eine allgemeine Bestimmungsformel habe, nach welcher sich jeder öffentliche Lehrer der Kirche, wie jeder Schriftsteller für den Volksunterricht,
chen geſucht haben. Der verſtorbene D.Schubert ſcheint mir in dieſer Ruͤckſicht alle ſeine orthodoxen Vorgaͤnger und Nachfolger uͤbertroffen zu haben. Ein ſolcher Mann, der ſonſt gruͤndlich denken konnte, haͤtte zur Berichtigung des Syſtems viel leiſten koͤnnen, wenn er nur gewollt haͤtte. Das Bahrdtiſche Buch, naͤmlich die 1769 bey Hein- [ſ]ius herausgekommene, ſogenannte bibliſche Dogmatik konnte ich am wenigſten benutzen. Bahrdt dachte damals ſelbſt noch finſter, und, was das ſchlimmſte war, er verſtand den Lutheri- ſchen Lehrbegriff gar nicht. Semler pflegte die hiſtoriſche Kenntniß der kirchlichen Dogmen recht angelegentlich zu empfehlen, theils, um den Un- grund und die Neuheit mancher Lehren einzuſehen, theils, um dem Syſteme keine Schuld aufzubuͤrden, die es nicht hat. Es iſt uͤberhaupt luſtig, anzu- ſehen, wenn Mancher ſo in den Tag hineinſchwazt ohne alle Kenntniß der Sache, wovon die Rede iſt, und der Andere, eben ſo unwiſſend in der Sache, den Apologeten machen will.
Eben dieſer Vortrag nach der Geſchichte der kirchlichen Dogmen brachte mich auch auf den Ge- danken, daß es wohl nicht unbillig ſey, daß man eine allgemeine Beſtimmungsformel habe, nach welcher ſich jeder oͤffentliche Lehrer der Kirche, wie jeder Schriftſteller fuͤr den Volksunterricht,
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chen geſucht haben. Der verſtorbene D. Schubert
ſcheint mir in dieſer Ruͤckſicht alle ſeine orthodoxen
Vorgaͤnger und Nachfolger uͤbertroffen zu haben.
Ein ſolcher Mann, der ſonſt gruͤndlich denken
konnte, haͤtte zur Berichtigung des Syſtems viel
leiſten koͤnnen, wenn er nur gewollt haͤtte. Das
Bahrdtiſche Buch, naͤmlich die 1769 bey Hein-
ſius herausgekommene, ſogenannte bibliſche
Dogmatik konnte ich am wenigſten benutzen.
Bahrdt dachte damals ſelbſt noch finſter, und,
was das ſchlimmſte war, er verſtand den Lutheri-
ſchen Lehrbegriff gar nicht. Semler pflegte die
hiſtoriſche Kenntniß der kirchlichen Dogmen recht
angelegentlich zu empfehlen, theils, um den Un-
grund und die Neuheit mancher Lehren einzuſehen,
theils, um dem Syſteme keine Schuld aufzubuͤrden,
die es nicht hat. Es iſt uͤberhaupt luſtig, anzu-
ſehen, wenn Mancher ſo in den Tag hineinſchwazt
ohne alle Kenntniß der Sache, wovon die Rede iſt,
und der Andere, eben ſo unwiſſend in der Sache,
den Apologeten machen will.
Eben dieſer Vortrag nach der Geſchichte der
kirchlichen Dogmen brachte mich auch auf den Ge-
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eine allgemeine Beſtimmungsformel habe, nach
welcher ſich jeder oͤffentliche Lehrer der Kirche,
wie jeder Schriftſteller fuͤr den Volksunterricht,
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Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 4,2. Leipzig, 1797, S. 309. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben0402_1797/313>, abgerufen am 22.11.2024.
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