Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 4,2. Leipzig, 1797.

Bild:
<< vorherige Seite

chen gesucht haben. Der verstorbene D. Schubert
scheint mir in dieser Rücksicht alle seine orthodoxen
Vorgänger und Nachfolger übertroffen zu haben.
Ein solcher Mann, der sonst gründlich denken
konnte, hätte zur Berichtigung des Systems viel
leisten können, wenn er nur gewollt hätte. Das
Bahrdtische Buch, nämlich die 1769 bey Hein-
[s]ius herausgekommene, sogenannte biblische
Dogmatik
konnte ich am wenigsten benutzen.
Bahrdt dachte damals selbst noch finster, und,
was das schlimmste war, er verstand den Lutheri-
schen Lehrbegriff gar nicht. Semler pflegte die
historische Kenntniß der kirchlichen Dogmen recht
angelegentlich zu empfehlen, theils, um den Un-
grund und die Neuheit mancher Lehren einzusehen,
theils, um dem Systeme keine Schuld aufzubürden,
die es nicht hat. Es ist überhaupt lustig, anzu-
sehen, wenn Mancher so in den Tag hineinschwazt
ohne alle Kenntniß der Sache, wovon die Rede ist,
und der Andere, eben so unwissend in der Sache,
den Apologeten machen will.

Eben dieser Vortrag nach der Geschichte der
kirchlichen Dogmen brachte mich auch auf den Ge-
danken, daß es wohl nicht unbillig sey, daß man
eine allgemeine Bestimmungsformel habe, nach
welcher sich jeder öffentliche Lehrer der Kirche,
wie jeder Schriftsteller für den Volksunterricht,

chen geſucht haben. Der verſtorbene D. Schubert
ſcheint mir in dieſer Ruͤckſicht alle ſeine orthodoxen
Vorgaͤnger und Nachfolger uͤbertroffen zu haben.
Ein ſolcher Mann, der ſonſt gruͤndlich denken
konnte, haͤtte zur Berichtigung des Syſtems viel
leiſten koͤnnen, wenn er nur gewollt haͤtte. Das
Bahrdtiſche Buch, naͤmlich die 1769 bey Hein-
[ſ]ius herausgekommene, ſogenannte bibliſche
Dogmatik
konnte ich am wenigſten benutzen.
Bahrdt dachte damals ſelbſt noch finſter, und,
was das ſchlimmſte war, er verſtand den Lutheri-
ſchen Lehrbegriff gar nicht. Semler pflegte die
hiſtoriſche Kenntniß der kirchlichen Dogmen recht
angelegentlich zu empfehlen, theils, um den Un-
grund und die Neuheit mancher Lehren einzuſehen,
theils, um dem Syſteme keine Schuld aufzubuͤrden,
die es nicht hat. Es iſt uͤberhaupt luſtig, anzu-
ſehen, wenn Mancher ſo in den Tag hineinſchwazt
ohne alle Kenntniß der Sache, wovon die Rede iſt,
und der Andere, eben ſo unwiſſend in der Sache,
den Apologeten machen will.

Eben dieſer Vortrag nach der Geſchichte der
kirchlichen Dogmen brachte mich auch auf den Ge-
danken, daß es wohl nicht unbillig ſey, daß man
eine allgemeine Beſtimmungsformel habe, nach
welcher ſich jeder oͤffentliche Lehrer der Kirche,
wie jeder Schriftſteller fuͤr den Volksunterricht,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0313" n="309"/>
chen ge&#x017F;ucht haben. Der ver&#x017F;torbene <hi rendition="#aq">D.</hi> <hi rendition="#g">Schubert</hi><lb/>
&#x017F;cheint mir in die&#x017F;er Ru&#x0364;ck&#x017F;icht alle &#x017F;eine orthodoxen<lb/>
Vorga&#x0364;nger und Nachfolger u&#x0364;bertroffen zu haben.<lb/>
Ein &#x017F;olcher Mann, der &#x017F;on&#x017F;t gru&#x0364;ndlich denken<lb/>
konnte, ha&#x0364;tte zur Berichtigung des Sy&#x017F;tems viel<lb/>
lei&#x017F;ten ko&#x0364;nnen, wenn er nur gewollt ha&#x0364;tte. Das<lb/><hi rendition="#g">Bahrdti&#x017F;che</hi> Buch, na&#x0364;mlich die 1769 bey Hein-<lb/><supplied>&#x017F;</supplied>ius herausgekommene, &#x017F;ogenannte <hi rendition="#g">bibli&#x017F;che<lb/>
Dogmatik</hi> konnte ich am wenig&#x017F;ten benutzen.<lb/><hi rendition="#g">Bahrdt</hi> dachte damals &#x017F;elb&#x017F;t noch fin&#x017F;ter, und,<lb/>
was das &#x017F;chlimm&#x017F;te war, er ver&#x017F;tand den Lutheri-<lb/>
&#x017F;chen Lehrbegriff gar nicht. <hi rendition="#g">Semler</hi> pflegte die<lb/>
hi&#x017F;tori&#x017F;che Kenntniß der kirchlichen Dogmen recht<lb/>
angelegentlich zu empfehlen, theils, um den Un-<lb/>
grund und die Neuheit mancher Lehren einzu&#x017F;ehen,<lb/>
theils, um dem Sy&#x017F;teme keine Schuld aufzubu&#x0364;rden,<lb/>
die es nicht hat. Es i&#x017F;t u&#x0364;berhaupt lu&#x017F;tig, anzu-<lb/>
&#x017F;ehen, wenn Mancher &#x017F;o in den Tag hinein&#x017F;chwazt<lb/>
ohne alle Kenntniß der Sache, wovon die Rede i&#x017F;t,<lb/>
und der Andere, eben &#x017F;o unwi&#x017F;&#x017F;end in der Sache,<lb/>
den Apologeten machen will.</p><lb/>
        <p>Eben die&#x017F;er Vortrag nach der Ge&#x017F;chichte der<lb/>
kirchlichen Dogmen brachte mich auch auf den Ge-<lb/>
danken, daß es wohl nicht unbillig &#x017F;ey, daß man<lb/>
eine allgemeine Be&#x017F;timmungsformel habe, nach<lb/>
welcher &#x017F;ich jeder o&#x0364;ffentliche <hi rendition="#g">Lehrer der Kirche</hi>,<lb/>
wie jeder Schrift&#x017F;teller fu&#x0364;r den Volksunterricht,<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[309/0313] chen geſucht haben. Der verſtorbene D. Schubert ſcheint mir in dieſer Ruͤckſicht alle ſeine orthodoxen Vorgaͤnger und Nachfolger uͤbertroffen zu haben. Ein ſolcher Mann, der ſonſt gruͤndlich denken konnte, haͤtte zur Berichtigung des Syſtems viel leiſten koͤnnen, wenn er nur gewollt haͤtte. Das Bahrdtiſche Buch, naͤmlich die 1769 bey Hein- ſius herausgekommene, ſogenannte bibliſche Dogmatik konnte ich am wenigſten benutzen. Bahrdt dachte damals ſelbſt noch finſter, und, was das ſchlimmſte war, er verſtand den Lutheri- ſchen Lehrbegriff gar nicht. Semler pflegte die hiſtoriſche Kenntniß der kirchlichen Dogmen recht angelegentlich zu empfehlen, theils, um den Un- grund und die Neuheit mancher Lehren einzuſehen, theils, um dem Syſteme keine Schuld aufzubuͤrden, die es nicht hat. Es iſt uͤberhaupt luſtig, anzu- ſehen, wenn Mancher ſo in den Tag hineinſchwazt ohne alle Kenntniß der Sache, wovon die Rede iſt, und der Andere, eben ſo unwiſſend in der Sache, den Apologeten machen will. Eben dieſer Vortrag nach der Geſchichte der kirchlichen Dogmen brachte mich auch auf den Ge- danken, daß es wohl nicht unbillig ſey, daß man eine allgemeine Beſtimmungsformel habe, nach welcher ſich jeder oͤffentliche Lehrer der Kirche, wie jeder Schriftſteller fuͤr den Volksunterricht,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben0402_1797
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben0402_1797/313
Zitationshilfe: Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 4,2. Leipzig, 1797, S. 309. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben0402_1797/313>, abgerufen am 22.11.2024.