durch seine Kräfte möglich wäre. Die Concurrenz der äußern Dinge scheint dem Leben aller Sachen Eintrag zu thun.
Zweytens ist es doch gewiß, daß entweder meine Seele noch nach dem Tode fortdauert oder nicht fortdauert. Im lezten Fall werde ich nach dem Tode nicht unglücklich seyn: denn was ist wohl ein Unglück für den, der nicht mehr ist, das heißt, der nicht mehr denkt, oder empfindet? Vor dreißig Jahren war ich noch nicht geboren, folglich auch nicht unglücklich, und werde also, wenn alles im Tode mit mir ein Ende hat, nach diesem auch nicht unglücklich seyn. In diesem Fall ist also mein Tod das Ende aller meiner Leiden, und folglich nicht allein nichts Böses, sondern sogar noch ein Gut. Denn so zu leben, wie ich jezt lebe, ist doch wahr- lich kein Glück.
Ist aber das andere, oder dauert meine Seele mit ihrer Kraft zu denken auch nach dem Tode noch fort: so hat meine Seele auch das Vermögen, ihre Vorstellungen zu verbessern und folglich muß sie glücklicher werden. Das elende Gewäsche von po- sitiven St[ - 1 Zeichen fehlt]afen nach dem Tode, die gar noch ewig währen sollen, verdient keine Widerlegung. Wir wissen, daß die schle[ch]teste Klasse von Menschen sie von jeher als einen Kappzaum fürs Volk be- nuzt hat; und daß der ein Sklave bleibt sein Lebe-
durch ſeine Kraͤfte moͤglich waͤre. Die Concurrenz der aͤußern Dinge ſcheint dem Leben aller Sachen Eintrag zu thun.
Zweytens iſt es doch gewiß, daß entweder meine Seele noch nach dem Tode fortdauert oder nicht fortdauert. Im lezten Fall werde ich nach dem Tode nicht ungluͤcklich ſeyn: denn was iſt wohl ein Ungluͤck fuͤr den, der nicht mehr iſt, das heißt, der nicht mehr denkt, oder empfindet? Vor dreißig Jahren war ich noch nicht geboren, folglich auch nicht ungluͤcklich, und werde alſo, wenn alles im Tode mit mir ein Ende hat, nach dieſem auch nicht ungluͤcklich ſeyn. In dieſem Fall iſt alſo mein Tod das Ende aller meiner Leiden, und folglich nicht allein nichts Boͤſes, ſondern ſogar noch ein Gut. Denn ſo zu leben, wie ich jezt lebe, iſt doch wahr- lich kein Gluͤck.
Iſt aber das andere, oder dauert meine Seele mit ihrer Kraft zu denken auch nach dem Tode noch fort: ſo hat meine Seele auch das Vermoͤgen, ihre Vorſtellungen zu verbeſſern und folglich muß ſie gluͤcklicher werden. Das elende Gewaͤſche von po- ſitiven St[ – 1 Zeichen fehlt]afen nach dem Tode, die gar noch ewig waͤhren ſollen, verdient keine Widerlegung. Wir wiſſen, daß die ſchle[ch]teſte Klaſſe von Menſchen ſie von jeher als einen Kappzaum fuͤrs Volk be- nuzt hat; und daß der ein Sklave bleibt ſein Lebe-
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0342"n="338"/>
durch ſeine Kraͤfte moͤglich waͤre. Die Concurrenz<lb/>
der aͤußern Dinge ſcheint dem Leben aller Sachen<lb/>
Eintrag zu thun.</p><lb/><p>Zweytens iſt es doch gewiß, daß entweder meine<lb/>
Seele noch nach dem Tode fortdauert oder nicht<lb/>
fortdauert. Im lezten Fall werde ich nach dem<lb/>
Tode nicht ungluͤcklich ſeyn: denn was iſt wohl ein<lb/>
Ungluͤck fuͤr den, der nicht mehr iſt, das heißt,<lb/>
der nicht mehr denkt, oder empfindet? Vor dreißig<lb/>
Jahren war ich noch nicht geboren, folglich auch<lb/>
nicht ungluͤcklich, und werde alſo, wenn alles im<lb/>
Tode mit mir ein Ende hat, nach dieſem auch nicht<lb/>
ungluͤcklich ſeyn. In dieſem Fall iſt alſo mein Tod<lb/>
das Ende aller meiner Leiden, und folglich nicht<lb/>
allein nichts Boͤſes, ſondern ſogar noch ein Gut.<lb/>
Denn ſo zu leben, wie ich jezt lebe, iſt doch wahr-<lb/>
lich kein Gluͤck.</p><lb/><p>Iſt aber das andere, oder dauert meine Seele<lb/>
mit ihrer Kraft zu denken auch nach dem Tode noch<lb/>
fort: ſo hat meine Seele auch das Vermoͤgen, ihre<lb/>
Vorſtellungen zu verbeſſern und folglich muß ſie<lb/>
gluͤcklicher werden. Das elende Gewaͤſche von po-<lb/>ſitiven St<gapunit="chars"quantity="1"/>afen nach dem Tode, die gar noch ewig<lb/>
waͤhren ſollen, verdient keine Widerlegung. Wir<lb/>
wiſſen, daß die ſchle<supplied>ch</supplied>teſte Klaſſe von Menſchen<lb/>ſie von jeher als einen Kappzaum fuͤrs Volk be-<lb/>
nuzt hat; und daß der ein Sklave bleibt ſein Lebe-<lb/></p></div></body></text></TEI>
[338/0342]
durch ſeine Kraͤfte moͤglich waͤre. Die Concurrenz
der aͤußern Dinge ſcheint dem Leben aller Sachen
Eintrag zu thun.
Zweytens iſt es doch gewiß, daß entweder meine
Seele noch nach dem Tode fortdauert oder nicht
fortdauert. Im lezten Fall werde ich nach dem
Tode nicht ungluͤcklich ſeyn: denn was iſt wohl ein
Ungluͤck fuͤr den, der nicht mehr iſt, das heißt,
der nicht mehr denkt, oder empfindet? Vor dreißig
Jahren war ich noch nicht geboren, folglich auch
nicht ungluͤcklich, und werde alſo, wenn alles im
Tode mit mir ein Ende hat, nach dieſem auch nicht
ungluͤcklich ſeyn. In dieſem Fall iſt alſo mein Tod
das Ende aller meiner Leiden, und folglich nicht
allein nichts Boͤſes, ſondern ſogar noch ein Gut.
Denn ſo zu leben, wie ich jezt lebe, iſt doch wahr-
lich kein Gluͤck.
Iſt aber das andere, oder dauert meine Seele
mit ihrer Kraft zu denken auch nach dem Tode noch
fort: ſo hat meine Seele auch das Vermoͤgen, ihre
Vorſtellungen zu verbeſſern und folglich muß ſie
gluͤcklicher werden. Das elende Gewaͤſche von po-
ſitiven St_afen nach dem Tode, die gar noch ewig
waͤhren ſollen, verdient keine Widerlegung. Wir
wiſſen, daß die ſchlechteſte Klaſſe von Menſchen
ſie von jeher als einen Kappzaum fuͤrs Volk be-
nuzt hat; und daß der ein Sklave bleibt ſein Lebe-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 4,2. Leipzig, 1797, S. 338. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben0402_1797/342>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.