des Jahres 1794 in Marseille drey Lehrer der Hy- drographie angestellt; zu Besancon war eine Schu- le der Mathesis und besonders der Artillerie, und der damit verbundenen Wissenschaften. Die Me- dicin und besonders die Chirurgie werden jezt in allen großen Städten vorzüglich gelehrt. Bey dem allen ist aber doch die eigentliche Gelehrsam- keit, das heißt, die Geschichte, Geographie, Phi- lologie und künstliche Philosophie sehr in Verfall gekommen: denn von der Theologie und dem soge- nannten Recht kann der Neufranke ohnehin nichts mehr brauchen.
Die Schulen waren demnach nicht nur in den Städten, sondern auch auf den Dörfern eingestellt. Man unterrichtete vorher in den gemeinen Schulen ohnehin blos im Katechismus, selten lehrte man die Kinder rechnen und schreiben: an allen andern Unterricht war gar nicht zu denken. Man kann mir glauben, daß der gemeine Mann in Frankreich zehnmal unwissender ist, als der in Deutschland: denn sehr selten kann einer lesen; und orthogra- phisch schreiben -- vermag kaum der kultivirte. Ich habe Kriegskommissäre gekannt, welche im Schreiben Schnitzer über Schnitzer machten. Da- her hält man jezt die Distrikte dazu an, daß we-
Viert. Th. [2]te Abth. E
des Jahres 1794 in Marſeille drey Lehrer der Hy- drographie angeſtellt; zu Beſançon war eine Schu- le der Matheſis und beſonders der Artillerie, und der damit verbundenen Wiſſenſchaften. Die Me- dicin und beſonders die Chirurgie werden jezt in allen großen Staͤdten vorzuͤglich gelehrt. Bey dem allen iſt aber doch die eigentliche Gelehrſam- keit, das heißt, die Geſchichte, Geographie, Phi- lologie und kuͤnſtliche Philoſophie ſehr in Verfall gekommen: denn von der Theologie und dem ſoge- nannten Recht kann der Neufranke ohnehin nichts mehr brauchen.
Die Schulen waren demnach nicht nur in den Staͤdten, ſondern auch auf den Doͤrfern eingeſtellt. Man unterrichtete vorher in den gemeinen Schulen ohnehin blos im Katechismus, ſelten lehrte man die Kinder rechnen und ſchreiben: an allen andern Unterricht war gar nicht zu denken. Man kann mir glauben, daß der gemeine Mann in Frankreich zehnmal unwiſſender iſt, als der in Deutſchland: denn ſehr ſelten kann einer leſen; und orthogra- phiſch ſchreiben — vermag kaum der kultivirte. Ich habe Kriegskommiſſaͤre gekannt, welche im Schreiben Schnitzer uͤber Schnitzer machten. Da- her haͤlt man jezt die Diſtrikte dazu an, daß we-
Viert. Th. [2]te Abth. E
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des Jahres 1794 in Marſeille drey Lehrer der Hy-
drographie angeſtellt; zu Beſançon war eine Schu-
le der Matheſis und beſonders der Artillerie, und
der damit verbundenen Wiſſenſchaften. Die Me-
dicin und beſonders die Chirurgie werden jezt in
allen großen Staͤdten vorzuͤglich gelehrt. Bey
dem allen iſt aber doch die eigentliche Gelehrſam-
keit, das heißt, die Geſchichte, Geographie, Phi-
lologie und kuͤnſtliche Philoſophie ſehr in Verfall
gekommen: denn von der Theologie und dem ſoge-
nannten Recht kann der Neufranke ohnehin nichts
mehr brauchen.
Die Schulen waren demnach nicht nur in den
Staͤdten, ſondern auch auf den Doͤrfern eingeſtellt.
Man unterrichtete vorher in den gemeinen Schulen
ohnehin blos im Katechismus, ſelten lehrte man
die Kinder rechnen und ſchreiben: an allen andern
Unterricht war gar nicht zu denken. Man kann
mir glauben, daß der gemeine Mann in Frankreich
zehnmal unwiſſender iſt, als der in Deutſchland:
denn ſehr ſelten kann einer leſen; und orthogra-
phiſch ſchreiben — vermag kaum der kultivirte.
Ich habe Kriegskommiſſaͤre gekannt, welche im
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Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 4,2. Leipzig, 1797, S. 65. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben0402_1797/69>, abgerufen am 24.11.2024.
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