nigstens einige ihrer Mitglieder die Orthographie verstehen müssen.
Um diesem Uebel abzuhelfen, that man schon zu meiner Zeit häufige Vorschläge zur Verbesserung des Schulwesens, und zur Einrichtung eines bes- sern Unterrichts. Ich kann nicht sagen, in wie- fern diese Vorschläge gefruchtet haben, und was durch sie Gutes bewirkt ist: Man erfährt in Deutschland zu wenig davon, oder einseitig oder verstellt.
Da ich in der Kaserne bey den Deserteurs lag, dieses Gesindel aber durchaus nicht verdauen konn- te, so ging ich schon früh Morgens fort, und kam Abends spät wieder. Oft blieb ich auch über Nacht weg, und verweilte dann theils bey den Kriegsge- fangenen, theils bey dem Gastwirth Vienot, wo immer eine muntere Gesellschaft sich einfand. Mir war es überhaupt leicht, Bekanntschaften an- zuzetteln, indem ich die Landes-Sprache ziemlich fertig redete, und immer so sprach, wie man es gern hörte. Denn da die Franzosen jezt samt und sonders politische Kanngießer sind, so kann man sich bey ihnen leicht insinuiren, wenn man von ihren Gesetzen, ihren Einrichtungen, von den Regenten und Fürsten und andern ähnlichen Gegenständen so spricht, wie sie jezt denken, und dabey allerhand Anmerkungen aus der Geschichte einflicht. Vi[e][-]
nigſtens einige ihrer Mitglieder die Orthographie verſtehen muͤſſen.
Um dieſem Uebel abzuhelfen, that man ſchon zu meiner Zeit haͤufige Vorſchlaͤge zur Verbeſſerung des Schulweſens, und zur Einrichtung eines beſ- ſern Unterrichts. Ich kann nicht ſagen, in wie- fern dieſe Vorſchlaͤge gefruchtet haben, und was durch ſie Gutes bewirkt iſt: Man erfaͤhrt in Deutſchland zu wenig davon, oder einſeitig oder verſtellt.
Da ich in der Kaſerne bey den Deſerteurs lag, dieſes Geſindel aber durchaus nicht verdauen konn- te, ſo ging ich ſchon fruͤh Morgens fort, und kam Abends ſpaͤt wieder. Oft blieb ich auch uͤber Nacht weg, und verweilte dann theils bey den Kriegsge- fangenen, theils bey dem Gaſtwirth Vienot, wo immer eine muntere Geſellſchaft ſich einfand. Mir war es uͤberhaupt leicht, Bekanntſchaften an- zuzetteln, indem ich die Landes-Sprache ziemlich fertig redete, und immer ſo ſprach, wie man es gern hoͤrte. Denn da die Franzoſen jezt ſamt und ſonders politiſche Kanngießer ſind, ſo kann man ſich bey ihnen leicht inſinuiren, wenn man von ihren Geſetzen, ihren Einrichtungen, von den Regenten und Fuͤrſten und andern aͤhnlichen Gegenſtaͤnden ſo ſpricht, wie ſie jezt denken, und dabey allerhand Anmerkungen aus der Geſchichte einflicht. Vi[e][-]
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nigſtens einige ihrer Mitglieder die Orthographie
verſtehen muͤſſen.
Um dieſem Uebel abzuhelfen, that man ſchon
zu meiner Zeit haͤufige Vorſchlaͤge zur Verbeſſerung
des Schulweſens, und zur Einrichtung eines beſ-
ſern Unterrichts. Ich kann nicht ſagen, in wie-
fern dieſe Vorſchlaͤge gefruchtet haben, und was
durch ſie Gutes bewirkt iſt: Man erfaͤhrt in
Deutſchland zu wenig davon, oder einſeitig oder
verſtellt.
Da ich in der Kaſerne bey den Deſerteurs lag,
dieſes Geſindel aber durchaus nicht verdauen konn-
te, ſo ging ich ſchon fruͤh Morgens fort, und kam
Abends ſpaͤt wieder. Oft blieb ich auch uͤber Nacht
weg, und verweilte dann theils bey den Kriegsge-
fangenen, theils bey dem Gaſtwirth Vienot,
wo immer eine muntere Geſellſchaft ſich einfand.
Mir war es uͤberhaupt leicht, Bekanntſchaften an-
zuzetteln, indem ich die Landes-Sprache ziemlich
fertig redete, und immer ſo ſprach, wie man es
gern hoͤrte. Denn da die Franzoſen jezt ſamt und
ſonders politiſche Kanngießer ſind, ſo kann man
ſich bey ihnen leicht inſinuiren, wenn man von ihren
Geſetzen, ihren Einrichtungen, von den Regenten
und Fuͤrſten und andern aͤhnlichen Gegenſtaͤnden ſo
ſpricht, wie ſie jezt denken, und dabey allerhand
Anmerkungen aus der Geſchichte einflicht. Vie-
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Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 4,2. Leipzig, 1797, S. 66. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben0402_1797/70>, abgerufen am 21.11.2024.
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