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Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 4,2. Leipzig, 1797.

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Weise ein freyer Mann sey" gar schön reimen zu
können *). Aber stoisch oder nicht stoisch: der Be-
griff ist richtig, und der einzige, welcher von
Freyheit, in sofern sie in der Gesellschaft sich zei-
gen kann, statt findet.

Aus diesem Begriff folgern nun die Franzosen:

1) Daß in einem monarchischen Staate keine
Freyheit statt finde. Denn hier ist der Gesetz-
geber über die Gesetze erhaben, welche er nach
seinem Vortheil, und nicht nach dem Bedürfniß
des Staates selbst giebt, modificirt und aufhebt.
2) Daß die Religion, und überhaupt alle Beschäf-
tigungen des menschlichen Geistes ganz und
gar kein Gegenstand der Gesetze sind: denn der
Verstand kann nach äußern Gesetzen nicht mo-
dificirt werden, wie die Verfasser der soge-
nannten Religions-Edikte doch wollen.
3) Daß alle Verwalter der Gesetze wirkliche Be-
dienten des Staats sind; daß sie folglich nur
uneigentlich Regenten können genannt werden:
denn die eigentlichen Regenten sind die Gesetze.
4) Daß es ganz und gar keine Dispensation vom
Gesetze, keine Einschränkung oder Ausdehnung
desselben, keine Schärfung der Strafe, keine
Begnadigung, keine Gunst, keine Nebenab-
sichten u. d. gl. geben kann.

*) Cic. Parad. III.

Weiſe ein freyer Mann ſey“ gar ſchoͤn reimen zu
koͤnnen *). Aber ſtoiſch oder nicht ſtoiſch: der Be-
griff iſt richtig, und der einzige, welcher von
Freyheit, in ſofern ſie in der Geſellſchaft ſich zei-
gen kann, ſtatt findet.

Aus dieſem Begriff folgern nun die Franzoſen:

1) Daß in einem monarchiſchen Staate keine
Freyheit ſtatt finde. Denn hier iſt der Geſetz-
geber uͤber die Geſetze erhaben, welche er nach
ſeinem Vortheil, und nicht nach dem Beduͤrfniß
des Staates ſelbſt giebt, modificirt und aufhebt.
2) Daß die Religion, und uͤberhaupt alle Beſchaͤf-
tigungen des menſchlichen Geiſtes ganz und
gar kein Gegenſtand der Geſetze ſind: denn der
Verſtand kann nach aͤußern Geſetzen nicht mo-
dificirt werden, wie die Verfaſſer der ſoge-
nannten Religions-Edikte doch wollen.
3) Daß alle Verwalter der Geſetze wirkliche Be-
dienten des Staats ſind; daß ſie folglich nur
uneigentlich Regenten koͤnnen genannt werden:
denn die eigentlichen Regenten ſind die Geſetze.
4) Daß es ganz und gar keine Diſpenſation vom
Geſetze, keine Einſchraͤnkung oder Ausdehnung
deſſelben, keine Schaͤrfung der Strafe, keine
Begnadigung, keine Gunſt, keine Nebenab-
ſichten u. d. gl. geben kann.

*) Cic. Parad. III.
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[89/0093] Weiſe ein freyer Mann ſey“ gar ſchoͤn reimen zu koͤnnen *). Aber ſtoiſch oder nicht ſtoiſch: der Be- griff iſt richtig, und der einzige, welcher von Freyheit, in ſofern ſie in der Geſellſchaft ſich zei- gen kann, ſtatt findet. Aus dieſem Begriff folgern nun die Franzoſen: 1) Daß in einem monarchiſchen Staate keine Freyheit ſtatt finde. Denn hier iſt der Geſetz- geber uͤber die Geſetze erhaben, welche er nach ſeinem Vortheil, und nicht nach dem Beduͤrfniß des Staates ſelbſt giebt, modificirt und aufhebt. 2) Daß die Religion, und uͤberhaupt alle Beſchaͤf- tigungen des menſchlichen Geiſtes ganz und gar kein Gegenſtand der Geſetze ſind: denn der Verſtand kann nach aͤußern Geſetzen nicht mo- dificirt werden, wie die Verfaſſer der ſoge- nannten Religions-Edikte doch wollen. 3) Daß alle Verwalter der Geſetze wirkliche Be- dienten des Staats ſind; daß ſie folglich nur uneigentlich Regenten koͤnnen genannt werden: denn die eigentlichen Regenten ſind die Geſetze. 4) Daß es ganz und gar keine Diſpenſation vom Geſetze, keine Einſchraͤnkung oder Ausdehnung deſſelben, keine Schaͤrfung der Strafe, keine Begnadigung, keine Gunſt, keine Nebenab- ſichten u. d. gl. geben kann. *) Cic. Parad. III.

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Zitationshilfe: Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 4,2. Leipzig, 1797, S. 89. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben0402_1797/93>, abgerufen am 21.11.2024.