Sie besteht darin, daß die Gesetze in Absicht auf jeden Bürger, auf gleiche Weise, ohne alle Ausnahme angewendet werden müssen. Jeder Bürger hat seine Rechte, aber kein anderer hat mehr oder weniger; er hat eben dieselben auch: folglich kann jeder
1) Alles thun, was irgend ein anderer thun darf. Jeder kann
2) Zu allen Würden, Aemtern und Belohnun- gen des Staats gelangen, wozu seine Ver- dienste ihn fähig machen.
Weiter darf die Gleichheit nicht ausgedehnt werden. Der Narr in Frankreich bleibt ein Narr, und der Schurke ein Schurke; das schöne Mädchen ist liebenswürdig, und die zusammengeschrumpfte alte Jungfer macht Eckel in Frankreich, wie in Deutschland. Es giebt keine persönliche, keine habituelle Gleichheit, aber wohl eine legale. Aus diesen Grundsätzen folgen nun nothwendig fol- gende Punkte:
1) Es kann kein Adel existiren: denn der Adel ist ein angeerbtes Recht zu gewissen Vorzügen, welches mit dem Begriff der Gleichheit nicht be- stehen kann.
2) Es kann keine Privilegien geben zum Nach- theil Anderer: es giebt daher keine Monopolien, keine Innungen, Zünfte u. dgl. wodurch die Aus-
Sie beſteht darin, daß die Geſetze in Abſicht auf jeden Buͤrger, auf gleiche Weiſe, ohne alle Ausnahme angewendet werden muͤſſen. Jeder Buͤrger hat ſeine Rechte, aber kein anderer hat mehr oder weniger; er hat eben dieſelben auch: folglich kann jeder
1) Alles thun, was irgend ein anderer thun darf. Jeder kann
2) Zu allen Wuͤrden, Aemtern und Belohnun- gen des Staats gelangen, wozu ſeine Ver- dienſte ihn faͤhig machen.
Weiter darf die Gleichheit nicht ausgedehnt werden. Der Narr in Frankreich bleibt ein Narr, und der Schurke ein Schurke; das ſchoͤne Maͤdchen iſt liebenswuͤrdig, und die zuſammengeſchrumpfte alte Jungfer macht Eckel in Frankreich, wie in Deutſchland. Es giebt keine perſoͤnliche, keine habituelle Gleichheit, aber wohl eine legale. Aus dieſen Grundſaͤtzen folgen nun nothwendig fol- gende Punkte:
1) Es kann kein Adel exiſtiren: denn der Adel iſt ein angeerbtes Recht zu gewiſſen Vorzuͤgen, welches mit dem Begriff der Gleichheit nicht be- ſtehen kann.
2) Es kann keine Privilegien geben zum Nach- theil Anderer: es giebt daher keine Monopolien, keine Innungen, Zuͤnfte u. dgl. wodurch die Aus-
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Sie beſteht darin, daß die Geſetze in Abſicht
auf jeden Buͤrger, auf gleiche Weiſe, ohne
alle Ausnahme angewendet werden muͤſſen. Jeder
Buͤrger hat ſeine Rechte, aber kein anderer hat
mehr oder weniger; er hat eben dieſelben auch:
folglich kann jeder
1) Alles thun, was irgend ein anderer thun
darf. Jeder kann
2) Zu allen Wuͤrden, Aemtern und Belohnun-
gen des Staats gelangen, wozu ſeine Ver-
dienſte ihn faͤhig machen.
Weiter darf die Gleichheit nicht ausgedehnt
werden. Der Narr in Frankreich bleibt ein Narr,
und der Schurke ein Schurke; das ſchoͤne Maͤdchen
iſt liebenswuͤrdig, und die zuſammengeſchrumpfte
alte Jungfer macht Eckel in Frankreich, wie in
Deutſchland. Es giebt keine perſoͤnliche, keine
habituelle Gleichheit, aber wohl eine legale.
Aus dieſen Grundſaͤtzen folgen nun nothwendig fol-
gende Punkte:
1) Es kann kein Adel exiſtiren: denn der Adel
iſt ein angeerbtes Recht zu gewiſſen Vorzuͤgen,
welches mit dem Begriff der Gleichheit nicht be-
ſtehen kann.
2) Es kann keine Privilegien geben zum Nach-
theil Anderer: es giebt daher keine Monopolien,
keine Innungen, Zuͤnfte u. dgl. wodurch die Aus-
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Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 4,2. Leipzig, 1797, S. 91. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben0402_1797/95>, abgerufen am 16.02.2025.
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