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Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 5. Leipzig, 1802.

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Schwörenden mit im Spiel war. Es giebt grö-
bere Vergehungen, als ein falscher Eid, und zu
diesen gröbern Vergehungen gehört die Brechung
des einem Freunde gegebenen Wortes. Seine
Seele zum Teufel schwören
, ist ein Aus-
druck ohne Sinn; denn nicht der Schwur, son-
dern die Handlung ist Sünde. Wenn ich z. B.
falsch geschworen hätte, um den tugendhaften Ver-
gniaud, den Camille Desmoulins, oder den
Bailli von dem mörderischen Eisen zu retten, so
würde ich mir nicht allein kein Gewissen daraus
machen, die Terroristen durch einen falschen Eid
betrogen zu haben, sondern würde eben den fal-
schen zur Rettung der Tugend geleisteten Eid für
meine schönste That halten, und mich derselben öf-
fentlich rühmen, und jeder rechtdenkende Mann
würde mir applaudiren. Meine Moral wird man-
chem zu lux und manchem verdammlich vorkommen:
aber was kümmern mich die Urtheile anderer?
Eben die, welche die sogenannte Heiligkeit des Ei-
des so vertheidigen, als wenn damit das Wohl und
das Wehe des ganzen Staats im engsten Zusam-
menhang stünde, sind meistens die ersten, die falsch
schwören, wenn es auf ihrem Nutzen ankommt.
Experto crede Roberto. Selbst die höchste Obrig-
keit, ich meyne die Fürsten, nimmt es nicht so
genau mit dem Meyneid. Ein Deserteur hat ge-

Schwoͤrenden mit im Spiel war. Es giebt groͤ-
bere Vergehungen, als ein falſcher Eid, und zu
dieſen groͤbern Vergehungen gehoͤrt die Brechung
des einem Freunde gegebenen Wortes. Seine
Seele zum Teufel ſchwoͤren
, iſt ein Aus-
druck ohne Sinn; denn nicht der Schwur, ſon-
dern die Handlung iſt Suͤnde. Wenn ich z. B.
falſch geſchworen haͤtte, um den tugendhaften Ver-
gniaud, den Camille Desmoulins, oder den
Bailli von dem moͤrderiſchen Eiſen zu retten, ſo
wuͤrde ich mir nicht allein kein Gewiſſen daraus
machen, die Terroriſten durch einen falſchen Eid
betrogen zu haben, ſondern wuͤrde eben den fal-
ſchen zur Rettung der Tugend geleiſteten Eid fuͤr
meine ſchoͤnſte That halten, und mich derſelben oͤf-
fentlich ruͤhmen, und jeder rechtdenkende Mann
wuͤrde mir applaudiren. Meine Moral wird man-
chem zu lux und manchem verdammlich vorkommen:
aber was kuͤmmern mich die Urtheile anderer?
Eben die, welche die ſogenannte Heiligkeit des Ei-
des ſo vertheidigen, als wenn damit das Wohl und
das Wehe des ganzen Staats im engſten Zuſam-
menhang ſtuͤnde, ſind meiſtens die erſten, die falſch
ſchwoͤren, wenn es auf ihrem Nutzen ankommt.
Experto crede Roberto. Selbſt die hoͤchſte Obrig-
keit, ich meyne die Fuͤrſten, nimmt es nicht ſo
genau mit dem Meyneid. Ein Deſerteur hat ge-

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[117/0125] Schwoͤrenden mit im Spiel war. Es giebt groͤ- bere Vergehungen, als ein falſcher Eid, und zu dieſen groͤbern Vergehungen gehoͤrt die Brechung des einem Freunde gegebenen Wortes. Seine Seele zum Teufel ſchwoͤren, iſt ein Aus- druck ohne Sinn; denn nicht der Schwur, ſon- dern die Handlung iſt Suͤnde. Wenn ich z. B. falſch geſchworen haͤtte, um den tugendhaften Ver- gniaud, den Camille Desmoulins, oder den Bailli von dem moͤrderiſchen Eiſen zu retten, ſo wuͤrde ich mir nicht allein kein Gewiſſen daraus machen, die Terroriſten durch einen falſchen Eid betrogen zu haben, ſondern wuͤrde eben den fal- ſchen zur Rettung der Tugend geleiſteten Eid fuͤr meine ſchoͤnſte That halten, und mich derſelben oͤf- fentlich ruͤhmen, und jeder rechtdenkende Mann wuͤrde mir applaudiren. Meine Moral wird man- chem zu lux und manchem verdammlich vorkommen: aber was kuͤmmern mich die Urtheile anderer? Eben die, welche die ſogenannte Heiligkeit des Ei- des ſo vertheidigen, als wenn damit das Wohl und das Wehe des ganzen Staats im engſten Zuſam- menhang ſtuͤnde, ſind meiſtens die erſten, die falſch ſchwoͤren, wenn es auf ihrem Nutzen ankommt. Experto crede Roberto. Selbſt die hoͤchſte Obrig- keit, ich meyne die Fuͤrſten, nimmt es nicht ſo genau mit dem Meyneid. Ein Deſerteur hat ge-

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Zitationshilfe: Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 5. Leipzig, 1802, S. 117. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben05_1802/125>, abgerufen am 21.11.2024.