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Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 5. Leipzig, 1802.

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den goldnen Löwen, um daselbst einen Magdebur-
gischen Handelsmann, Herrn, Raack aufzusuchen.
Wir setzten uns zusammen, und, ich weiß nicht wie,
das Gespräch kam auf die Juden. Hayman, der
Judenvorsteher, Wolf und noch ein Israelit, des-
sen Namen mir entfallen ist, waren gegenwärtig:
diese nahmen die Parthey ihrer Nation, aber auf
die allerkomischte Weise. Sie meynten, da es
unter den Christen selbst so viele falsche Wechsel-
schmiede, Betrüger und Spitzbuben gäbe, so müsse
den Juden auch erlaubt seyn, falsche Wechsel zu
machen, zu betrügen und zu spitzbübern. Unter den
Christen gäbe es viele Taugnichtse, die auch bloß
verzehrten, ohne das Geringste für das Beste der Ge-
sellschaft zu arbeiten, und daher könne man es den
Juden nicht verdenken, wenn sie alle Taugenichtse
wären u. s. w. Der Disputat erhitzte sich, und es
kam zu Invectiven, und zwar zu so kräftigen, daß
die Juden hoch und theuer schwuren, mich zu ver-
klagen. Sie haben aber nicht Wort gehalten, viel-
leicht weil sie befürchteten, es mögten in dem Pro-
zesse gewisse Stückchen durch mich an den Tag ge-
bracht werden, deren Publicität ihnen unangenehm
seyn könnte. Seit jener Zeit grüßt mich kein Jude
mehr auf der Straße, und der alte, unbeholfne
Hayman weicht mir allemal sehr weit aus, wenn
er mir begegnet.


den goldnen Loͤwen, um daſelbſt einen Magdebur-
giſchen Handelsmann, Herrn, Raack aufzuſuchen.
Wir ſetzten uns zuſammen, und, ich weiß nicht wie,
das Geſpraͤch kam auf die Juden. Hayman, der
Judenvorſteher, Wolf und noch ein Iſraelit, deſ-
ſen Namen mir entfallen iſt, waren gegenwaͤrtig:
dieſe nahmen die Parthey ihrer Nation, aber auf
die allerkomiſchte Weiſe. Sie meynten, da es
unter den Chriſten ſelbſt ſo viele falſche Wechſel-
ſchmiede, Betruͤger und Spitzbuben gaͤbe, ſo muͤſſe
den Juden auch erlaubt ſeyn, falſche Wechſel zu
machen, zu betruͤgen und zu ſpitzbuͤbern. Unter den
Chriſten gaͤbe es viele Taugnichtſe, die auch bloß
verzehrten, ohne das Geringſte fuͤr das Beſte der Ge-
ſellſchaft zu arbeiten, und daher koͤnne man es den
Juden nicht verdenken, wenn ſie alle Taugenichtſe
waͤren u. ſ. w. Der Diſputat erhitzte ſich, und es
kam zu Invectiven, und zwar zu ſo kraͤftigen, daß
die Juden hoch und theuer ſchwuren, mich zu ver-
klagen. Sie haben aber nicht Wort gehalten, viel-
leicht weil ſie befuͤrchteten, es moͤgten in dem Pro-
zeſſe gewiſſe Stuͤckchen durch mich an den Tag ge-
bracht werden, deren Publicitaͤt ihnen unangenehm
ſeyn koͤnnte. Seit jener Zeit gruͤßt mich kein Jude
mehr auf der Straße, und der alte, unbeholfne
Hayman weicht mir allemal ſehr weit aus, wenn
er mir begegnet.


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[173/0181] den goldnen Loͤwen, um daſelbſt einen Magdebur- giſchen Handelsmann, Herrn, Raack aufzuſuchen. Wir ſetzten uns zuſammen, und, ich weiß nicht wie, das Geſpraͤch kam auf die Juden. Hayman, der Judenvorſteher, Wolf und noch ein Iſraelit, deſ- ſen Namen mir entfallen iſt, waren gegenwaͤrtig: dieſe nahmen die Parthey ihrer Nation, aber auf die allerkomiſchte Weiſe. Sie meynten, da es unter den Chriſten ſelbſt ſo viele falſche Wechſel- ſchmiede, Betruͤger und Spitzbuben gaͤbe, ſo muͤſſe den Juden auch erlaubt ſeyn, falſche Wechſel zu machen, zu betruͤgen und zu ſpitzbuͤbern. Unter den Chriſten gaͤbe es viele Taugnichtſe, die auch bloß verzehrten, ohne das Geringſte fuͤr das Beſte der Ge- ſellſchaft zu arbeiten, und daher koͤnne man es den Juden nicht verdenken, wenn ſie alle Taugenichtſe waͤren u. ſ. w. Der Diſputat erhitzte ſich, und es kam zu Invectiven, und zwar zu ſo kraͤftigen, daß die Juden hoch und theuer ſchwuren, mich zu ver- klagen. Sie haben aber nicht Wort gehalten, viel- leicht weil ſie befuͤrchteten, es moͤgten in dem Pro- zeſſe gewiſſe Stuͤckchen durch mich an den Tag ge- bracht werden, deren Publicitaͤt ihnen unangenehm ſeyn koͤnnte. Seit jener Zeit gruͤßt mich kein Jude mehr auf der Straße, und der alte, unbeholfne Hayman weicht mir allemal ſehr weit aus, wenn er mir begegnet.

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Zitationshilfe: Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 5. Leipzig, 1802, S. 173. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben05_1802/181>, abgerufen am 21.11.2024.