Ich gestehe indessen sehr gerne, daß es viel rechtschaffne und brave Männer unter denen giebt, welche Juden heißen: daß diese aber keine wahren Juden sind, und folglich von mir nicht gemeynt werden, versteht sich von selbst.
Ein Gespenstergeschichtchen, welches mir im Februar 1800 erzählt wurde, darf ich hier nicht unberührt lassen. Ich hatte einem begüterten Land- mann 4 1/2 Stunde von hier einige Dienste geleistet: der Mann bat mich so oft, ihn einmal zu besuchen, daß ich endlich mich entschloß, ein Paar Tage auf dem Dorf, wo er wohnte, zuzubringen. Es war schon ein alter Mann von 72 Jahren; sein einzi- ger Sohn war längst gestorben, wie auch seine Schwiegertochter, aber der Sohn seines Sohnes wohnte bey ihm im Hause, und diesen jungen Leutchen hatte er sein Gut übergeben. Der Alte sowohl, als die Jungen, erwiesen mir alle Freund- schaft, und wollten mich länger bey sich behalten, als ich mir vorgenommen hatte zu bleiben. Ueber dem letzten Frühstück, welches wir mit einander einnahmen, kam unser Gespräch auf die Gespen- ster, ich weiß selbst nicht wie, und da wurden ei- nige Histörchen aufgetischt, welche jedesmal ei- nen lächerlichen Ausgang gehabt hatten.
Ja, fing endlich der alte Mann an, da meine Schwiegertochter, die hat Kurasche, die fürchtet
Ich geſtehe indeſſen ſehr gerne, daß es viel rechtſchaffne und brave Maͤnner unter denen giebt, welche Juden heißen: daß dieſe aber keine wahren Juden ſind, und folglich von mir nicht gemeynt werden, verſteht ſich von ſelbſt.
Ein Geſpenſtergeſchichtchen, welches mir im Februar 1800 erzaͤhlt wurde, darf ich hier nicht unberuͤhrt laſſen. Ich hatte einem beguͤterten Land- mann 4 ½ Stunde von hier einige Dienſte geleiſtet: der Mann bat mich ſo oft, ihn einmal zu beſuchen, daß ich endlich mich entſchloß, ein Paar Tage auf dem Dorf, wo er wohnte, zuzubringen. Es war ſchon ein alter Mann von 72 Jahren; ſein einzi- ger Sohn war laͤngſt geſtorben, wie auch ſeine Schwiegertochter, aber der Sohn ſeines Sohnes wohnte bey ihm im Hauſe, und dieſen jungen Leutchen hatte er ſein Gut uͤbergeben. Der Alte ſowohl, als die Jungen, erwieſen mir alle Freund- ſchaft, und wollten mich laͤnger bey ſich behalten, als ich mir vorgenommen hatte zu bleiben. Ueber dem letzten Fruͤhſtuͤck, welches wir mit einander einnahmen, kam unſer Geſpraͤch auf die Geſpen- ſter, ich weiß ſelbſt nicht wie, und da wurden ei- nige Hiſtoͤrchen aufgetiſcht, welche jedesmal ei- nen laͤcherlichen Ausgang gehabt hatten.
Ja, fing endlich der alte Mann an, da meine Schwiegertochter, die hat Kuraſche, die fuͤrchtet
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Ich geſtehe indeſſen ſehr gerne, daß es viel
rechtſchaffne und brave Maͤnner unter denen giebt,
welche Juden heißen: daß dieſe aber keine wahren
Juden ſind, und folglich von mir nicht gemeynt
werden, verſteht ſich von ſelbſt.
Ein Geſpenſtergeſchichtchen, welches mir im
Februar 1800 erzaͤhlt wurde, darf ich hier nicht
unberuͤhrt laſſen. Ich hatte einem beguͤterten Land-
mann 4 ½ Stunde von hier einige Dienſte geleiſtet:
der Mann bat mich ſo oft, ihn einmal zu beſuchen,
daß ich endlich mich entſchloß, ein Paar Tage auf
dem Dorf, wo er wohnte, zuzubringen. Es war
ſchon ein alter Mann von 72 Jahren; ſein einzi-
ger Sohn war laͤngſt geſtorben, wie auch ſeine
Schwiegertochter, aber der Sohn ſeines Sohnes
wohnte bey ihm im Hauſe, und dieſen jungen
Leutchen hatte er ſein Gut uͤbergeben. Der Alte
ſowohl, als die Jungen, erwieſen mir alle Freund-
ſchaft, und wollten mich laͤnger bey ſich behalten,
als ich mir vorgenommen hatte zu bleiben. Ueber
dem letzten Fruͤhſtuͤck, welches wir mit einander
einnahmen, kam unſer Geſpraͤch auf die Geſpen-
ſter, ich weiß ſelbſt nicht wie, und da wurden ei-
nige Hiſtoͤrchen aufgetiſcht, welche jedesmal ei-
nen laͤcherlichen Ausgang gehabt hatten.
Ja, fing endlich der alte Mann an, da meine
Schwiegertochter, die hat Kuraſche, die fuͤrchtet
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Laukhard, Friedrich Christian: F. C. Laukhards Leben und Schicksale. Bd. 5. Leipzig, 1802, S. 174. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/laukhard_leben05_1802/182>, abgerufen am 21.11.2024.
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