Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lavater, Johann Caspar: Betrachtungen über die wichtigsten Stellen der Evangelien. Bd. 1: Matthäus und Markus. Dessau/Leipzig, 1783.

Bild:
<< vorherige Seite

Sturmesstillung.
chen in den Mund gelegt. -- So viel von den harten
und hartscheinenden Worten Jesus.

60.
Sturmesstillung.

Und siehe! Es war eine große UngestümeMatth.
VIII. 24.

auf dem Meer, also daß auch das Schiff von
den Wellen bedeckt war. Er aber schlief. Und
seine Jünger traten zu Ihm und weckten Ihn
auf -- Herr! Hilf uns! Wir verderben! Und
Er sagte zu Ihnen: Ihr Kleingläubige! Was
seyd ihr so furchtsam? Da stand Er auf und be-
schalt die Winde und das Meer. Und es ward
eine grosse Stille. Aber die Menschen verwun-
derten sich und sprachen: Was für einer ist Die-
ser, daß Ihm auch die Winde und das Meer
gehorsam sind?
Die Natur tobt, wann ihr Herr
schläft; Und schweigt, sobald Er aufwacht. Die Ele-
mente mögt' ich sagen, beugen Ihm ihre Kniee -- und
der Fürst der Luft legt seinen Zepter vor seiner Gegen-
wart nieder. -- Die erschrockene Ohnmacht wendet
sich an die schlummernde Allmacht, und diese rückt ihr
nicht ihre Zudringlichkeit, sondern ihren Schwachglau-
ben vor. Furcht soll sich immer mehr von dem Herzen
des Jüngers Christus entfernen. Immer freyer und
furchtloser soll er jedem Sturm und Ungewitter in's An-
gesicht sehen -- und auch ohne die sichtbare Gegenwart
des Herrn, ohne Angstgeschrey zu Ihm -- endlich in
sich selber Glauben
genug haben, um vor keinem
Ungewitter zu erzittern -- Es liegt vieles in dem Ver-

weise
G

Sturmesſtillung.
chen in den Mund gelegt. — So viel von den harten
und hartſcheinenden Worten Jeſus.

60.
Sturmesſtillung.

Und ſiehe! Es war eine große UngeſtümeMatth.
VIII. 24.

auf dem Meer, alſo daß auch das Schiff von
den Wellen bedeckt war. Er aber ſchlief. Und
ſeine Jünger traten zu Ihm und weckten Ihn
auf — Herr! Hilf uns! Wir verderben! Und
Er ſagte zu Ihnen: Ihr Kleingläubige! Was
ſeyd ihr ſo furchtſam? Da ſtand Er auf und be-
ſchalt die Winde und das Meer. Und es ward
eine groſſe Stille. Aber die Menſchen verwun-
derten ſich und ſprachen: Was für einer iſt Die-
ſer, daß Ihm auch die Winde und das Meer
gehorſam ſind?
Die Natur tobt, wann ihr Herr
ſchläft; Und ſchweigt, ſobald Er aufwacht. Die Ele-
mente mögt’ ich ſagen, beugen Ihm ihre Kniee — und
der Fürſt der Luft legt ſeinen Zepter vor ſeiner Gegen-
wart nieder. — Die erſchrockene Ohnmacht wendet
ſich an die ſchlummernde Allmacht, und dieſe rückt ihr
nicht ihre Zudringlichkeit, ſondern ihren Schwachglau-
ben vor. Furcht ſoll ſich immer mehr von dem Herzen
des Jüngers Chriſtus entfernen. Immer freyer und
furchtloſer ſoll er jedem Sturm und Ungewitter in’s An-
geſicht ſehen — und auch ohne die ſichtbare Gegenwart
des Herrn, ohne Angſtgeſchrey zu Ihm — endlich in
ſich ſelber Glauben
genug haben, um vor keinem
Ungewitter zu erzittern — Es liegt vieles in dem Ver-

weiſe
G
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0125" n="97[117]"/><fw place="top" type="header">Sturmes&#x017F;tillung.</fw><lb/>
chen in den Mund gelegt. &#x2014; So viel von den harten<lb/>
und hart&#x017F;cheinenden Worten <hi rendition="#fr">Je&#x017F;us.</hi></p>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head>60.<lb/>
Sturmes&#x017F;tillung.</head><lb/>
            <p><hi rendition="#fr">Und &#x017F;iehe! Es war eine große Unge&#x017F;tüme</hi><note place="right">Matth.<lb/><hi rendition="#aq">VIII.</hi> 24.</note><lb/><hi rendition="#fr">auf dem Meer, al&#x017F;o daß auch das Schiff von<lb/>
den Wellen bedeckt war. Er aber &#x017F;chlief. Und<lb/>
&#x017F;eine Jünger traten zu Ihm und weckten Ihn<lb/>
auf &#x2014; Herr! Hilf uns! Wir verderben! Und<lb/>
Er &#x017F;agte zu Ihnen: Ihr Kleingläubige! Was<lb/>
&#x017F;eyd ihr &#x017F;o furcht&#x017F;am? Da &#x017F;tand Er auf und be-<lb/>
&#x017F;chalt die Winde und das Meer. Und es ward<lb/>
eine gro&#x017F;&#x017F;e Stille. Aber die Men&#x017F;chen verwun-<lb/>
derten &#x017F;ich und &#x017F;prachen: Was für einer i&#x017F;t Die-<lb/>
&#x017F;er, daß Ihm auch die Winde und das Meer<lb/>
gehor&#x017F;am &#x017F;ind?</hi> Die Natur tobt, wann ihr Herr<lb/>
&#x017F;chläft; Und &#x017F;chweigt, &#x017F;obald Er aufwacht. Die Ele-<lb/>
mente <hi rendition="#fr">mögt&#x2019;</hi> ich &#x017F;agen, beugen Ihm ihre Kniee &#x2014; und<lb/>
der Für&#x017F;t der Luft legt &#x017F;einen Zepter vor &#x017F;einer Gegen-<lb/>
wart nieder. &#x2014; Die er&#x017F;chrockene Ohnmacht wendet<lb/>
&#x017F;ich an die &#x017F;chlummernde Allmacht, und die&#x017F;e rückt ihr<lb/>
nicht ihre Zudringlichkeit, &#x017F;ondern ihren Schwachglau-<lb/>
ben vor. <hi rendition="#fr">Furcht</hi> &#x017F;oll &#x017F;ich immer mehr von dem Herzen<lb/>
des Jüngers <hi rendition="#fr">Chri&#x017F;tus</hi> entfernen. Immer freyer und<lb/>
furchtlo&#x017F;er &#x017F;oll er jedem Sturm und Ungewitter in&#x2019;s An-<lb/>
ge&#x017F;icht &#x017F;ehen &#x2014; und auch ohne die &#x017F;ichtbare Gegenwart<lb/>
des Herrn, ohne Ang&#x017F;tge&#x017F;chrey zu Ihm &#x2014; endlich <hi rendition="#fr">in<lb/>
&#x017F;ich &#x017F;elber Glauben</hi> genug haben, um vor keinem<lb/>
Ungewitter zu erzittern &#x2014; Es liegt vieles in dem Ver-<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">G</fw><fw place="bottom" type="catch">wei&#x017F;e</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[97[117]/0125] Sturmesſtillung. chen in den Mund gelegt. — So viel von den harten und hartſcheinenden Worten Jeſus. 60. Sturmesſtillung. Und ſiehe! Es war eine große Ungeſtüme auf dem Meer, alſo daß auch das Schiff von den Wellen bedeckt war. Er aber ſchlief. Und ſeine Jünger traten zu Ihm und weckten Ihn auf — Herr! Hilf uns! Wir verderben! Und Er ſagte zu Ihnen: Ihr Kleingläubige! Was ſeyd ihr ſo furchtſam? Da ſtand Er auf und be- ſchalt die Winde und das Meer. Und es ward eine groſſe Stille. Aber die Menſchen verwun- derten ſich und ſprachen: Was für einer iſt Die- ſer, daß Ihm auch die Winde und das Meer gehorſam ſind? Die Natur tobt, wann ihr Herr ſchläft; Und ſchweigt, ſobald Er aufwacht. Die Ele- mente mögt’ ich ſagen, beugen Ihm ihre Kniee — und der Fürſt der Luft legt ſeinen Zepter vor ſeiner Gegen- wart nieder. — Die erſchrockene Ohnmacht wendet ſich an die ſchlummernde Allmacht, und dieſe rückt ihr nicht ihre Zudringlichkeit, ſondern ihren Schwachglau- ben vor. Furcht ſoll ſich immer mehr von dem Herzen des Jüngers Chriſtus entfernen. Immer freyer und furchtloſer ſoll er jedem Sturm und Ungewitter in’s An- geſicht ſehen — und auch ohne die ſichtbare Gegenwart des Herrn, ohne Angſtgeſchrey zu Ihm — endlich in ſich ſelber Glauben genug haben, um vor keinem Ungewitter zu erzittern — Es liegt vieles in dem Ver- weiſe Matth. VIII. 24. G

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Matthias Boenig, Yannic Bracke, Benjamin Fiechter, Susanne Haaf, Linda Kirsten, Xi Zhang: Arbeitsschritte im Digitalisierungsworkflow: Vorbereitung der Bildvorlagen für die Textdigitalisierung; Bearbeitung, Konvertierung und ggf. Nachstrukturierung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Linda Kirsten, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Erbauungsschriften zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lavater_betrachtungen01_1783
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lavater_betrachtungen01_1783/125
Zitationshilfe: Lavater, Johann Caspar: Betrachtungen über die wichtigsten Stellen der Evangelien. Bd. 1: Matthäus und Markus. Dessau/Leipzig, 1783, S. 97[117]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lavater_betrachtungen01_1783/125>, abgerufen am 21.11.2024.